Yōko Ogawa – Der Duft von Eis / Kōritsuita Kaori / 凍りついた香り

  • Klappentext/Verlagstext

    Die junge Ryoko reist von Tokio nach Prag, um mehr über den Tod ihres Geliebten zu erfahren. Hiroyuki war ein begabter Parfümeur, der in seinem Atelier außergewöhnliche Düfte komponierte. Am ersten Jahrestag ihrer Beziehung schenkte er Ryoko ein selbst kreiertes Parfüm namens »Quell der Erinnerung«, am Tag darauf trinkt er eine Flasche reines Ethanol und stirbt. Ryoko kann erst um ihn trauern, wenn sie seine Tat versteht. Bei ihren Recherchen findet sie heraus, dass Hiroyuki, der nie viel Aufhebens um seine Person machte, ein ganz anderer Mensch war als der, mit dem sie ihr Leben teilte. Ein brillanter Eiskunstläufer, der auf Kufen mit verbundenen Augen die schwierigsten Muster nachzeichnen konnte. Und ein genialer Mathematiker, der in wenigen Stunden komplexe Aufgaben löste, für die ein Professor mehrere Tage braucht. Fünfzehn Jahre zuvor war Hiroyuki nach Prag gereist, um an einem internationalen Mathematikwettbewerb teilzunehmen. Dort muss es zu einem Zwischenfall gekommen sein, der Hiroyukis Leben für immer veränderte.


    Die Autorin

    Yōko Ogawa, * 1962, gilt als eine der wichtigsten japanischen Autorinnen ihrer Generation. Für ihr umfangreiches Werk wurde sie mit vielen Literaturpreisen ausgezeichnet. Für »Das Geheimnis der Eulerschen Formel« erhielt sie den begehrten Yomiuri-Preis. Auf Deutsch erschienen u.a. »Das Museum der Stille«, »Schwimmen mit Elefanten« und »Der Herr der kleinen Vögel«. Mit der englischsprachigen Ausgabe von »Insel der verlorenen Erinnerung« wurde Yoko Ogawa für den National Book Award und den International Booker Prize nominiert. Sie lebt mit ihrer Familie in der Präfektur Hyogo.


    Inhalt

    Ryokos Partner hat sich an seinem Arbeitsplatz in der Parfümerie das Leben genommen. Es ist der Todestag seines Vaters, an dem sein Bruder Akiro routinemäßig zu Besuch kommen würde. Einen Tag zuvor hatte das junge Paar seinen ersten Kennenlern-Tag, zu dem Hiroyuki seiner Partnerin ein eigenes Parfüm komponierte. Seine Chefin hatte ihn eingestellt, weil er strukturiert handelte und penibelst arbeitete. Gemeinsam mit Akiro entdeckt Ryoko, dass ihr Lebensgefährte sich in Reikos Parfümerie mit einem gefälschten Lebenslauf bewarb und nur einen kleinen Teil seiner Persönlichkeit zeigte. Seine weiteren Begabungen wagte er offenbar nicht zu leben.


    Als vielfach preisgekröntes Mathematik-Talent konnte sich „Ruki“ in seiner Jugend nur in Zahlen ausdrücken; als Parfümeur benutzt er nun eine eigene poetische Sprache, um seine Kreationen zu beschreiben. Ryoko fragt sich, ob Definitionen wie „Der Duft von Tau auf einem Farnblatt im tiefen Wald“ eine zusätzliche Botschaft enthalten, die sie erst entschlüsseln muss. Dahinter steckte ein für mich als Europäerin schwer vorstellbarer Druck auf Ruki, wie in einer Co-Abhängigkeit den Ehrgeiz seiner Mutter befriedigen zu müssen. Rukis Familie wirkt wie ein Quartett des Grauens, in dem niemand er/sie selbst sein durfte.


    Da Ruki vor 15 Jahren die Mathematik offenbar nach einem Wettbewerb in Prag Knall auf Fall aufgab, wird Ryoko (von Beruf Journalistin) nach Prag reisen, um den Auslöser seiner Entscheidung zu recherchieren. Mit seinem Selbstmord hat Ruki wie in einer Schleife offenbar seinen abrupten Ausstieg aus der Mathematik wiederholt. Auch Ryoko vollzieht eine Wiederholung der Ereignisse, als ihr im Kloster Strahov ein Parfümeur begegnet und sie lernt, mit der Sprache der Düfte in die Vergangenheit einzutreten. In Rukis Leben bildeten Empfindungen, poetische Beschreibungen und Düfte eine Art fest gedrehte Kordel, die die Autorin durch ihre Protagonistin wieder aufdröseln lässt.


