Volker Kutscher - Olympia

  • Klappentext/Verlagstext
    Berlin, Sommer 1936. Inmitten der Olympiabegeisterung muss Gereon Rath verdeckt einen Todesfall im olympischen Dorf aufklären. Die Machthaber befürchten, dass Kommunisten die Spiele sabotieren. Rath hat seine Zweifel und ermittelt eher lustlos, zumal er private Probleme hat: Er ist Gastgeber amerikanischer Olympiatouristen, und seine Ehefrau Charly hat die gemeinsame Wohnung unter Protest verlassen. Dann findet er im olympischen Dorf einen Mitarbeiter mit kommunistischer Vergangenheit, der auch am Tatort war. Während der Verdächtige brutalen Verhören der SS ausgesetzt ist, geschieht ein zweiter Mord. Rath ermittelt fieberhaft, um weitere Todesfälle zu verhindern, und ahnt nicht, dass sein eigenes Todesurteil längst gefällt ist.


    Der Autor

    Mit dem Roman "Der nasse Fisch", dem Auftakt der Reihe »Die Gereon-Rath-Romane« um den gleichnamigen Kölner Kriminalkommissar im Berlin der dreißiger Jahre, gelang Volker Kutscher der Durchbruch als Krimiautor. Der Roman wurde auf Anhieb ein Bestseller, ebenso wie die folgenden Bände. Auf "Der nasse Fisch" (2007) folgten "Der stumme Tod" (2009), "Goldstein" (2010), "Die Akte Vaterland" (2012), "Märzgefallene" (2014), "Lunapark" (2016) und "Marlow" (2018). Weitere Rath-Romane sind in Planung. Der von Kat Menschik illustrierte Band "Moabit" (2017) erzählt die Vorgeschichte von Charlotte Ritter.


    Inhalt

    Für den 15-jährigen Fritze, ehemaliges Straßenkind und kurzfristig Pflegesohn der Raths, zieht sich die Zeit endlos, bis er endlich volljährig ist und ihm niemand mehr Vorschriften machen kann. Inzwischen Pflegekind eines strammen HJ-Führers, wird Fritz im Sommer 1936 als Betreuer amerikanischer Leichtathleten ins Olympische Dorf abgeordnet. Der Junge verehrt Jesse Owens (weil er der beste Leichtathlet ist), hat nichts anderes im Kopf als ein Autogramm seines Idols, wird von Gleichaltrigen jedoch unbarmherzig damit konfrontiert, dass ein deutscher Junge nicht für einen schwarzen Spitzensportler zu schwärmen hat. Deutschland will sich der Welt ein letztes Mal von seiner besten Seite zeigen. Hinter vorgehaltener Hand wird jedoch geunkt, dass die Nazis nach dem Ende der Spiele die Zügel mit aller Härte anziehen werden. Als Fritz im Speisesaal Augenzeuge wird, wie ein amerikanischer Sportfunktionär tot zusammenbricht, ist für den Jungen das internationale Flair der Spiele beendet.


    Gereon Rath wurde inzwischen offiziell dem LKA zugeteilt – er arbeitet unwillig unter seinem ehemaligen Untergebenen Gräf. Dass er als deutscher Kriminalbeamter noch immer kein Parteimitglied ist, hätte schon längst das Ende von Raths Karriere einläuten müssen. Als der unbequeme Kriminaler für die Ermittlungen im Olympischen Dorf zum zuständigen Polizeiposten abgeordnet wird, erfreut das niemanden. Ein Kollege muss deshalb in seine Heimatstadt zurück versetzt werden, das Team fühlt sich in der Person von Rath von der Gestapo kontrolliert – und Rath selbst fremdelt noch mit seinem Einsatz als Befehlsempfänger Gräfs. Weitere Todesfälle an verschiedenen Orten werfen die Frage nach einem Zusammenhang auf und bringen Rath ganz persönlich in Gefahr. Unter dem Deckmantel der Olympischen Spielen sind aus den USA überraschend Personen eingereist, die in Berlin noch alte Rechnungen zu begleichen haben und die sich darauf verlassen, unentdeckt in den Besuchermassen untertauchen zu können.


    Im Privatleben der Raths kommt es derweil zu einer gefährlichen Zuspitzung, weil sowohl Charlotte als auch Gereon ihrem Partner entscheidende Dinge verschweigen, um den anderen nicht in Gefahr zu bringen. Beide Partner haben sich mit ihrem Hang zu Alleingängen in eine aussichtslose Situation manövriert - unter diesem Regime kann es nach menschlichem Ermessen für sie keinen Ausweg geben. Wäre da nicht der Prolog … Vor dem spektakulären Showdown wird Rath jedoch mit seiner Vergangenheit konfrontiert – deren Verständnis zumindest Kenntnis des 7. Serien-Bandes „Marlow“ voraussetzt. Die Figur der Charlotte Rath wirkt auf mich zwar glaubwürdig in ihrer Zerrissenheit zwischen Regimekritik und dem Zwang, irgendwie zu überleben, sie zeigt jedoch auch Züge, die ich einer Frau ihrer Bildung und ihrer Generation nicht abnehme. Irritierend fand ich, dass die Begriffe Olympiade und Olympische Spiele synonym verwendet werden – darauf haben Raths Figuren im Eifer des Gefechts nicht geachtet.


    Fazit

    Der allgegenwärtigen Furcht der Beteiligten – mit dem Konzentrationslager vor Augen - von den Nazis bespitzelt zu werden, konnte ich mich hier selbst aus der Distanz nur schwer entziehen. Im bekannten Sound vermittelt Kutscher die Atmosphäre Berlins 1936 und lässt dazu wie auf einer Sightseeing-Tour entscheidende Gespräche auf den Zuschauersitzen von Sportstätten stattfinden.


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    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Naylor - Die Stimme der Kraken

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    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Von den unangenehmen Veränderungen, die sich in den letzten Jahren zunehmend in Berlin ausgebreitet haben, ist plötzlich nicht mehr viel zu spüren, denn Deutschland will sich mit der Olympiade positiv in der Welt darstellen. Man befürchtet allerdings, dass die Kommunisten die Spiele sabotieren könnten. Daher muss der Todesfall im olympischen Dorf unbedingt ein natürlicher Tod sein, damit die Welt nur Positives sieht. Rath wird vom LKA abgezogen und soll für den SD in dieser Richtung unauffällig ermitteln, damit niemand die Todesursache anzweifeln kann. Aber Gereon Rath ist nun einmal wie er ist, er geht seine eigenen Wege, dabei muss er vorsichtig sein, denn Obersturmbannführer Sebastian Tornow wartet nur darauf, dass Rath einen Fehler macht. Während Gereon seine Ermittlungen führt, zieht Charly wieder zu ihrer Freundin Greta, denn sie ist wütend, weil Gereon gegen ihren Willen amerikanische Olympiatouristen aufgenommen hat. Ein Zeuge mit kommunistischer Vergangenheit wird festgenommen, obwohl Rath von seiner Unschuld überzeugt ist. Dann geschieht noch ein weiterer Mord und bald zeigt sich, dass der letzte Fall noch sein Nachspiel hat. Gereon befürchtet schon, dass Marlow wieder in der Stadt ist. Es wird immer enger für Rath. Wird er heil aus der Sache herauskommen?


    Ich hatte schon sehnsüchtig auf die Fortsetzung der Rath-Reihe gewartet und auch dieses Mal wurde ich nicht enttäuscht. Volker Kutscher geling es immer wieder mich zu packen. Beim Lesen konnte ich gut nachvollziehen, wie man sich fühlen muss, wenn man kein freund des Systems ist und immer ganz vorsichtig sein muss, weil man denunziert werden könnte. Rath hat immer versucht unter dem Radas der Nazis zu bleiben, doch dass ist nun nicht mehr möglich. Auch der Berliner Pflanze Charly fällt es immer schwerer, in diesem Deutschland zu leben, in dem Recht und Gesetz keine Bedeutung mehr haben. Obwohl die Raths in diesen Zeiten mehr den je zusammenhalten sollten, haben sie immer noch Geheimnisse voreinander. Mir aber hat Fritze leidgetan, der den Boden unter den Füßen verloren hat. Er, der Junge von der Straße, war stolz darauf, die weiße Uniform des Jugendehrendienstes zu tragen. Bei den Raths hat er sich wohl gefühlt, doch dann hat ihn das Jugendamt in die Familie von HJ-Führer Rademann gesteckt. Doch dann verliert er das Vertrauen in alles, was ihm wichtig war.


    Dieser Wechsel zwischen Olympia-Euphorie und den Machenschaften, die im Hintergrund laufen, war schon erschreckend. Aber es war auch spannend zu erleben, wie Rath in seinem Fall weiterermittelt, obwohl die Leine, an die man ihn hält, immer kürzer wird. Dann hat es auch noch jemand auf sein Leben abgesehen. Am Ende wird es sehr dramatisch und für mich bleiben eine Menge Fragen offen. Leider wird es wohl wieder lange zwei Jahre dauern, bis ich hierauf Antworten bekomme.


    Ein großartiger, gut recherchierter Kriminalroman, der mich wieder von Anfang an gefesselt hat.

