Emma Donoghue - The Pull of the Stars

  • (Leider bislang noch nicht auf deutsch erschienen.)


    Ende Oktober 1918 in Dublin: Julia Power findet sich unversehens in der Verantwortung für eine rasch eingerichtete Entbindungsstation für Frauen, die an der seit einiger Zeit grassierenden Grippe erkrankt sind und deshalb von den anderen werdenden Müttern getrennt betreut werden sollen. Es mangelt wegen des immer noch tobenden Krieges an vielem von Lebensmitteln bis zur zuverlässigen Stromversorgung, vor allem aber an Platz und an Personal, denn die Epidemie macht auch vor den Pflegekräften und Ärzten nicht halt, und so muss Julia gleichzeitig die Rolle der Stationsschwester und der Geburtshelferin übernehmen. Lediglich eine freiwillige Hilfskraft steht ihr zur Seite, eine junge Frau namens Bridie Sweeney, die zwar keinerlei Fachkenntnisse hat, aber immerhin über ein ordentliches Maß an gesundem Menschenverstand verfügt und zupacken kann.


    Gemeinsam versuchen die beiden, die schier unerfüllbare Aufgabe zu stemmen, wohl wissend, dass die Geburt an sich schon große Gefahr für Mutter und Kind bedeuten kann, ganz zu schweigen von der zusätzlichen Belastung und Bedrohung durch die Grippe, die hygienischen Verhältnisse und die nur sehr eingeschränkt verfügbare ärztliche Unterstützung.


    Wir begleiten die beiden nur über wenige Tage, doch es ist eine äußerst intensive Zeit, eine permanente Achterbahnfahrt der Gefühle, noch verschärft durch Schlafentzug, den Druck der Verantwortung für die Frauen in ihrer Obhut und die stets im Hintergrund lauernde Angst, sich selbst mit der Grippe zu infizieren. Emma Donoghue schont uns wahrlich nicht, die Schilderungen aus dem improvisierten Kreißsaal sind teilweise ganz schön heftig und sparen nicht an medizinischen Details, was ich persönlich hochinteressant fand, aber manchen Leser:innen vielleicht etwas zu viel Information sein könnte. Und auch emotional geht das Buch an die Nieren. So viel Leid, Angst, Schmerz und Tod, dazu noch der immer noch nicht ausgestandene Krieg - es scheint fast zu viel, als dass das ein Mensch aushalten könnte, und doch stehen Julia und Bridie allen Widrigkeiten zum Trotz ihre Frau und kämpfen ihre eigenen Zweifel und Ängste nieder, um den Patientinnen zu helfen, so gut es geht. Es spricht viel Einfühlungsvermögen und Menschlichkeit aus den Zeilen dieses Buches, und es setzt all jenen, die seinerzeit die medizinische Versorgung aufrechterhalten haben, exemplarisch ein eindrucksvolles Denkmal.


    Spannend ist auch der reale historische Hintergrund. Die Ärztin Kathleen Lynn, die im Verlauf des Buches ihren Dienst im Krankenhaus antritt, hat es wirklich gegeben. Sie war nicht nur eine fortschrittliche Medizinerin und Vorkämpferin für den Feminismus, sondern auch an der irischen Rebellion von 1916 beteiligt und wird deshalb im Buch polizeilich gesucht (was auch historisch belegt ist).


    Wer heile Welt sucht, ist bei diesem Roman verkehrt, aber allen, die gerne über medizingeschichtliche Themen und Menschen lesen, die in Extremsituationen über sich hinauswachsen, kann ich ihn nur allerwärmstens empfehlen.

  • Wer heile Welt sucht, ist bei diesem Roman verkehrt, aber allen, die gerne über medizingeschichtliche Themen und Menschen lesen, die in Extremsituationen über sich hinauswachsen, kann ich ihn nur allerwärmstens empfehlen.

    Danke, soeben ist dieses Buch auf meine Wunschliste gesprungen :)

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • Squirrel : ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass Du das Buch magst. Ich finde es total schade, dass es noch nicht auf deutsch erschienen ist und hoffe sehr, dass das noch kommt und das Buch auch hierzulande viele Leser findet.


    Wenn Du magst, kann ich es Dir mal leihweise schicken, PN genügt.

  • ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass Du das Buch magst.

    Die Geschichte fällt total in mein Beuteschema. Danke für dein Angebot, ich komme eventuell drauf zurück :)

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier