Carsten Henn - Die Butterbrotbriefe

  • Kurzmeinung

    Smiler
    Einfach geschrieben, mal traurig, mal schön. Übers loslassen und seinen eigenen Weg finden.
  • Schicksal oder Zufall?


    Kati Waldstein ist mit fast 40 unzufrieden mit ihrem Leben und möchte einen Neuanfang starten, doch dafür muss sie mit ihrem alten Leben abschließen können. Deswegen entschließt sich Kati dazu allen, die sie positiv oder negativ prägten, einen Abschiedsbrief zu schreiben. Damit sie weiß, dass diese Worte auch bei den Personen ankommen, schreibt sie die Briefe nicht nur, sondern liest sie den Adressaten die Briefe vor.


    Die Butterbrotbriefe ist der neuste Roman von Carsten Henn, der bereits mit Der Buchspazierer und Der Geschichtenbäcker seine Leser begeistern konnte.


    Ein Grund, weswegen auch ich unbedingt Die Butterbrotbriefe lesen mussten und der Schreibstil steht seinen Vorgängern in nichts nach. Poetisch geschrieben, liest sich das Buch wunderschön und bringt eine melancholische Stimmung mit sich.

    Mir gefiel auch die Idee, dass man sich den Personen öffnet, die einen geprägt haben. An dieser Stelle gibt Carsten Henn dem Leser viel zum nachdenken mit und zeigt die Wichtigkeit des ‚Redens‘, auch wenn es manchmal nicht leichtfällt. Schwierig fand ich jedoch, dass die Personen eigentlich keine Chance hatten sich zu rechtfertigen/erklären, aber nun, das war eben das Konzept der Kati Waldstein.


    Kati, die sich Severin gegenüber jedoch extrem offen zeigt. Das ging mir phasenweise zu fix und wirkte nicht realistisch. Severin hatte diese Szenen sogar gut reflektiert (d.h. der Autor hat diesen Konflikt erkannt), aber Kati nicht so gehandelt, wie man es vermuten würde. An so einigen Stellen musste ich mein Gefühl von Authentizität etwas zurückstellen.


    Denn auch Severin ist so ambivalent gestaltet, dass seine aktuellen Handlungen und Gedanken, nicht zu denen von vor drei Jahren passen. Natürlich entwickelt man sich weiter, jedoch hatte er diese drei Jahre auch Zeit die Vergangenheit nicht Vergangenheit sein zu lassen.


    So konnten mich eher die Nebencharaktere, vor allem Martin und Madame Catherine, von sich überzeugen.


    Trotz der Kritik haben mich auch Die Butterbrotbriefeüberzeugen können. Denn wenn ich das Verhalten der Protagonisten außenvorlasse und mich nur auf die Quintessenz des Buches beziehe, dann steckt hier viel zum Nachdenken drin. Darüber wie man sich anderen gegenüber verhält, wie man sie beeinflusst und welche Rolle man für sie spielen kann. Darüber wie man von anderen beeinflusst wird und welche Rolle andere spielen können und darüber an welche Wege wir gegangen sind, deren Gabelung uns auch an einen Ort hätte führen können. Schicksal oder Zufall, wer weiß das schon. Aber auch, dass wir miteinander reden müssen.


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  • Klappentext

    Wer schreibt heute noch Briefe? Richtige, auf Papier, mit der Hand? Kati Waldstein, die mit fast 40 ein neues Leben beginnen will und Abschiedsworte für alle verfasst, die sie geprägt haben – egal auf welche Art. Eine freundliche Supermarktkassiererin, eine strenge Mathelehrerin, ein gleichgültiger Ex-Mann. 37 Briefe insgesamt, geschrieben auf Butterbrotpapier, das ihr Vater über Jahrzehnte für sie gesammelt hat.

    Dann trifft sie auf Severin, der sein Leben als Klavierstimmer wegen eines von ihm verschuldeten Unglücks hinter sich lassen musste. Der aber fest glaubt, dass Kati und ihr Heimatort sein Schicksal sind.

    Die beiden scheinen füreinander bestimmt und finden dennoch nicht zueinander – bis Kati erkennt, dass sie sich von der Vergangenheit nicht verabschieden muss, um ihrer Zukunft zu begegnen, und Severin begreift, dass er nur eine Zukunft hat, wenn er lernt seine Vergangenheit anzunehmen.

    Denn das Schicksal bestimmt vielleicht, wer in unser Leben kommt, aber das Herz, wer darin bleibt.


    Über den Autor

    Carsten Henn, geboren 1973 in Köln, besitzt einen Weinberg an der Terrassen-Mosel, hält Hühner und Bienen und teilt sein Leben mit Katzen. Er arbeitete nach seinem Studium als Radiomoderator und ist heute als freier Weinjournalist und Restaurantkritiker tätig. Er veröffentlichte zahlreiche erfolgreiche Kriminalromane und Liebeskomödien. Sein Roman »Der Buchspazierer« stand über zwei Jahre auf der SPIEGEL-Bestsellerliste, wurde in 25 Länder verkauft, eroberte die Herzen der Leserinnen und Leser und erhielt begeisterte Besprechungen. Auch sein nächster Roman »Der Geschichtenbäcker« eroberte auf Anhieb die Top 10 der SPIEGEL-Bestsellerliste, blieb viele Monate darauf und wurde vielfach ins Ausland verkauft.


    Mein persönliches Fazit

    Ein ganz wunderbares und bezauberndes Buch, das ich mir unheimlich gut gefallen hat. Carsten Henn beschreibt seine Figuren so genau, ohne dabei auszuufern. Spleens und Eigenheiten werden so charmant beschrieben, dass man eigentlich gar nicht anders kann, als die Figuren ins Herz zu schließen. Von Anfang an habe ich mich in der Geschichte wie zu Hause gefühlt.


    Ich finde die Idee, Briefe auf Butterbrotpapier zu schreiben, witzig. Es ist so ein alltägliches, unscheinbares und mittlerweile altmodisches Material. Mir hat die Grundidee des Romans sehr gut gefallen. Und es gibt so viele tolle und - wie ich finde - kluge Sätze darin, die mir sehr ans Herz gegangen sind. Gleichzeitig ist es auch eine Liebeserklärung an das Schreiben und eine Hommage an den Brief.


    Es gibt witzige Momente, geprägt von Situationskomik; herzerwärmende Begegnungen, heilende Umarmungen, kluge Erkenntnisse, sehr traurige Momente, in denen ich so sehr mit Kati mitgelitten habe. Und es gibt ganz wunderbare Briefe und erhellende Ausflüge in die Arktis. Für mich war es ein rundum gelungenes Leseerlebnis.

  • Mit Ende 30 weiß Kati immer noch nicht wirklich, was sie mit ihrem Leben anfangen soll. Doch bevor sie einen Neustart wagt, gibt es Dinge, die einfach gesagt werden müssen. Auf altem Butterbrotpapier verfasst sie Briefe an die unterschiedlichsten Leute in ihrer Stadt: einen vorwurfsvollen Brief an ihre Grundschullehrerin, die ihr nicht die Empfehlung für das Gymnasium gegeben hat, einen Dankesbrief an die freundliche Supermarktkassiererin und noch vieles mehr… Dann trifft Kati Severin, der sein bisheriges Leben hinter sich gelassen hat und in ihr sein Schicksal sieht - obwohl sie nicht an Schicksal glaubt, merkt auch Kati, dass er etwas an ihr und ihrer Einstellung ändert…


    Das Buch ist eins von der Sorte, bei der ich nicht klar sagen kann, was ich davon halte. Einerseits war die ganze Geschichte sehr kurios, die Liebe zwischen Kati und Severin viel zu plötzlich und nicht fassbar und alles ist eher so dahingeplätschert. Gleichzeitig wirft das Buch einige interessante Gedankengänge auf und regt einen zum Nachdenken über die unterschiedlichsten Dinge an - und dafür war die Geschichte dann doch wieder eine schöne Verpackung. Themen wie Schicksal, Zufall und Fügung werden in ein neues Licht gerückt und die Frage nach der Wichtigkeit der Vergangenheit und Zukunft wird neu gestellt. Ein inspirierendes Buch, das mich dennoch etwas unentschlossen zurück lässt.

  • So herzerwärmend, wenn auch ein bisschen kitschig!


