Danya Kukafka - Notizen zu einer Hinrichtung / Notes on an Execution

  • Vielschichtig.

    Ein Buch, das an Fahrt aufnimmt. Ein Buch, das Perspektiven wechselt, Spotlights setzt und dennoch um einen zentralen Punkt kreist. Ein Buch, das nachhallt.

    Die Geschichte scheint klar und ist es doch nicht. Da ist ein geständiger Mörder, der auf seine Hinrichtung wartet, schließlich ist er in Texas. Und da ist die Geschichte, wie es dazu kam. Da sind auch, quasi kreisförmig angeordnet, Menschen - beinahe allesamt Frauen - die diese Geschichte erzählen und sie durch ihr Handeln gleichsam gestalten. Alles greift ineinander und kumuliert in einem Prozedere, das ebenso fragwürdig wie unausweichlich erscheint.

    Danya Kukafka formuliert keine Fragen, stellt sie aber und ist klug genug, keine Antworten zu haben.

    Besonders beeindruckt hat mich der sachlich wirkende Erzählstil von Ansels Perspektive.

    Ein beinahe philosophisches Buch, das sich Zeit nimmt, bisweilen schmerzhaft Figuren zu beleuchten, auch in ihren dunklen Momenten. Ein Buch über die unheilvolle Macht der Gewalt, der Femizide. Und die Frage nach deren (Un-)Ausweichlichkeit.

    Ich werde es sicher ein zweites Mal lesen müssen, um es komplett zu durchdringen.

    Für das Bereitstellen eines Rezensionsexemplars danke ich vorablesen.de und dem Verlag, dem ich für weitere Ausgaben oder Auflagen eine orthographische Überarbeitung empfehle.

  • StepfelLiest dies ist Deine zehnte Rezension hier und die siebte, bei der wir unter dem Reiter 'Buch' im Editor die ISBN nachtragen mussten. Bitte denke demnächst selbst daran.


    Hier noch das Original:

  • Squirrel

    Hat den Titel des Themas von „Danya Kukafka - Notizen zu einer Hinrichtung“ zu „Danya Kukafka - Notizen zu einer Hinrichtung / Notes on an Execution“ geändert.
  • Die letzten Stunden eines Mörders


    Der Serienmörder Ansel Packer wartet auf seine Hinrichtung, die in zwölf Stunden vollzogen werden soll. Sein Schicksal ist der Tod und damit das gleiche, das er seinen Opfern Jahre zuvor auferlegt hat. Während Ansel Packer nicht sterben und stattdessen verstanden werden möchte, erleben wir die Geschichte der Frauen, die er zurücklässt. Die Geschichte einer Mutter, einer Schwester und einer Kommissarin.


    Notizen zu einer Hinrichtung von Danya Kukafka ist ein atemraubendes Buch, das einem von der ersten bis zur letzten Seite eine beklemmende Atmosphäre bietet und das Buch nicht mehr aus der Hand legen lässt.


    Dabei erleben wir die Geschichte aus der Sicht von Ansel Packers Mutter, einer Schwester eines seiner Opfer und der Kommissarin. Die Ausschnitte aus dem Leben der drei Frauen reichen Jahre zurück, bis wir die Gegenwart erlangen. In Ansel Packers Perspektive werden wir mit der „Du-Form“ direkt von der Autorin angesprochen, diese Form ist unglaublich packend und zusammen wirken alle Perspektive wahnsinnig ergreifend.

    Durch die drei Perspektiven lernen wir sowohl Ansel Packer aus deren Sicht kennen - drei Ansichten, die Parallelen, aber auch Divergenzen haben und im Verbund mit den teilweise philosophischen Gedanken des Serienmörders eine Komplexität ergeben, die mich zum Nachdenken angeregten. Zu einem Nachdenken, das weit über das Buch hinaus geht, bis heute anhält und vermutlich noch eine Weile andauern wird.


    Die drei Perspektiven zeigen jedoch nicht nur unterschiedliche Ansichten auf den Serienmörder, sondern auch unterschiedliche Wege die daraus resultierten. Kleine Berührungspunkte im Leben, die das eigene nachhaltig veränderten und damit auch die Perspektive.


    Notizen zu einer Hinrichtung ist ein ergreifendes Werk, das weit über das Leben nachdenken lässt und unabhängig von der Thematik der Hinrichtung an Ansel Packer eindringlich und packend ist.


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • Ansel Packer ist ein Serienmörder und sitzt im Todestrakt. Er hat mehrere Frauen auf dem Gewissen und seine Hinrichtung steht unmittelbar bevor.



    Das Buch besteht aus verschiedenen Handlungssträngen. Der erste beschreibt die letzten 12 Stunden vor Ansels Hinrichtung und erzählt in Rückblenden sein Leben und seine Gedanken. Dieser Teil ist recht ungewöhnlich aus der Perspektive der 2. Person Singular verfasst ("Als du an deinem letzten Lebenstag die Augen aufschlägst, siehst du deinen Daumen."). Die weiteren drei Handlungsstränge erzählen jeweils aus der Perspektive von Ansels Mutter Lavender, der Polizistin Saffy und Ansels Schwägerin Hazel und sind in der üblichen dritten Person geschrieben.


    Leider bin ich mit diesem Buch nicht richtig warm geworden. Das lag unter anderem an der erwähnten Du-Erzählweise in Ansels Teil, die aufgesetzt und künstlich wirkte. Zusätzlich sagte mir der blumige Schreibstil nicht zu. Jede Gefühlsregung wurde genau beschrieben, jeder Gesichtsausdruck, so dass wenig Raum für die eigene Vorstellung blieb. Hier hätte die Autorin dem Leser gerne mehr zutrauen können. Vieles wiederholte sich und nervte dadurch beim Lesen, etwa Ansels krude Parallelwelten-Theorie, mit er sich aus der moralischen Verantwortung ziehen wollte. Und allein zwölfmal wurde ein Atem oder ein Gefühl als sauer beschrieben ("Saffy hatte keine Worte für ihre Verzweiflung. Sie schmeckte geronnen, sauer wie alte Milch.") Einige Sprachbilder wirkten schief und viele pseudophilosophische Formulierungen empfand ich bei genauerem Hinsehen als leere Satzhülsen. Sämtliche Figuren blieben mir fremd, so dass mich die Geschichte nicht packen konnte. Die Autorin bedient zudem in Ansels Darstellung die gängigen Klischees - emotional unfähig, schwere Kindheit, fehlende Mutter - und macht es sich hier für meine Begriffe zu einfach.


    Insgesamt blieb dieser Roman deutlich hinter meinen Erwartungen zurück, die angesichts der internationalen positiven Rezeption ihres ersten Buches "Girl in Snow" entsprechend hoch waren.

    Leider nur 3 Sterne.

  • Für mich ein Lesehighlight :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:


    Immer wenn ich das Cover sehe, muss ich an den erschreckenden Vorfall aus dem Roman denken. Aber der Reihe nach: Diesen Roman möchte ich hoch loben. Für mich ein Highlight. Als Thriller würde ich das Buch nicht bezeichnen, auch wenn es sich um einen Serienmord handelt, eher ist hier eine dramatische, tragische Geschichte entstanden, die extrem fesselnd ist.


    Der Roman nimmt mit jeder Seite die Fahrt an, und zieht den Leser tief in die menschlichen Abgründe hinein. Mit raffinierter, permanent wechselnder Erzählperspektive hält die Autorin den Leser an die Geschichte gebunden. Viele Sichtweisen, viele Ebenen, die sich ineinander verwickeln. Ich würde empfehlen, das Buch aufmerksam zu lesen, um all die Finessen der psychologischen, analytischen Betrachtung des Bösen durchzuschauen.


    Das zentrale Thema des Romans ist die Tat eines zum Tode verurteilten Serienmörder, der auf seine Hinrichtung wartet. Alles dreht sich um diesen einzigen Punkt. Wie kam es dazu, wer ist darin verwickelt, was fühle ich als Leser dabei. Ohne die Fragen genau zu formulieren, stellt die Autorin diese gekonnt in den Raum. Ist es moralisch und ethisch vertretbar, einen Mörder hinzurichten? Was macht es aus uns als Menschen, wie ist es für die Opfer?


    Die Auseinandersetzung dieses Romans mit dem Thema: Todesstrafe hat mich sehr bewegt. Ich habe die Handlung als sehr intensiv und beklemmend empfunden und würde das Buch gerne weiterempfehlen.

    2024: Bücher: 100/Seiten: 43 976

    2023: Bücher: 189/Seiten: 73 404

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    Lese gerade:

    Adrian, Lara - Hüterin der Ewigkeit


  • Klappentext:


    In 12 Stunden soll Ansel Packer hingerichtet werden. Doch dies ist nicht seine Geschichte. Dies ist die Geschichte der Frauen, die er zurückgelassen hat.


    Ansel Packer weiß ganz genau, was er verbrochen hat, und wartet nun auf seine Hinrichtung – das gleiche grausame Schicksal, das er vor Jahren seinen Opfern auferlegt hat. Doch er will nicht sterben. Er will anerkannt und verstanden werden.


    Durch ein Kaleidoskop von Frauen – eine Mutter, eine Schwester, eine Kommissarin der Mordkommission – erfahren wir die Geschichte von Ansels Leben. Atemberaubend spannend und mit erstaunlichem Einfühlungsvermögen zeichnet Kukafka ein erschütterndes Porträt von Weiblichkeit, während sie gleichzeitig das Narrativ des Serienmörders und unsere kulturelle Besessenheit von Kriminalgeschichten hinterfragt


    Mein Lese-Eindruck:

    „Es ist nicht so schwierig, Böses zu tun.“


    Die Autorin wählt ungewöhnliche Perspektiven und mutet ihren Lesern damit eine nicht leichte Kost zu. Anselm Packer ist des vierfachen Mordes schuldig und soll in 12 Stunden hingerichtet werden, der Countdown läuft. Jedes Kapitel bringt den Mörder näher an seine Hinrichtung heran. Zugleich rückt jedes Kapitel wie in einem Figurenreigen andere Personen in den Fokus. Da ist Anselms Mutter, die vor der Gewalt des Ehemannes flieht und ihre Kinder der staatlichen Fürsorge überlässt Schon hier fragt sich der Leser, inwieweit die erlebte Gewalt auch den Mörder geprägt hatte. Seine Schwägerinnen treten auf, seine Nichte, zu der er eine emotionale Bindung entwickeln kann, und seine Kindheitsgefährtin aus dem Kinderheim, die ihm seine Morde nachweist.


    Die übliche Frage eines Kriminalromans nach dem Täter wird hier verdreht. Die Autorin wendet sich anderen Fragen zu. Die Morde haben nicht nur ein junges Leben ausgelöscht, sondern auch eine Zukunft. Welches Leben hätte auf die jungen Frauen gewartet? Welche Auswirkungen hat der Mord auf die Familie? Und was bedeutet seine Hinrichtung für sie? Die Angehörigen der ermordeten jungen Frauen treffen sich zum Zeitpunkt der Hinrichtung zu einer Gedenkfeier. Der Leser beobachtet die Szene und muss sich fragen, was vermutlich in diesen Menschen vorgeht und wie er sich selber verhalten würde. Und vor allem einer Frage geht die Autorin nach: Was geht in einem Menschen vor, dessen Lebenszeit abläuft? In diesen Passagen wählt sie die Du-Perspektive und rückt den Leser damit beklemmend nahe, fast verstörend nahe an den Mörder heran. Trotz dieser Nähe wird der Leser aber nicht zum Komplizen des Mörders; er begleitet ihn, das ja, aber er solidarisiert sich nicht mit ihm.


    Das hängt auch damit zusammen, dass die Autorin keine Ursachen für Anselms Taten anführt. Was macht Anselm zum Mörder? Das bleibt offen. Die Autorin verschont ihren Leser mit leichtfertigen Antworten auf diese Frage, so wie sie ihn auch mit der Schilderung der Morde verschont, weit entfernt von jeder Sensationsgier.


    Ähnlich zurückhaltend betrachtet sie die Todesstrafe. Sie hat einen durchaus kritischen Blick auf das amerikanische Justizsystem und seine rassistischen Auswüchse, und die detaillierte Schilderung der letzten Minuten lässt ihre Ablehnung der Todesstrafe deutlich werden.


    Ein beeindruckender Roman! Sehr störend sind die vielen Verstöße gegen die Sprachrichtigkeit, die den Lesefluss immer wieder unterbrechen und zur Abwertung führen.


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Freut mich, dass dir das Buch recht gut gefallen hat, liebe drawe . Habe gerne deine Anmerkungen gelesen.

    Der Leser beobachtet die Szene und muss sich fragen, was vermutlich in diesen Menschen vorgeht und wie er sich selber verhalten würde.

    In diesen Momenten fühlte ich mich schon beinahe gezwungen, sich mit der Sichtweise und den Gefühlen dieser Menschen auseinanderzusetzen. Keine leichte Frage, wenn man die Situation aus eigener Perspektive zu sehen versucht. :(

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    Adrian, Lara - Hüterin der Ewigkeit

  • In diesen Momenten fühlte ich mich schon beinahe gezwungen, sich mit der Sichtweise und den Gefühlen dieser Menschen auseinanderzusetzen.

    Ging mir genauso. Dazu kommt, dass die Autorin es schafft, niemals die Grenze zur Rührseligkeit zu überschreiten. Man kommt gar nicht drumherum, sich in die Menschen hineinzuversetzen.

    Auch in den Mörder, das war so ein heikler Punkt - ich hatte Dich vorher ja schon gefragt, ob ich zum Mitleid mit dem Serienmörder gedrängt werde. Nach dem Motto: Ach, der hat eine schlimme Kindheit gehabt, keine Elternliebe, keine Familie, etc., kein Wunder, dass er mordet.


    Das fand ich gut, wie die Autorin das alles dem Leser überlässt. Sie urteilt nicht und stellt keine Kausalitäten her.

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


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  • Nach dem Motto: Ach, der hat eine schlimme Kindheit gehabt, keine Elternliebe, keine Familie, etc., kein Wunder, dass er mordet.

    Diese Art der Erklärung begegnet mir häufig in Thrillern, da ich auch sehr vieles aus diesem Genre lese. Aber auch bei dramatischer Belletristik ist es oft der Fall, dass die Autoren dazu neigen, in der Kindheit die Ursachen für das Böse zu finden. Warum bloß? Sollten die Leser für die grausamen Unmenschen Verständnis aufbringen? Manchmal ist es zu einfach gedacht, finde ich. Wobei ich mit meinem mitfühlenden Herz häufig die Erklärungen annehme. O:-) Hängt vermutlich auch mit meiner beruflichen Tätigkeit zusammen.

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  • Manchmal ist es zu einfach gedacht, finde ich. Wobei ich mit meinem mitfühlenden Herz häufig die Erklärungen annehme.

    Die Erklärungen kann ich auch annehmen, auch wenn ich sie oft zu einseitig und zu tendenziös finde.

    Ich darf wieder einen meiner Lieblingssprüche wiederholen: Ich kann es verstehen, aber nicht billigen.

    Nicht jeder, der eine harte Kindheit hatte, wird zwangsläufig zum Mörder!

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


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