Ursula K. Le Guin - Die Erzähler / The Telling

  • Die Rezension bezieht sich nicht auf die abgebildete Ausgabe, sondern auf die Neuübersetzung, die hier als Teil eines Doppelbandes nicht rezensiert werden darf.


    Die Autorin

    Ursula K. Le Guin wurde 1929 in Berkeley/Kalifornien als Tochter der Schriftstellerin Theodora Kroeber und des Anthropologen Alfred Kroeber (daher das K. in ihrem Namen) geboren. Nach einem Geschichtsstudium begann sie Anfang der sechziger Jahre mit dem Schreiben und ver&WCF_AMPERSANDöffentlichte ihre ersten SF- und Fantasy-Erzählungen. Ihren Durchbruch erzielte sie schon wenige Jahre später mit dem Roman „Die linke Hand der Dunkelheit“ - und mit dem Fantasy-Epos „Erdsee“ wurde sie schließlich weltberühmt. Poesie und gedankliche Tiefe ihres Werkes, das nicht nur mit sämtlichen Genre-Preisen ausgezeichnet, sondern auch mit dem amerikanischen National Book Award geehrt wurde, haben in der Science Fiction neue Maßstäbe gesetzt. Die Autorin starb im Januar 2018.


    Die Übersetzerin

    Karen Nölle lebt als freie Übersetzerin und Lektorin in der holsteinischen Schweiz. Sie hat unter anderem Doris Lessing und Alice Munro ins Deutsche übertragen.


    Das Hainish-Universum

    „Das Wort für Welt ist Wald“ und „Die Erzähler“ sind Teil des 8-teiligen -> Hainish-Zyklus, der im alternativen Ekumen-Universum spielt und von dem zuerst "Rocannons Welt" erschien. Von den Hainish dieser alternativen Welt stammen die Menschen aller Planeten ab. Besiedelt ist u. a. auch die Erde (Terra). Le Guin selbst hat (nach Wikipedia) die Definition ihrer Hainish-Welt als Zyklus oder Saga abgelehnt. Da -> goodreads keine Serienzählung anlegt, wenn Autoren ihre Werke nicht selbst so einordnen, werden die Hainish-Bände dort ohne Zählung gelistet.

    Büchertreff listet und nummeriert 8 Romane + eine englische Gesamtausgabe. „Freie Geister“ wäre in der BT-Listung Band 5, die Romane des Doppelbandes sind dort Band 6 und 8, der dazwischenliegende Roman „Four Ways to Forgiveness“ ist noch nicht übersetzt.


    Frühere Ausgaben bei Heyne und Argument

    The Word for World is Forest (1976) / Das Wort für Welt ist Wald (Heyne 1975) 978-3453303782, übersetzt von Gisela Stege;

    (Argument 1997) ‎ 978-3886199273, Neu bearb. Übers. aus dem Amerikan. von Hiltrud Bontrup auf Grundlage der 1975 bei Heyne erschienenen Übers. von Gisela Stege

    The Telling (2000) / Die Erzähler (Heyne 2000) ISBN 978- 3453188617, übersetzt von von Biggy Winter

    Das Hainish-Universum


    Klappentext zum Taschenbuch "Die Erzähler"

    "Die Erzähler" gehört -- ebenso wie Der Planet der Habenichtse und Die linke Hand der Dunkelheit in das Universum der "Hainish". Diese haben vor Urzeiten das menschliche Leben in unserer Galaxie verbreitet, und so ist eine immense kulturelle Vielfalt entstanden, die erst jetzt nach und nach wieder entdeckt wird. Daraus entwickelte sich eine Welt der unbegrenzten Möglichkeiten für Le Guin, Tochter eines berühmten Anthropologen: In Die Erzähler schickt sie die junge Linguistin Sutty/Seti auf den Planeten Aka, um dessen Kultur zu studieren. Die Terranerin verlässt nach einer persönlichen Tragödie ihren krisengeschüttelten Heimatplaneten und beginnt ein neues Leben -- durch die Zeitverzerrung vergehen während ihrer subjektiv kurzen Reise 70 Jahre. Bei ihrer Ankunft herrscht auf Aka ein totalitäres Regime, das sich ganz dem Glauben an den technischen Fortschritt verschrieben hat. Mit nackter Gewalt vernichten die neuen Machthaber Religion und Traditionen und drängen die terranische Beobachterin in die Isolation.

    Schließlich wird Sutty/Seti aber eine Reise in die entlegene Bergwelt gestattet. Hier trifft sie auf die unterdrückten Überreste der alten Kultur, auf eine verfolgte Kaste, die ihre Weisheit von Generation zu Generation im "Erzählen" weitergibt. Immer höher hinauf in die Berge geht die Reise, immer tiefer dringt Sutty in die Geheimnisse der Bewohner ein. Und im größten Heiligtum von Aka begegnet sie letztendlich ihrem ärgsten Feind.

