Klappentext:
Alain Claude Sulzers virtuoser Roman über einen großen Filmstar in der Einsamkeit des Exils und die Wirren der europäischen Katastrophe. Lionel Kupfer, allseits umschwärmter Filmstar der frühen Dreißigerjahre, ist ins Hotel Waldhaus in Sils Maria gereist, um sich auf seine nächste Rolle vorzubereiten. Doch die Ereignisse überschlagen sich. Kupfer sieht sich mit der Tatsache konfrontiert, dass er als Jude in Deutschland unerwünscht ist. Der Vertrag für seinen nächsten Film wird aufgelöst. Die schlechte Nachricht überbringt ihm ausgerechnet Eduard, sein Liebhaber, dessen gefährliche Nähe zu den neuen Machthabern immer offenkundiger wird. Lionel Kupfer ist gezwungen, zu emigrieren. Doch muss er nicht nur Eduard verlassen, sondern auch einen jungen Schweizer Postbeamten namens Walter, der sich ins Hotel eingeschmuggelt hat, in der Hoffnung, dem von ihm verehrten Filmstar leibhaftig zu begegnen. Er kommt ihm dabei näher, als er je zu hoffen wagte. Wir folgen nicht nur Lionel ins Exil nach New York, wo er als Schauspieler nicht richtig Fuß fassen kann, sondern auch dem zwielichtigen Kunsthändler Eduard und dem jungen Postbeamten aus Sils. Innerhalb einer Zeitspanne von fünfzig Jahren begegnen wir Menschen unterschiedlicher Herkunft, deren Wege sich kreuzen, die sich manchmal für wenige Tage sehr nahekommen, um dann wieder auseinandergerissen zu werden. Doch obwohl sie sich aus den Augen verlieren, vergessen sie einander nicht.
Mein Leseeindruck:
Der Roman ist ausgesprochen virtuos aufgebaut. Er beginnt mit einem Prolog, der die Grundmotive vorführt, und er endet mit einem (titelgebenden) Postskriptum, das diese Grundmotive wiederum aufgreift, in größere Bezüge stellt und damit den Schlüssel zur Persönlichkeit des Protagonisten liefert. Dazwischen fügen sich die einzelnen Kapitel ein, die aus verschiedenen Perspektiven erzählt werden, damit unterschiedliche Schwerpunkte setzen und zu unterschiedlichen Zeiten spielen. Trotz dieser Struktur ist der Roman aber einfach und zügig zu lesen.
Im Mittelpunkt steht Lionel Kupfer. Wieso wählt der Autor den Namen „Kupfer“? Ich habe nachgelesen: Kupfer ist ein eher weiches Metall, es ist biegsam – und das passt zu Lionel: ein deutscher Filmstar der Weimarer Republik, ein Frauenschwarm – und um dieses Bild aufrecht zu erhalten, muss er sich täglich neu verbiegen und verbiegen lassen. In Wirklichkeit ist er nämlich Jude, wenngleich getauft, gebürtig aus Polen, und dazu noch homosexuell. Das alles muss er vertuschen, und so ist er ein Schauspieler durch und durch. Die Handlung entwickelt sich um ihn und seinen kurzzeitigen Geliebten, den jungen Postbeamten Walter, der ihn voller Hingabe verehrt und liebt, während Lionel ihm eher gleichgültig und herzenskalt gegenübertritt.
Der aufkommende Nationalsozialismus führt dazu, dass Lionel seine Kunstschätze veräußern muss und in die USA flieht. Wie der Autor die Gefährdungen der Zeit in seinen Roman einbaut, hat mir sehr gut gefallen: die verschiedenen Facetten von Opportunismus, Ausbeutung, Betrug und Kunstraub werden eher unaufgeregt und distanziert an verschiedenen Nebenfiguren vorgeführt.
Was mir weniger gut gefallen hat, sind die Ansammlungen an Zeitgrößen, die Sulzer uns hier vorführt. Wieder, wie in „Ein perfekter Kellner“, taucht Thomas Mann auf (auch hier unter Pseudonym) und ein Hinweis auf seine spezielle Veranlagung darf nicht fehlen. Visconti taucht mehrfach auf, und gegen Ende auch noch Greta Garbo, die sich zusammen mit ihrer Lebensgefährtin in einer dunklen Kino-Ecke herumdrückt. Überflüssig !
Die schöne Sprache Sulzers entschädigt dafür. Sie ist schnörkellos, gelegentlich etwas altmodisch, und sie führt die psychisch komplizierten Strukturen des Protagonisten eher distanziert vor, ohne dass sie sie dem Leser auf die Nase bindet. Was das Handwerk des Schreibens angeht: da gibt es nichts zu meckern.
Fazit: Eine inspirierende Künstlerbiografie.