Die Autorin: Anna Seghers
Titel: Transit, erschien erstmals 1944
Seiten: 416 Seiten, unterteilt in zehn Kapitel
Verlag: Aufbauverlag
ISBN: 9783746637877
Die Autorin:
Anna Seghers wurde am 19. Nov 1900 als Annette Reiling in Mainz geboren. 1924 promovierte sie in Heidelberg mit einer Dissertation über «Jude und Judentum im Werk Rembrandts». 1925 heiratet sie den ungarischen Soziologen Laszlo Radvanyi; gemeinsam haben sie zwei Kinder. 1933 müssen sie vor den Nazis aus Deutschland flüchten: über die Schweiz nach Paris, 1940 in den unbesetzten Teil Frankreichs, 1941 dann auf einem Dampfer von Marseille nach Mexiko. Dieses Erlebnis bildet den Hintergrund ihres Romans Transit.
Nach dem Krieg kehrt sie 1947 nach Deutschland zurück, engagierte sich politisch in der SED, erhielt den Nationalpreis der DDR und wurde Präsidentin des Schriftstellerverbandes der DDR. 1983 ist sie in Berlin gestorben und dort auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof beigesetzt.
Inhalt:
Ein junger Mann entkommt zunächst aus einem deutschen Konzentrationslager, und kann später auch aus einem französischen Gefangenenlager entfliehen, und landet nach einem kurzen Aufenthalt in Paris schliesslich in Marseille. Es ist das Jahr 1940, die Stadt ist voller Menschen auf der Flucht, die mit einem der Schiffe Europa verlassen möchten. Sie hetzen von einer Behörde zur nächsten, beantragen Visa, Ausreisebescheinigungen, Tickets für die Überfahrt, Aufenthaltsgenehmigungen, etc – in der Hoffnung, den Nazis mit einem der letzten abfahrenden Schiffe zu entkommen. Inmitten dieses Chaos verliebt sich der Ich-Erzähler in eine Frau, die vor der Abfahrt noch unbedingt eine wichtige Person wiederfinden möchte…
Meinung:
Anna Seghers flüchtete ebenfalls aus Paris nach Marseille und nahm dort ein Schiff, um nach Mexiko zu flüchten. Diese Erfahrung und die Atmosphäre spürt man beim Lesen des Romans. Es ist eine Art Zwischenwelt: die Stadt ist übervölkert mit Menschen, die nur auf der Durchreise sind, die sich immer wieder bei Behörden, Reisebüros und Cafés begegnen und Tratsch austauschen, sich Hoffnungen machen, einander helfen oder bekämpfen.
Der Erzähler möchte zunächst gar nicht auswandern, darf in der Stadt aber auch nur verweilen, wenn er Bemühungen nachweist, dass er eben doch weiterziehen möchte. Inmitten dieser Menschenmenge fällt ihm eine Frau auf, die täglich Cafés und Restaurants nach einem bestimmten Menschen absucht. Im Laufe des Romans stellt sich heraus, dass er mit ihrem Schicksal stärker verbunden ist, als es ihm lieb sein kann.
Diese Verwicklung, dieses bunte Treiben der unzähligen Menschen auf der Jagd nach Visa, etc hat mir sehr gut gefallen. Gleichzeitig erlebt der Protagonist einen eintönigen Alltag, er fühlt sich nicht so recht zugehörig, hat keine Pläne, keine Ziele. Wir als Leser werden von diesem Erzähler direkt angesprochen, sitzen mit ihm an einem Tisch und beobachten das hektische Treiben. Mit einem sachlichen und doch stellenweise sarkastischen Humor erfahren wir seine Geschichte, seinem Bestreben das Leben zu leben, sich die Jugend nicht nehmen zu lassen, die geheimnisvolle Frau zu umwerben, ihr zu helfen und doch am Ende eine Entscheidung zu treffen.
Persönlich hätte es für mich die Liebesgeschichte nicht unbedingt benötigt, sie macht den Erzähler zudem nicht unbedingt sympathischer. Aber diese Unsicherheit, diese Vergänglichkeit der Abreisehoffenden, deren Streben nach Stempel, Dokumenten, Formularen, die zahlreichen Rückschläge, Hoffnungen, - das ist grandios beschrieben und belastend zu lesen.
Bleibt zu hoffen, dass Flüchtenden heutzutage unbürokratischer geholfen wird.