    Man mag Le Guin vorwerfen, dass ihr neuester Roman zu sehr eine Variation alter Themen ist, dass er zu viel Moral und zu wenig Handlung enthält. Dennoch ist Die Erzähler unter all den schnellen, grellen SF-Romanen unserer Zeit ein kristallklares Juwel, das sich niemand entgehen lassen sollte. -- Birgit Will



    Die Autorin

    Ursula K. Le Guin wurde 1929 in Berkeley/Kalifornien als Tochter der Schriftstellerin Theodora Kroeber und des Anthropologen Alfred Kroeber (daher das K. in ihrem Namen) geboren. Nach einem Geschichtsstudium begann sie Anfang der sechziger Jahre mit dem Schreiben und veröffentlichte ihre ersten SF- und Fantasy-Erzählungen. Ihren Durchbruch erzielte sie schon wenige Jahre später mit dem Roman „Die linke Hand der Dunkelheit“ - und mit dem Fantasy-Epos „Erdsee“ wurde sie schließlich weltberühmt. Poesie und gedankliche Tiefe ihres Werkes, das nicht nur mit sämtlichen Genre-Preisen ausgezeichnet, sondern auch mit dem amerikanischen National Book Award geehrt wurde, haben in der Science Fiction neue Maßstäbe gesetzt. Die Autorin starb im Januar 2018.


    Frühere Ausgabe bei Heyne

    The Telling (2000), Die Erzähler, Heyne 2000, ISBN 9783-453-18861-7, nach BT-Ordnung: Bd 8, Aus dem Amerikan. von Biggy Winter


    Inhalt

    In einer Welt der Zukunft hat der steigende Meeresspiegel das uns bekannte Vancouver verschluckt und die Stadt wurde in höherer Lage neu erbaut. Hier lebt die Indo-Kanadierin Sati, genannt nach Shivas Frau, was die junge Linguistin und Observantin in ihrem späteren Leben noch verärgern wird. Klein, dunkelhäutig und sprachbegabt ist Sati die ideale Besetzung, um unauffällig in einer abgelegenen Ecke des Kontinents Aka nach Kultur und Aufzeichnungen des nahezu untergegangenen Volkes der Maz zu suchen und gehorsam alle Aufzeichnungen ihrem Auftraggeber abzuliefern. Erst nach einer anstrengenden Reise samt zweiwöchiger Bootsfahrt beginnt Sati sich zu fragen, wer ein Interesse daran hatte, ein Volk der Erzähler und Rezitatoren auszulöschen und welche Rolle sie eigentlich spielen soll. Sati ist gechipt und aus ihrer Welt gewohnt, ständig kontrolliert zu werden, so dass sie sich ihre Erdlings-Gewohnheiten erst einmal abtrainieren muss. Die vermeintliche Lockerheit ihrer Probanden kann jedenfalls nicht darüber hinwegtäuschen, dass Sati vom Staatenkonzern genauestens beobachtet wird. Ihre wissenschaftliche Neugier kann evtl. Gegner auf die Spur der letzten Kultur-Reste locken und damit genau das Gegenteil von dem erreichen, das Sati für ihre Aufgabe hält. Sati erarbeitet sich die gefährdete Maz-Kultur über die Sprache, ihre Vermittlung und Veränderung. Ihr wird klar, dass ohne zu notieren, rezitieren und diskutieren z. B. keine Heilkunde möglich wäre und sie kommt sichtlich ins Grübeln, wer ein Interesse haben sollte, ein Volk und sein gesamtes Wissen auszulöschen. Ihre Forschung hat Sati zu der Erkenntnis gebracht, dass die jetzt über die Maz herrschende Kultur ausdrücklich Begriffe verbietet, die das „Eins-Sein“ oder eine Zweisamkeit beschreiben, und die direkte Folge dieser Zensur „Institutionalisierte Homophobie“ wäre. Inwieweit Sati an einen ihr vertrauten Zusammenhang anknüpfte oder neues Wissen zu diesem Thema erwarb, blieb mir unklar. Schließlich erhält sie den Tipp, dass nur durch eine weitere anstrengende Reise zu einem Bergvolk Reste einer Bibliothek im Berg Silong zu finden wären.