    Fazit

    Neben Yōko Ogawas deutlicher Kritik am japanischen Leistungsethos streift sie in „Der Duft von Eis“ das Thema Obsessionen und regt bei ihren Leser*innen die Frage an, ob es eine Verpflichtung geben darf, ein Ausnahmetalent auch nutzen zu müssen.


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Naylor - Die Stimme der Kraken

    :musik: --


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Buchdoktor

    Hat den Titel des Themas von „Yoko Ogawa – Der Duft von Eis / Koritsuita Kaori / 凍りついた香り“ zu „Yōko Ogawa – Der Duft von Eis / Koritsuita Kaori / 凍りついた香り“ geändert.
  • Das Original


    318 pages

    Published August 2001 by Gentosha, (first published 1998)

    Original Title: 凍りついた香り
    ISBN 4344401360 (ISBN13: 9784344401365)
    Edition Language: Japanese

    https://www.goodreads.com/book/show/15997833

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Naylor - Die Stimme der Kraken

    :musik: --


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Buchdoktor

    Hat den Titel des Themas von „Yōko Ogawa – Der Duft von Eis / Koritsuita Kaori / 凍りついた香り“ zu „Yōko Ogawa – Der Duft von Eis / Kōritsuita Kaori / 凍りついた香り“ geändert.
  • Ryoko bügelt gerade, als sie den folgenschweren Anruf bekommt: Hiroyuki, ihr Freund, mit dem sie seit Jahren zusammen ist, hat sich an seinem Arbeitsplatz das Leben genommen. In der Leichenhalle trifft sie auf Akira, Hiroyukis jüngeren Bruder, von dessen Existenz sie bisher nichts wusste. Die beiden tauschen sich aus und Ryoko muss feststellen, dass sie eigentlich gar nichts über ihren Partner gewusst hat. Ihr bleibt nur ein Parfüm, das er für sie kreiert hat und eine willkürlich erscheinende Liste von Beschreibungen. Und so begibt Ryoko sich auf die Suche, in Hiroyukis Kindheit, seiner Heimat, seiner Familie – bis sie am Ende schließlich in Prag landet.


    „Der Duft von Eis“ der mehrfach preisgekrönten Autorin Yoko Ogawa wird aus der Sicht ihrer Protagonistin Ryoko in der Ich- und Vergangenheitsform erzählt. Auf diese Weise sind wir ganz nah an den Geschehnissen, ihrer Trauer und den verzweifelten Versuchen, Hiroyukis Tat einen Sinn zu geben. Es ist seltsam, denn eigentlich lernt Ryoko ihn erst nach seinem Tod richtig kennen, erfährt von seiner Liebe zur Mathematik, zum Eislaufen und von einem einschneidenden Erlebnis in seiner Kindheit. Einziges Problem: Sie kann nicht mehr mit ihm darüber sprechen.


    Während sein Bruder Akira sich mit der Situation arrangiert und versucht, seiner Mutter den Lieblingssohn zu ersetzen, verbeißt Ryoko sich in die Suche nach der Wahrheit: Was hat Hiroyuki in den Tod getrieben? Warum hat er über so viele Dinge nie mit ihr gesprochen? Und was bedeutet die seltsame Liste, die er hinterlassen hat? Irgendwann glaubt Ryoko, in seinen Worten bestimmte Orte und Ereignisse wiederzuerkennen und reist in ihrer Obsession nach Prag, wo Hiroyuki als Schüler den letzten Mathematikwettbewerb seines Lebens einfach abgebrochen hat.


    „Der Duft von Eis“ ist ein emotionaler, zarter Roman über Trauer und Verlust und die Unmöglichkeit, in schrecklichen Geschehnissen einen Sinn zu entdecken. Nach und nach verlässt die Handlung den Bereich des Wirklichen und geht in magischen Realismus über. Ob Ryoko all das tatsächlich erlebt oder ob sie es sich in ihrer Trauer nur einbildet, bleibt offen. :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: