Katharina Bendixen – Taras Augen

  • Klappentext/Verlagstext

    Alún und die gleichaltrige Tara werden nicht nur durch den Chemieunfall auseinandergerissen; sie erleben Täuschung und Enttäuschung, Eifersucht, Leidenschaft, Hartnäckigkeit, Selbstzweifel, finden sich aber am Ende wieder. Katharina Bendixen nimmt sich die Freiheit, die dystopische Welt, in der das alles spielt, nicht groß zu erklären, sondern sie einfach als gegeben hinzustellen. Jeder muss mit einem lizensierten SigPhone ausgestattet sein, das Kommunikation, Zahlungsvorgänge, aber eben auch ständige Überwachung ermöglicht. Kein Wunder, dass viele findige Jugendliche sich »SickPhones« zulegen, mit denen sie die Behörden über ihre wahre Identität täuschen können. Leider gelingt es aber auch einem anderen Mädchen, sich gegenüber Alún als Tara auszugeben.

    Hochwertig ausgestattet mit digitalem Farbschnitt, Glossar und Karte


    Inhalt

    Als es in Factory 11, der Chemiefabrik mitten in einem Wohngebiet der Stadt Rekan, zu einer Explosion kommt und unbekannte Gefahrstoffe austreten, verlassen die Dorons entschlossen ihr Stadtviertel. Neben der 15-jährigen Tara Doron und ihrer Mutter Aino gehören zu den Flüchtlingen auch der gleichaltrige Alún und seine Familie. Zunächst kommen die Betroffenen in einer Notunterkunft unter. Wer jedoch keine Arbeit findet, verliert seine Aufenthaltserlaubnis und muss gezwungenermaßen in den kontaminierten Stadtteil zurückkehren. Eine kleine Gruppe Erwachsener und Kinder schlägt sich fortan ohne Hilfe von außen in der „Gelben Zone“ durch. Wir treffen die beiden Jugendlichen im dystopischen Szenario eines Überwachungsstaates, der seine Bürger dauerhaft über SigPhones kontrolliert und diszipliniert. Seinen von der Chemiekatastrophe betroffenen Bürgern Arbeit und Unterkunft zu vermitteln, scheint nicht zu den Qualitäten dieses Staates zu gehören.


    Jugendliche haben sich längst ein Schlupfloch aus der allgegenwärtigen Überwachung geschaffen, indem sie ihre vorgeschriebenen Phones abgeschirmt verbergen und falsche „SickPhones“ benutzen, wenn sie etwas Privatsphäre haben möchten. Das Mädchen „Ste“, das Tara anspricht, scheint ohne Erwachsene allein in der Zone zu leben und wer für Alúns 7-jährige Schwester verantwortlich ist, ging in der Aufregung offenbar verloren. Alún kann - bisher unentdeckt - sein gewaltiges Kunstprojekt durchziehen. Er beklebt, wie ein Banksy der Zukunft, die Stadt mit bemalten Kacheln, die am Ende ein Gesamtbild oder eine Botschaft ergeben sollen. Ste, Tara und Alún verbindet noch aus der Zeit vor der Explosion eine komplizierte Beziehung. Doch seit der Chemiekatastrophe ist Tara von Alún nicht mehr zu erreichen. Bis vor kurzem noch Wettkampfschwimmerin, erkennt Tara nach einem schwer zu erklärenden Unfall, dass in der Folge der Explosion Jugendliche urplötzlich erblinden. Sie und ihre Familien werden damit vom Staat und dem verantwortlichen Unternehmen jedoch allein gelassen.


    Nachdem für meinen Geschmack zu ausführlich in das dystopische Szenario nach einer Chemiekatastrophe eingeführt wurde, stellt sich die Frage, wie Tara und Alún ihr Beziehungsproblem lösen werden, wie es Tara in der gefährlichen Umgebung mit ihrer Behinderung ergehen wird und wie Alúns „Augenprojekt“ in die Geschehnisse einzuordnen ist. Mit der zu oberflächlichen Darstellung Taras, von der andere das Bild eines passiven, hilflosen Opfers zu haben scheinen, verrät Katharina Bendixen m. A. bereits zu früh, wohin sich die Geschichte entwickeln könnte. Wenn eine Gesellschaft bisher Wissen über Erblindung hatte und das Konzept des Mobilitätstrainings bekannt ist, gibt es keinen Grund, Tara zu bevormunden und sie z. B. an ein Ziel zu zerren, ohne mit ihr über ihre Ziele zu kommunizieren.


    Fazit

    Üppig ausgestattet mit Karte, Glossar, Personen- und Ortsliste und in einem Setting, dessen Trostlosigkeit durch fremd wirkende Orts- und Personennamen verstärkt wird, leidet Bendixens Jugendroman unter dem reduzierten Blick, den ihre beiden jugendlichen Icherzähler auf die Ereignisse haben. Für ein als gegeben definiertes Setting setzt der Beziehungsteil mit anschließender Lösung m. A. zu spät ein und bleibt durch die Wahl der Erzählperspektive unbefriedigend.


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    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Ein Szenarium um katastrophale Umweltverseuchung, um staatliche Kontrolle, um die erste Liebe!


    Mit einem Chemieunfall, einer Explosion inmitten eines bewohnten Gebietes, beginnt sich das Leben nicht nur von Tara und Alún drastisch zu verändern. Von klein auf sind sie sehr befreundete Nachbarn, zur Zeit der Umweltkatastrophe jedoch gerade zerstritten in ihrer jungen Liebe mit 15 Jahren. Während Tara mit ihrer Familie in die verseuchte ‚Gelbe Zone‘ aus finanziellen Gründen zurückkehrt und erblindet, verweilt Alún in der sicheren Großstadt mit seiner Street-Art (Taras Augen) mit dem Risiko der staatlichen Überwachung und Verhaftung. Nach vielen Monaten finden sie sich jedoch wieder in der roten Zone, wo eine Sprengung des verseuchten Fabrikgebäudes bevorsteht.


    Selbst nach drei Jahren steht der Prozess mit der Urteilverkündung gegen den Verursacher ‚Factory 11‘noch aus, bei der Aktivisten der Eyes Open Organisation die Hoffnung auf Beweise wie Zertifikate der o.g. Firma nicht aufgeben.


    Dieses Szenarium um katastrophale Umweltvernichtung, um staatliche Kontrolle und sogar Machtmissbrauch findet sich bereits in unserem derzeitigen Umfeld. Für wahre Freundschaft und die erste große Liebe ist ebenso Platz in diesem futuristisch angehauchten Ambiente.