Nathaniel Philbrick - Dämonen der See/Sea of Glory

  • 1838 bricht eine Handvoll Schiffe zur "Exploring Expedition" auf, die im Namen der US-Regierung so nahe wie möglich Richtung Antarktis vordringen und dann die Südsee erkunden soll. Neben dem großen Ziel, so weit nach Süden zu gelangen wie noch niemand zuvor, stehen auch Vermessungsarbeiten und naturkundliche Forschung auf dem Plan der Forscher.


    Das Kommando über das Geschwader liegt in den Händen des ehrgeizigen jungen Marineleutnants Charles Wilkes, der hochfliegende Pläne hat und bitter enttäuscht ist, nicht noch vor der Abfahrt zum Kapitän befördert worden zu sein.


    Widriges Wetter, launische See und ungemütliche Begegnungen mit den Einheimischen auf den Südseeinseln stellen die Mannschaft immer wieder auf harte Proben, aber das destruktivste Element der ganzen Expedition befindet sich an Bord der "Vincennes". Wilkes' grenzenloses Machtstreben bricht sich immer stärker Bahn, je länger die Reise andauert. Er überwirft sich mit vielen seiner Offiziere, behandelt die Seeleute wie Dreck, schlägt noch den fundiertesten Rat seiner Untergebenen in den Wind und gefährdet mit seiner Arroganz ein ums andere Mal die Besatzung durch tollkühne oder schlichtweg dumme Manöver.


    Von der "Ex. Ex", wie sie seinerzeit gerne genannt wurde, hatte ich vor diesem Buch noch nie gehört, war aber schnell gefesselt von dem irrwitzigen Unterfangen, mit ein paar Segelschiffen ohne besondere Ausstattung die Antarktis zu erreichen. Philbrick stützt sich auf zahlreiche historischen Quellen und zitiert insbesondere häufig aus den Aufzeichnungen des jungen Offiziers William Reynolds, dessen große Bewunderung für Charles Wilkes ziemlich schnell in blanke Abscheu umschlug, als er den Charakter des Expeditionsleiters durchschaut hatte.


    Die völlige Untauglichkeit von Wilkes als Führungsperson, seine völlig verdrehte Selbstwahrnehmung und das unerbittliche Regiment, das er an Bord führte, stellen dann auch einen wesentlichen Bestandteil des Buches dar. Diese anfangs interessante Charakterstudie liest sich über weite Strecken schon fast wie ein Roman, aber in der zweiten Hälfte des Buches läuft es sich als Thema doch ein wenig tot. Vor allem den Part, wie er nach der Rückkehr zur Rechenschaft gezogen wurde, fand ich (wider Erwarten) ziemlich langweilig.


    Ansonsten thematisiert Philbrick sehr häufig Nautisches in minutiösem Detail, was für Landratten, die keine Experten in historischer Takelage sind, manchmal ein bisschen zu viel Information mit sich bringt, wobei die Situationen an sich, gerade bei extremen Wetterumständen, schon spannend sein können.


    Der Aspekt der Forschung kommt allerdings, abgesehen von Wilkes' heißgeliebten Pendelexperimenten, für die er schon mal kistenweise Ausrüstung nebst Standuhr auf den Gipfel des Mauna Loa schleppen lässt, recht kurz. Über die Arbeit der Geologen, Botaniker und anderen Spezialisten erfährt man eher wenig abgesehen von ein paar heutzutage barbarisch anmutenden Methoden, die fremdartige Tierwelt zu erforschen, und den größtenteils ziemlich chauvinistischen Umgang mit den Einheimischen vor Ort (wobei ich bei letzterem die Gegenstimmen interessant fand, ein paar für die Zeit recht aufgeklärte Denker waren wohl auch an Bord).


    Die gebundene Ausgabe enthält drei Bildteile mit Porträts und Szenen der Reise sowie einen umfangreichen Anhang mit Erläuterungen, Literaturverzeichnis und hilfreichem Nautik-Glossar.


    Alles in allem fällt mein Urteil etwas zwiespältig aus, vor allem wegen des wirklich zähen letzten Drittels.