Pia Rosenberger - Die Künstlerin der Frauen

  • „Schon früh beschloss ich, eine Heldin zu werden.“ Niki de Saint Phalle


    New York, 1947:
    Die 17jährige Niki hat nach einer schwierigen Kindheit und mehreren Schulverweisen doch noch die Abschlussprüfung geschafft. Als sie bald darauf von einem Fotografen zu Probeaufnahmen eingeladen wird, scheint einer Karriere als Model nichts mehr im Wege zu stehen.
    Doch dann lernt Niki den Musikstudenten Harry Mathews kennen, der, so wie sie, der amerikanischen Oberschicht angehört. Die beiden jungen Leute heiraten 1949 heimlich und ziehen bald nach der Geburt ihrer Tochter Laura Anfang der 1950er Jahre nach Paris.
    Niki ist gesundheitlich angeschlagen, findet als Ehefrau und Mutter keine Erfüllung. Während Harry sich als Schriftsteller zu verwirklichen versucht, beginnt Niki mit dem Malen. Doch bald erkennt sie, dass ihre wahre Berufung in der Objektkunst liegt, die ihr hilft, ihre traumatischen Kindheitserlebnisse zu verarbeiten.
    Um ihren Weg gehen zu können, wird Niki noch eine Reihe schwerer Entscheidungen treffen müssen, die ihr und ihrer Familie viel abverlangen werden.


    Die Autorin (Quelle Klappentext)
    Pia Rosenberger wurde in der Nähe von Osnabrück geboren und studierte nach einer Ausbildung zur Handweberin Kunstgeschichte, Literaturwissenschaft und Pädagogik.
    Seit über 20 Jahren lebt sie mit ihrer Familie in Esslingen und arbeitet als Autorin, Journalistin, Museumspädagogin und Stadtführerin.



    Mit dem vorliegenden biografischen Roman hat Pia Rosenberger ein ganz wunderbares und einfühlsames Porträt einer großen Künstlerin der Moderne geschaffen.
    Der Leser begleitet Niki von ihrer Jugend bis auf den Gipfel ihres Ruhms und wird dabei in die spannende Welt der modernen Kunstszene mitgenommen. Dauerthema ist die Zerrissenheit der jungen Frau zwischen Ehe, Familie und Berufung, ihr schwieriges Verhältnis zu ihren Eltern und ihre gesundheitlichen Probleme.
    Außerordentlich gut ist der Autorin die Beschreibung der Kunstwerke gelungen, die Niki de Saint Phalle geschaffen hat, wobei mich besonders ihre „Schießbilder“ faszinierten, die ab Mitte der 1950er Jahre entstanden. Gestalten durch zerstören ist das Motto dieser Kunstrichtung, die wohl in der schwierigen Kindheit, aber auch in der Auflehnung der Objekt- und Aktionskünstlerin gegen das klischeehafte Rollenbild der Frau in einer patriarchalischen Gesellschaft ihren Ursprung hat.
    Wer, so wie ich, noch nie von diesen Kunstwerken gehört hatte, sollte sie sich unbedingt im Internet ansehen. Zumindest die Idee finde ich ganz großartig, ebenso wie die Einbeziehung der Ausstellungsbesucher, die schon einmal selbst das Gewehr anlegen durften.
    Ganz anders als diese frühen, düster anmutenden Werke präsentieren sich Nikis „Nanas“, farbenfrohe, voluminöse weibliche Plastiken, die Einblicke in die Entwicklung ihrer Persönlichkeit geben.
    Zahlreiche Künstler der Moderne finden in diesem Roman zumindest namentlich Erwähnung, eine herausragende Gestalt ist Nikis langjähriger Lebenspartner Jean Tinguely, der mit seiner kinetischen Kunst Aufsehen erregte. Seine Idee, einige Werke nach deren Präsentation explodieren zu lassen, um sie der musealen Aufbewahrung zu entziehen, finde ich ausgesprochen originell.
    Bildhaft und lebendig schildert die Autorin auch das Künstlermilieu, in dem die Protagonistin mit ihren Partnern, Freunden und Kollegen abseits enger bürgerlicher Vorstellungswelten ihren Alltag gestaltet.
    Durch diesen Roman bin ich mit Kunstrichtungen und Stilmitteln bekannt und vertraut gemacht worden, mit denen ich mich noch nie befasst hatte. Die intensive Auseinandersetzung mit den charakterlichen Eigenschaften, Erlebnissen und Ansichten der Künstlerin lässt sie deren, im ersten Augenblick oft befremdlich anmutenden Werke besser verstehen und in einen ganzheitlich zu sehenden Rahmen einordnen.
    Wie dem Nachwort zu entnehmen ist, hat die Autorin äußerst genaue Recherchen betrieben und sich nicht nur mit der Schaffenswelt, sondern auch mit der seelischen Verfassung dieser Ausnahmekünstlerin intensiv auseinandergesetzt. Sie gibt auch sehr genau an, welche Ereignisse in ihrem Roman den Tatsachen entsprechen, woher die Quellen stammen und wann sie ihrer Fantasie freien Lauf gelassen hat.
    Pia Rosenberger ist es hervorragend gelungen ihr fundiertes Wissen über die Künstlerin Niki de Saint Phalle und ihr Werk in einem gleichermaßen informativen wie unterhaltsamen Roman an ihre Leser weiterzugeben.
    Für die inhaltlich und stilistisch großartige Arbeit vergebe ich sehr gerne :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    Liebe Grüße von Lorraine :)


    "Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen." (Karl Kraus) :study: