Tom Kristensen - Absturz / Hærværk

  • Ein im Endeffekt sagenhafter Absturz


    Wie soll man eine Hymne auf ein Buch schreiben, dass einen beim Lesen alles abverlangt hat? Von auf- und abschwellender Langeweile über „Langsam sehe ich klarer.“-Gedanken bis zur totalen Faszination war bei der Lektüre von „Absturz“ von Tom Kristensen (erschienen 2023 im Guggolz Verlag, aus dem Dänischen übersetzt von Ulrich Sonnenberg und abgerundet mit einem beeindruckenden und ausführlichen Nachwort von Sebastian Guggolz) alles vorhanden. Okay, der ein oder die andere wird sich jetzt denken „Wo ist das Problem? Ist doch völlig normal.“ Ja – schon, aber nicht in der Intensität.


    Wir begleiten den Literaturkritiker Ole Jastrau, der in den 1920er Jahren mit Frau und Sohn in Kopenhagen wohnt und beim „Dagbladet“ arbeitet, bei seinem (langsamen) Absturz in die Alkoholsucht, die im Lauf der über 600 Seiten (natürlich) einige Verluste nach sich zieht – teils verständlich, teils kopfschüttelnd akzeptierend.


    Bei seinen Streifzügen durch die Kopenhagener Kneipenszene sind die Leser:innen immer ganz nah dran an Ole, seinem Handeln, seinen (Selbst-)Zweifeln, seinen vergeblichen Bemühungen, von der Sucht wegzukommen – wobei: viele seiner Bemühungen sind auch eher halbherzig und durch den anhaltenden Alkoholkonsum merkt Jastrau auch nicht (wirklich), dass er einige Gönner und Freunde hat, die ihm helfen wollen, aber durch Ole´s Sturheit auch letztlich nicht können…


    Was das Ganze so unglaublich authentisch macht, ist die Tatsache, dass Tom Kristensen diesen Roman „an seinem eigenen Leben entlang schrieb“ wie es im Klappentext heißt. So lässt der Autor seinen „alter Ego“ Ole Jastrau durch Kopenhagen irren, taumeln, trinken und verzweifeln. Die ständigen Wiederholungen von Szenen eines Besäufnisses haben auf mich zunächst den Eindruck von „Wie oft noch? Ich weiß es doch jetzt.“ gemacht. Ja, aber lebt eine Sucht nicht von der Wiederholung? Wenn man sich das vor Augen führt, gewinnt der Roman auf einmal an Fahrt und die Leser:innen fühlen sich ein bisschen wie auf einem langen Spaziergang durch die Stadt.


    Halt – gibt es da nicht was von (nein, die Werbung erspare ich euch *g*)…? Natürlich, nicht umsonst erinnert „Absturz“ an „Ulysses“ von James Joyce, dessen Werk auch hier zur Sprache kommt. Und so kommt es auch nicht von ungefähr, dass der vorliegende Roman in einem Atemzug mit den Monumentalepen von James Joyce, Marcel Proust oder Alfred Döblin genannt wird. Völlig zu Recht, wie ich nach Ende der Lektüre festgestellt habe.


    Doch bis zu dieser Aussage braucht man als Leser:in einen verdammt langen Atem, der aber jede Mühe wert ist. Schließlich kann man sich für die Lektüre mit einem leckeren Wein etc. belohnen *g*.


    Zu guter Letzt sei noch einmal auf das fantastische Cover, die umfangreichen Anmerkungen sowie das informative und kurzweilige Nachwort des Herausgebers Sebastian Guggolz hingewiesen, die das Gesamtpaket zusätzlich aufwerten.


    Glasklare Leseempfehlung und mindestens das doppelte an Sternen wert als die 5, die ich aus meiner Rezensionsflasche tröpfeln lasse.


    ©kingofmusic

  • K.-G. Beck-Ewe

    Hat den Titel des Themas von „Tom Kristensen - Absturz“ zu „Tom Kristensen - Absturz / Hærværk“ geändert.