René Freund - Niemand weiß, wie spät es ist

  • Eine Reise, nicht nur mit der Urne des Vaters im Gepäck ...


    René Freund hat sich in diesem Buch einem interessanten Thema gewidmet: nämlich dem „Nicht-rechtzeitig-miteinander-reden“.

    Bei der Testamentseröffnung erfährt die Pariserin Nora, dass sie die Asche ihres Vaters Klaus nach Österreich bringen soll. Naja, das hört sich einmal nicht so ungewöhnlich an. Doch weit gefehlt! Nora ist verpflichtet, einen Großteil der Reise zu Fuß zurückzulegen und das noch unter notarieller Aufsicht, ansonsten gehe sie des Erbes verlustig.


    Zähneknirschend akzeptiert Nora die Bedingungen und den blass wirkenden Bernhard an ihrer Seite. Doch nicht nur Nora ist wenig begeistert, auch Bernhard erweckt vorerst den Eindruck, einen ungewöhnlichen Job übernommen zu haben. Doch langsam nähern sich die beiden unterschiedlichen Charaktere an. Bernhard macht eine Metamorphose von der schlichten Raupe zum attraktiven Schmetterling durch. Und Nora erfährt einiges über ihren Vater.


    Erzählstil:


    René Freund erzählt diese Geschichte ein wenig mit Augenzwinkern, streift schöne Orte in Österreich, die zum Verweilen einladen und rührt dennoch zeitweise zu Tränen.

    Schöne, wohl gesetzte Worte machen das Buch zu einem einmaligen Lesegenuss. Ich habe es in einer Nacht gelesen.


    Charaktere:


    Nora, eine „gestandene“ Pariserin, von ihrem deutschen Vater, nach dem Unfalltod der Mutter allein großgezogen, ist recht unkonventionell.

    Bernhard, schleppt einen Rucksack an familiären Erlebnissen mit sich herum, die in beinahe zerbrechen ließen.

    Vater Klaus ist ein typisches Kind der Nachkriegszeit. Männer zeigen keine Emotionen. Männer sind hart im Nehmen, usw..

    Erst nach seinem Tod öffnet er sich. Doch auch nicht direkt sondern via Videobotschaft (das finde ich total spooky) und schriftlichen Anweisungen. So als ob er noch immer Angst hätte, als Weichei dazustehen.


    Fazit:


    Ein wunderschöner Roman, der durch elegante Formulierungen und außerordentliche Charaktere besticht.

    5 Sterne und eine absolute Leseempfehlung.

    "Ein Tag ohne Buch ist ein verlorener Tag"


    "Nur ein Lesender kann auch ein Schreibender sein oder werden" (Maria Lassnig/1919-2014)