Magischer Realismus im historischen Japan
Fortsetzung zu "Der Uhrmacher in der Filigree Street"
Klappentext
Fünf Jahre, nachdem sich Thaniel Steepleton und Keita Mori in London kennengelernt haben, reisen sie, ein unscheinbarer Übersetzer, und ein Uhrmacher, der sich an die Zukunft erinnert, nach Japan, denn in Tokio gehen seltsame Dinge vor sich. Während Krieg mit Russland droht, tritt das Personal der britischen Gesandtschaft in den Streik, weil in ihrem Gebäude Geister ihr Unwesen treiben. Thaniel soll herausfinden, was hinter dem Spuk steckt. Doch dann beginnt er selbst, Geister zu sehen. Mori fürchtet sich, will – oder kann – die Gründe dafür aber nicht nennen. Und dann verschwindet er spurlos. Thaniel ist überzeugt, dass die magischen Dinge, die im ganzen Land vorgehen, etwas mit Moris Verschwinden zu tun haben - und dass Mori in großer Gefahr ist. So wird er mit der erschreckenden Offenbarung konfrontiert, dass die Zeit des Uhrmachers abgelaufen sein könnte.
Meine Meinung
Auf diese Fortsetzung war ich schon sehr gespannt! Es hat ja leider etwas gedauert (2 Jahre), weshalb ich vom ersten Band nicht mehr allzu viele Details im Gedächtnis hatte. Dadurch hab ich sicher einige Zusammenhänge übersehen, aber dennoch hat mich die Geschichte komplett in den Bann gezogen.
Es ist wirklich sehr schwer zu beschreiben, denn die Autorin hat eine ganz spezielle Art, zu erzählen. Ich kann das selber kaum in Worte fassen, außer dass es mich total fasziniert und eine ganz besondere Atmosphäre schafft!
Wir befinden uns im Jahr 1888. Keita Mori, den wir als "den Uhrmacher" kennen und hellseherische Fähigkeiten hat, ist in politische Interessen verwickelt.
Thaniel, sein Lebensgefährte (mehr oder weniger) kämpft im Fabrik überfluteten London gegen seine Lungenkrankheit.
Auch Grace Carrow ist wieder mit von der Partie, zu ihrer Rolle möchte ich aber nicht spoilern.
Die Ereignisse zwingen Mori und Thaniel nach Tokyo zu reisen. Die ganzen Verwicklungen kommen erst nach und nach ans Licht, bei denen vor allem Moris Talente relevant sind. Während dem Lesen ist man immer wieder am rätseln, wie alles zusammenhängt und wie der große Plan dahinter wohl aussieht.
Vor allem die Forschungen zur Elektrizität, dem Äther und den damit verbundenen plötzlichen Geistererscheinungen fand ich extrem spannend. Die verschiedenen Perspektiven geben immer einen Überblick, halten aber auch vieles zurück, so dass die Spannung für mich konstant gehalten wurde. Nicht mit großen Actionszenen, sondern mit der unterschwelligen Dramatik, die immer zwischen den Zeilen mitschwingt.
Die Beziehung zwischen Thaniel und Mori war ja von Anfang an sehr undurchschaubar. Ich fand es hier wieder so schön, dass die Liebesgeschichte zwar vorhanden war, aber nicht aufdringlich sondern in kleinen Häppchen, die einem das Herz erschüttert oder erwärmt haben.
Die kleine Six - 9 Jahre alt - die Mori aus einem Arbeiterhaus geholt hat und jetzt als Adoptivtochter bei Thaniel lebt fand ich als Charakter auch sehr interessant! Durch ihre schlimmen Erfahrungen in ihrem bisherigen Leben ist sie außergewöhnlich und in ihrer Art nicht einfach. Dennoch muss man sie einfach ins Herz schließen, weil die Autorin so genial durchklingen lässt, wie Six in ihrer unnahbaren und eher gelehrigen Art so sehr mit ihren Gefühlen zu kämpfen hat.
Über Mori erfahren wir hier einiges, denn durch geschickt gesetzte Rückblicke entdeckt man, was es mit "Pepperharrow" auf sich hat und den Plänen, die schon vor vielen Jahren ihren Anfang nahmen.
Ebenso über die, ich nenne es mal "Adelsfamilie" von Mori und die vielen Gepflogenheiten in dem für Thaniel fremden Land kann man einiges lernen.
Die Atmosphäre empfinde ich in den Büchern von Natasha Pulley immer sehr intensiv. Ohne einen mit Details zu überhäufen schafft sie es trotzdem, viele Eindrücke einfließen zu lassen, damit man sich alles bildhaft vorstellen kann und die Geschichte sozusagen vor den Augen abläuft.
Das Thema Krieg ist hier sehr zentral, wird aber auch oft wieder in den Hintergrund gedrängt durch die ungewissen Motive von Mori, Thaniels Rolle darin sowie den Forschungen und Geistererscheinungen. Letzter wirken sehr real und glaubwürdig, ohne Nonsens aber auch nicht unbedingt in eine gruselige Richtung, sondern mit einem ganz leichten unheimlichen Beigeschmack.
Die Autorin erklärt im Nachwort auch, dass ihre Figuren zwar fiktiv sind (fast alle), aber das einige Ereignisse durchaus in der Realität verankert sind. Politische Themen scheint sie gerne in ihren Geschichten zu verarbeiten, sowie auch einen Hauch Magie, eine Handlung als Mysterium und großartige Charakterzeichnungen.
Ich bin jedenfalls wieder sehr begeistert!
Mein Fazit: 5 Sterne
Weltenwanderer