Patrik Svensson – Die Chronistin der Meere / Den lodande människan

  • ... Über die Tiefe und die Neugier


    Klappentext/Verlagstext
    „Der Himmelskörper, den wir den unseren nennen, ist eigentlich ein Planet des Meeres.“ Für Patrik Svensson ist die blaue Welt untrennbar mit seiner Mutter verbunden. Sie war es, die ihm einst von rätselhaften Tiefseefischen erzählte und so die Neugier auf das Unerforschte weckte, die sein Schreiben bis heute prägt. Nach ihrem Tod begibt sich Svensson auf die Spuren ihrer gemeinsamen Faszination. Ausgehend von Ebbe und Flut erzählt er von den wundersamen Rhythmen der Natur, er folgt den Routen der alten Seefahrer und lauscht den Unterhaltungen der Pottwale. „Die Chronistin der Meere“ ist eine zutiefst persönliche Geschichte des Meeres und der Neugier – denn für Svensson ist der Blick in die Tiefe zugleich ein Blick in die eigene Vergangenheit.


    Der Autor
    Patrik Svensson, geboren 1972, ist der Autor des Überraschungsbestsellers „Das Evangelium der Aale“, das in mehr als 30 Sprachen übersetzt wurde. Er studierte Sprachen und Literatur und arbeitet als Journalist für die schwedische Tageszeitung Sydsvenskan, wo er über Kultur, soziale Themen, Politik und Naturwissenschaften schreibt. Svensson lebt mit seiner Familie in Malmö.


    Inhalt
    Patrik Svensson wuchs in einem kleinen Dorf auf, 30km vom Meer entfernt. Er widmet seine Essaysammlung seiner Mutter (1949-2021), die regelmäßig mit ihm Bücher aus der Bücherei auslieh. Seine bescheidene, leicht zu unterschätzende Mutter hatte sich vermutlich mehr vom Leben erträumt, als mit 15 das erste Kind zu bekommen. Ohne den Zufall, dass das umfangreiche Buch über die Fische des Meeres immer wieder verlängert werden konnte, wäre sein Leben vermutlich anders verlaufen.


    Svensson verknüpft in seinen kurzen Texten das Thema Meer mit Seefahrt, Navigation, Kartografie und allgemein mit dem menschlichen Interesse, Unbekanntes zu entdecken. Antrieb, sich auf ein Gewässer ohne Landmarken zu wagen, war neben dem Wunsch, Armut, Hunger oder Konflikten zu entkommen, das Begehren der Schätze anderer Völker (Rohstoffe, Weihrauch, Opium, Parfüm, Gewürze). Mit drei hochinteressanten Kurzbiografien widmet Svensson sein Buch jedoch auch Menschen, die wichtige Entdeckungen machten und dennoch lange unbekannt blieben: Enrique von Malakka, Robert Dick und Rachel Carson.


    Am Beispiel von Magellans Sklaven Enrique von Malakka zeigt Svensson, dass die Leistung der wahren Entdecker oft nicht gefeiert wurde, sondern sich andere den Ruhm anheften ließen. Magellans persönliche Trumpfkarte Enrique kann stellvertretend stehen für die Logistiker, Unterhändler und Dolmetscher, ohne die internationaler Handel nicht möglich gewesen wäre. Den Entdeckern folgten Missionare und Kaufleute, aber auch Walfänger, denen der Autor ein eigenes Kapitel widmet. Bevor die Meere erforscht werden konnten, wurden sie bereits ausgebeutet. Zunächst mit Harpune und Leine, später im Tiefseebergbau.


    Den Bäcker Robert Dick aus Thurso machte als Hobby-Geologe seine unstillbare Neugier glücklich. Er wünschte sich nichts anderes, als einmal mit einem Experten auf Augenhöhe zu sprechen. So ebnete er Hugh Miller mit seinem Fund eines Panzerhais den Weg zur Karriere und blieb selbst nahezu unbekannt. Rachel Carson, Vorreiterin ökologischen Denkens, wuchs zu einer Zeit auf, als ein Studium für Frauen unpassend gehalten wurde, erst recht, wenn es sich um Naturwissenschaften handelte. Ihre wissenschaftliche Arbeit musste hinter der Versorgung ihrer verwaisten Nichten zurückstehen. Carson war vermutlich eine der ersten Frauen, die realisierte, dass ein wissenschaftlicher Text anders bewertet wird, wenn Kollegen und Rezensenten nicht ahnen, dass er von einer Frau stammt.


    Fazit
    Patrik Svensson schreibt über den Menschen als Raubtier und verfasst die längst überfällige Geschichte der Entdeckungen mit Focus auf Personen, die unbekannt bleiben wollten oder mussten. Seine Texte sind episodenhaft erzählt und leicht lesbar. Dass seine Mutter in ihm die Liebe zum Meer weckte, der die See lebenslang bedrohlich erschien, bleibt eine unvergessliche Anekdote aus der Sachbuchwerkstatt.



    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb:

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Naylor - Die Stimme der Kraken

    :study: -- Landsteiner - Sorry, not sorry

    :musik: --


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Squirrel

    Hat den Titel des Themas von „Patrik Svensson – Die Chronistin der Meere. ... / Den lodande människan“ zu „Patrik Svensson – Die Chronistin der Meere / Den lodande människan“ geändert.
  • Es beginnt mit einem Buch über Fische, das ihm seine Mutter mitbringt und das sie Patrik immer wieder vorlesen musste, bis es ihr irgendwann zu viel wurde. Also nahm sich der kleine Junge das Buch und erkannte, dass die Symbole neben den Bildern eine Bedeutung hatten und brachte sich so selbst das Lesen bei, Eine nette Anekdote, aber sie verrät auch viel über die Dynamik zwischen Mutter und Sohn. Eine Frau, die selbst nur selten ins Wasser ging, brachte ihren Sohn dazu, das Meer zu lieben.


    Patrik Svensson schafft es, diese Liebe in sein Buch zu transportieren. Er erzählt von Entdeckern, die das Unbekannte suchten und Eroberern, die die Suche nach Reichtümern antrieb. Neben den großen Namen wie Thor Heyerdahl oder Ferdinand Magellan waren es aber gerade die mir bis dahin Unbekannten, die mich interessierten, wie den Schotten Robert Dick, Magellans Sklaven Enrique oder Rachel Carson, auf deren Bücher mich Patrik Svensson neugierig gemacht hat.


    Gerade seine Liebe zum Meer lässt den Autor aber auch kritisch werden. Er zeigt die Rolle des Menschen und wie wir immer mehr in dieses zerbrechliche System eingreifen. Zu lesen, dass 2019 in über 10.000Meter Tiefe eine Plastiktüte gesehen wurde, macht betroffen und zeigt, wie weit unser Einfluss schon geht.


    Das Buch beginnt und endet mit Svenssons Mutter. Zwischendrin habe ich sie ein wenig vermisst, schließlich ist ihr zumindest der deutsche Titel gewidmet. Aber das Ende hat mich mit ihrer Abwesenheit versöhnt.

    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: