Juliane Stadler - König der Turniere

  • Hauen und Stechen im Mittelalter - penibel recherchiert und opulent erzählt

    Mit ihrem opulenten historischen Roman entführt Juliane Stadler ihre Leser in das Mittelalter, genauer gesagt in die Zeit von Henri II. Plantagenêt und seinen Söhnen Richard Plantagenêt (bekannt als Richard Löwenherz), Geoffroy Plantagenêt, Jean Plantagenêt (John ohne Land bzw. später König von England) und dem Jungen Henri. Die komplexen historischen Machtverhältnisse in Frankreich, Flandern und einzelnen deutschen Fürstentümern des 12. Jahrhunderts, inklusive der persönlichen Verflechtungen zwischen Englands Königshof und den Adelshäusern auf dem Kontinent sind sehr gut dargestellt. Damit die Leser hier ihren Durchblick behalten, gibt es einen Stammbau der Plantagenêts sowie ein ausführliches Personenverzeichnis.


    Das Buch erzählt die Geschichte von Ritterehre, Turnieren, erbitterten Machtkämpfen vor allem in der Familie Plantagenet sowie von unerfüllter Liebe, Heirat aus Staatsräson und Willkür.


    Neben den fiktiven Charakteren wie Erec, Genovefa oder den Straßenjungen Pep kreuzen zahlreiche historische Gestalten wie eben die Plantagenêts und Frankreichs König Philipp oder der römisch-deutsche Kaiser Friedrich Barbarossa unsere Wege. Die Figuren, sei es in Haupt- oder Nebenrollen, sind sehr gut gezeichnet und wirken authentisch.


    Geschickt verknüpft die Autorin Fakten mit Fiktion. Im Nachwort geht sie auf die Rolle der adeligen Frauen im Mittelalter ein. Nicht alle lassen sich in die Kemenate und auf den Gebärstuhl verbannen. Bespiele wie Eleonore von Aquitanien (die Mutter der Plantagenêt-Brüder und Gemahlin von Henri II.) oder Marie de Champagne, die es als Regentinnen für ihre Söhne manchmal mit ihren Ehemännern in Sachen Intrigen aufnehmen, sind eher selten. Und wenn sie erwähnt werden, dann nur aus Sicht der Männer, und daher wenig schmeichelhaft. Leider weiß man über das Leben der Frauen im Mittelalter viel zu wenig. Die neuere Forschung beschäftigt sich mit dem Thema „Frauen des Mittelalters]fallen durch ihre Seltenheit auf - die Präsenz des Nichtvorhandenseins“. Wer hierzu mehr lesen möchte, dem sei das Buch „Femina“ von Janina Ramirez ans Herz gelegt.


    Neben der oft schwierigen Situation der Frauen wird auch die unerfüllte Liebe zwischen homosexuellen Männern beiläufig, aber elegant und authentisch, in die Handlung integriert.


    Die Autorin versteht es meisterhaft, einen durchgehend hohen Spannungsbogen zu erzeugen, auch wenn der interessierte Leser den Ausgang ein wenig voraussehen kann.


    Besonderes Augenmerk legt die Autorin auf die Turniere, die nicht nur aus Schaukämpfen Mann gegen Mann, sondern als Generalprobe für echte Gefechte gesehen bestehen. Die Kämpfe werden auf faszinierende Weise präsentiert. Im Nachwort gewährt uns Juliane Stadler zusätzliche Einblicke, in vielleicht bislang noch nicht so geläufige Fakten.


    Fazit:


    Wer gerne ein penibel recherchiertes und fesselnd erzähltes Mittelalterepos lesen möchte, ist mit diesem Buch bestens bedient. Gerne gebe ich hier 5 Sterne und eine klare Leseempfehlung.

    "Ein Tag ohne Buch ist ein verlorener Tag"


    "Nur ein Lesender kann auch ein Schreibender sein oder werden" (Maria Lassnig/1919-2014)