    Kati will mit 40 ein neues Leben beginnen und dafür erstmal ihr altes Leben hinter sich lassen. So schreibt sie Briefe an alle Menschen, die ihren bisherigen Weg beeinflusst haben, manche im positiven, aber manche auch im negativen. Vor allem die Szene mit ihrer Grundschullehrerin hat mich richtig betroffen gemacht. Carsten Henn transportiert perfekt die Gefühle seiner Protagonisten. Die Lehrerin freut sich, als sie Kati sieht, während diese ihr mit einer gehörigen Wut gegenüber tritt.


    Überhaupt sind die Personen so wunderbar dargestellt vom Autor. Kati in ihrer Zerrissenheit, genauso wie Severin, von dem ich unbedingt wissen wollte, was ihm geschehen ist. Carsten Henn beschreibt die Szenen so anschaulich, dass ich sie direkt vor mir sehe und mein Kopfkino anspringt. Gleichzeitig ist das Buch trotz der emotionalen Seite immer auch lustig, ich habe öfter über die skurrilen Beschreibungen gelacht.


    Die Sprache ist genauso schön und herzerwärmend wie der Inhalt und obwohl ich sonst eher auf handfeste Krimis und Thriller stehe, hat mir dieser Roman unheimlich gut gefallen. Er ist ungewöhnlich und fast schon poetisch, mit viel Herz geschrieben, genauso wie die anderen Bücher von Carsten Henn.


    Fazit: das ist ein wunderbares Büchlein, das in seiner Kürze eine Fülle an Handlung aufweist, viele liebenswerte Menschen, die wichtig sind für Kati und ihren Lebensweg verändern und für den Leser eine Menge an Lebensweisheit.


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    2024 gelesen: 15 Bücher / 6388 Seiten


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  • Wohlfühlroman mit Tiefgang à Carsten Henn!


    Gleich vorneweg: Wer an Carsten Henn's Romanen "Der Buchspazierer" und "Der Geschichtenbäcker" seine helle (Lese-)freude hatte, der wird auch "Die Butterbrotbriefe" lieben! Der Autor steht für mich durch diese Bücher beispielhaft für emotionale, berührende und literarisch gute Unterhaltung mit Tiefgang - und einigen 'Schmunzlern' und humorvollen Einlagen, die ich in einem "feel-good-Roman" sehr schätze! Hier geht es um die Frage, ob das Leben Zufall oder Schicksal ist? (Und noch um vieles mehr).


    Inhalt:


    "Wer schreibt heute noch Briefe? Richtige Briefe auf Papier, mit der Hand? Kati Waldstein, die mit fast 40 Jahren ein neues Leben beginnen will und Abschiedsworte für alle verfasst, die sie geprägt haben. 37 Briefe insgesamt. Sie nimmt dafür Butterbrotpapier, das ihr Vater über viele Jahre für sie gesammelt hat.

    Dann trifft sie auf Severin, der sein Leben als Klavierstimmer wegen eines von ihm verschuldeten Unglücks hinter sich lassen musste. Und der gute Gründe hat zu glauben, das Kati und ihr Heimatort sein Schicksal sind. Doch das Schicksal bestimmt vielleicht, wer in unser Leben kommt, aber das Herz, wer darin bleibt."

    (Quelle: Buchrückentext, Piper Verlag)


    Meine Meinung:



    Da ich der 'aussterbenden Spezies' der BriefeschreiberInnen angehöre, habe ich mich auf diesen Roman sehr gefreut; und ich wurde nicht enttäuscht. Im Gegenteil. Carsten Henn gelingt es durch seine poetisch-atmosphärische Art, eine Geschichte zu schreiben, den Leser von Beginn an neugierig zu machen: Hier lernen wir die sympathische, aber lange durch die eigene Mutter fremdbestimmte Kati kennen, die nach dem Tod der Eltern erkennt, dass sie wie eine Marionette an Fäden hing, die sie jetzt, nach dem Tod von Helga Waldstein, unbedingt durchtrennen möchte, um ein freies und unabhängiges Leben zu führen. Ist die Mutter hier sehr empathielos, sogar hart der Tochter gegenüber beschrieben, ist die Inhaberin des Frisiersalons Rose, Madame Catherine, das absolute Gegenteil: Seit Kindesbeinen liebt sie Kati sehr und gestattet ihr später, sich samstags Utensilien zum Haarschnitt Obdachloser (auf kostenloser Basis) auszuleihen, so steht Kati jeden Samstag auf dem Markt - zur Freude von Scholle und anderen Wohnungslosen, bis sich eines Tages ein "Namenloser" dazugesellt, der seinen Namen später preisgeben sollte: Severin, ein Klavierstimmer, der drei Jahre auf der Straße lebte und sich bei Kati für deren Freundlichkeit bedanken möchte. Auch Onkel Martin, Katis kauzigen Onkel, der - selbst nie an der Arktis gewesen, den Polarkreis aber liebend - lernen wir in seinem Arktismuseum oder "Svenssons Polarwelt" kennen: Diese Figur fand ich mit am Sympathischsten von allen; auch er mag Kati sehr, die in ihrer Kindheit mehr Zeit bei Martin verbrachte als im eigenen Elternhaus. So freut man sich als LeserIn, dass sich auch Severin und Martin anfreunden - und staunt über den jungen Lukas, der Martin bei allen Arbeiten im und am Museum hilfreich zur Seite steht (und zum Schluss eine mehr als gute 'Figur' macht, als ein Schicksalsschlag über Martin hereinbricht).


    So verfolgt man lesend; mal schmunzelnd und auch mit traurigen Passagen versehen, wie sich Kati und Severin, die grundverschieden erscheinen, einander mehr und mehr annähern; sich ineinander verlieben: Man verweilt in der Jurte, geht mit dem alten Elch gemeinsam mit beiden ins Dorf zum Einkaufen - und verteilt die noch übrigen Briefe an alle, die Kati enttäuschten oder ihr Unrecht taten; aber auch an alle, denen sie ihren Dank aussprechen möchte (der Schönste von allen war für mich der an Madame Catherine, die das Herz am richtigen Fleck hat). Auch ihrem verstorbenen Vater schreibt sie einen Brief, da sie nie verstanden hat, weshalb seine Zuneigung nach ihrem 8. Geburtstag plötzlich abebbte... Wir sitzen mit Kati und Severin im alten Kino des Vaters und lauschen ihren Abschiedsworten. Als Kati den "Palast", die Villa der Mutter nach deren Tod ausräumt, findet sie einen Stapel Briefe - von ihrer Mutter: Hier muss man beim Lesen schon arg schlucken, da hier ein unheilvolles Familiengeheimnis ruht, dessen schuldloses Opfer Kati lange Zeit war.


    Die Themen dieses Romans sind vielfältig: Es geht (in teils poetischer Weise) um wahre Liebe, um Loslassen, um Emotionen und Aufrichtigkeit, um Briefe und um eine Menge "Ungesagtes" oder "Ungeschriebenes", das oftmals zwischen Menschen steht. Der Roman ist eine Hymne an das Briefeschreiben; an Briefe an sich, da sie "Zeit und Mühe waren, das Denken an den anderen. Das wertvollste Geschenk." (Zitat S. 10) Besonders gefiel mir gegen Romanende, dass Kati sich nicht von ihrem Entschluss abbringen lässt, wegzugehen - und sei es für eine geraume Zeit - und somit ein Stück eigene Unabhängigkeit entdeckt, das ihr zuvor verwehrt (worden) war. Besonders schön fand ich den Vergleich mit den Kranichen, die man dieser Tage auf ihrem Flug nach Süden hört - und ihre Formationen am Himmel sieht: Auch zu diesen habe ich seit Kindertagen durch ein bezauberndes Jugendbuch (und Gurion, dem Kranich) ein besonders inniges Gefühl.


    Fazit:


    Ein warmherziger, sehr berührender Wohlfühlroman mit Tiefgang; eine Hymne auf Emotionen und das zu-sich-selbst-stehen, über die Liebe und das Loslassen, aber auch über Briefe und Ungesagtes in verbaler und schriftlicher Form: Ein Plädoyer zum Griff nach Papier und Feder (ein Kugelschreiber oder Bleistift, ein Füller erfüllt den gleichen Zweck ;) und das Briefeschreiben, das im digitalen Zeitalter mehr und mehr verlorengeht. Poetisch, klug und sehr atmosphärisch: Unterhaltung auf sehr gutem literarischen Niveau! Von mir eine absolute Empfehlung und 4,5 *