    Fazit

    „Die Erzähler“ beeindruckt mit der hochinteressanten Figur einer indisch-stämmigen Linguistin und einer bedrohten Kultur, die Reste ihres kulturellen Erbes bisher vor einem übermächtigen Staaten-Konzern verbergen konnte. Fesselnd fand ich das Setting, in dem Erdbewohner nur durch Bildung ihren ausgebeuteten Planeten verlassen und eine Aufgabe auf einem fernen Planeten finden können. Das Themenfeld Sprache, Wissen, Kultur, und wie letztlich Sprache stets Bewusstsein abbildet, lässt sich bei aller Komplexität der Hainish-Welt gut lesen. Die Neuübersetzung wirkt dabei zeitlos und untermauert den legendären Ruf des Zyklus als SF-Klassiker.


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    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Naylor - Die Stimme der Kraken

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    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Die Erzähler ist - neu übersetzt - im Doppelband enthalten.


    Zwei große SF-Romane von Ursula K. Le Guin in vollständiger Neuübersetzung.

    Ursula K. Le Guins visionäre Hainish-Romane, die davon erzählen, wie die Menschheit ferne Planeten besiedelt, haben die Landkarte der modernen Science Fiction neu entworfen. In "Das Wort für Welt ist Wald" versklaven Kolonisten einen ganzen Planeten, um sich seiner Ressourcen zu bemächtigen – doch die Waldbewohner wissen sich zu wehren. "Die Überlieferung" ist die erschütternde Geschichte einer Gesellschaft, die ihr kulturelles Erbe unterdrückt hat.

    Die Neuübersetzung von Karen Nölle zeigt erstmals Le Guins ganze sprachliche Meisterschaft.


    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Naylor - Die Stimme der Kraken

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    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • "Die Überlieferung" handelt von Sati, die auf unserer Erde aufgewachsen ist; in einer Zukunft, die von Glaubenskriegen regiert wurde.

    Für ein Studium der Schriften ist sie auf einen fernen Planeten umgesiedelt, allerdings wird ihr der Zugang verwehrt, weil altes Wissen und das geschriebene Wort als gefährlich eingestuft wurden und verboten sind. Die Zeit, die sie in einer der Großstädte dort lebt, ist einsam und nicht wirklich zielführend, da ihr der Kontakt mehr oder weniger versagt wird. Bis plötzlich ein Antrag bewilligt wird, sie reisen zu lassen. In einem kleinen Dorf schließlich lernt sie hiesige Bewohner kennen, die noch um die alten Überlieferungen wissen.


    Zitat

    "Klammer dich nicht an Dinge, sie belasten dich nur. Was du behalten willst, behalt im Kopf." Zitat Seite 245


    Ich hab mich etwas schwer getan, in die Geschichte reinzufinden. Es kommen auch sehr viele fremde Wörter vor, mit denen ich nichts anfangen konnte (Prox, partizzen, VR-Proprios ect). Ob es daran liegt, dass es sich ja hier um den 5. und 8. Band der Hainish Romane handelt und mir deshalb vielleicht einiges Vorwissen fehlt, weiß ich nicht. Manche Wörter erklären sich zwar von selbst, aber eben nicht alle.

    Da die beiden Geschichten so unterschiedlich sind, denke ich, dass jede für sich alleine steht. Dennoch hab ich das Gefühl, dass in den ersten Büchern dieser Romanreihe doch einiges erklärt wurde, das mir hier weitergeholfen hätte.


    Das Thema in dieser Geschichte ist jedenfalls die Vergangenheit und vor allem, diese zu bewahren. Geschichten zu erzählen, weiterzugeben, sie festzuhalten, ob im Wort oder schriftlich - und was es für Auswirkungen hat, wenn dieses Wissen vernichtet wird.

    Auch über den Glauben wird viel gesprochen, von Gott (dem einen) oder den vielen und welche Auswirkungen eine fanatische Religion haben kann.


    Besonders schön fand ich hier die Geschichten auf diesem Planeten, da sie keine direkt Moral haben am Ende, so wie man es ja kennt, grade natürlich auch bei Märchen und Sagen. Man muss sich selbst Gedanken darüber machen und es für sich enträtseln, was dahinterstecken könnte oder welche Bedeutung man herausliest. Es sind Anregungen, kein Wissen, die vermittelt werden - und jede davon ist ein Teil vom großen Ganzen, also nur Stückwerk. Denn "alles" zu wissen ist unmöglich.


    Es hat mich schon ganz schön gefordert, hier am Ball zu bleiben, mitzudenken und den Faden nicht zu verlieren.

    Am Ende zeigt sich, wie aus Hass Verständnis erwachsen kann, in dem man einfach nur zuhört. Und zwar richtig hinhört, damit man verstehen lernt, die Hintergründe erkennen kann - auf beiden Seiten und schließlich, vielleicht, auf einer gemeinsamen Basis eine friedliche Lösung findet.