  • Das Buch ist der inzwischen achte Band der Reihe um Gereon Rath. Zum Verständnis sollte man die Vorgängerbände gelesen haben, denn es wird immer mal Bezug auf Ereignisse oder Personen aus den anderen Bänden ohne nähere Erklärung genommen.

    Das Buch spielt während der Olympiade in Berlin. Dem Autor ist es gut gelungen, die Atmosphäre in der Stadt und auch im olympischen Dorf wiederzugeben. Dasselbe gilt auch für die wachsende Angst vor Verfolgung. Gereon gerät auch immer mehr zwischen die Fronten und muss unfreiwillig als Handlanger für die SS arbeiten. Darunter leidet auch seine Ehe, denn Charly hat mit dem System nichts am Hut.

    Das Buch lebt von der Atmosphäre. Ein spannender Krimi ist es nicht, obwohl es einige Tote gibt.

    Für mich ist es der gelungene Abschluss der Reihe. Eine Fortsetzung kann ich mir nicht vorstellen.

    Sub: 5537:twisted: (Start 2024: 5533)

    Gelesen 2024: 14 / 1 abgebrochen

    gelesen 2023: 55/ 2 abgebrochen / 26075 Seiten

    gelesen 2022: 65 / 26292 Seiten

    gelesen 2021: 94 / 1 abgebrochen / 35469 Seiten


    :montag: Anders Roslund - Engelsgabe

    :study: John Katzenbach - Der Wolf


    Lesen... das geht 1 bis 2 Jahre gut, aber dann ist man süchtig danach.

  • Am Ende wird es sehr dramatisch und für mich bleiben eine Menge Fragen offen. Leider wird es wohl wieder lange zwei Jahre dauern, bis ich hierauf Antworten bekomme.

    Ich kann mir nicht vorstellen, dass da nochmal was in dieser Besetzung kommt, denn

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    Gelesen 2024: 14 / 1 abgebrochen

    gelesen 2023: 55/ 2 abgebrochen / 26075 Seiten

    gelesen 2022: 65 / 26292 Seiten

    gelesen 2021: 94 / 1 abgebrochen / 35469 Seiten


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    Lesen... das geht 1 bis 2 Jahre gut, aber dann ist man süchtig danach.

  • Am Ende wird es sehr dramatisch und für mich bleiben eine Menge Fragen offen. Leider wird es wohl wieder lange zwei Jahre dauern, bis ich hierauf Antworten bekomme.

    Ich kann mir nicht vorstellen, dass da nochmal was in dieser Besetzung kommt, denn

    Bitte meinen Beiträgen keine Herzen geben, ich verteile auch keine.


    "Nicht jedes Buch ist seinem Klappentext gewachsen." (Peter Schifferli, Schweizer Verleger, 1921–1980)

  • Ich kann mir nicht vorstellen, dass da nochmal was in dieser Besetzung kommt, denn

    Dann lies mal den Prolog. Warum sollten sonst diese Personen so genau beschrieben werden?

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  • Ich kann mir nicht vorstellen, dass da nochmal was in dieser Besetzung kommt, denn

    In zwischen habe ich gelesen, dass es zwei Nachfolgebände geben soll.

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    gelesen 2023: 55/ 2 abgebrochen / 26075 Seiten

    gelesen 2022: 65 / 26292 Seiten

    gelesen 2021: 94 / 1 abgebrochen / 35469 Seiten


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    Lesen... das geht 1 bis 2 Jahre gut, aber dann ist man süchtig danach.

  • Berlin, 1936: Ein Toter im olympischen Dorf, noch dazu ermordet – für das von diesem Ereignis erhoffte Prestige für das Deutsche Reich ist das gar nicht gut, womöglich handelt es sich sogar um eine Verschwörung. Man kommandiert daher Gereon Rath in die Polizeiwache vor Ort ab, damit er den Vorfall heimlich untersuchen kann.


    Gereon hat sich erpressbar gemacht, Charlie tut zusammen mit Wilhelm Böhm Dinge, die sie in große Gefahr bringen könnten und Fritze wurde in eine neue Pflegefamilie gegeben – wo wir die Charaktere im letzten Band verlassen haben, treffen wir sie nun wieder. Die Hintergrundgeschichte rund um die Olympiade ist gut gewählt, sie war ein herausragendes Ereignis jenes Jahres und zeigt einmal mehr die Wahrheit hinter der Fassade der nationalsozialistischen Partei, man muss nur genau hinschauen. Nebenerzählungen, wie die um Fritz, der als Mitglied des Ehrenjugenddienstes auch im olympischen Dorf ist, oder um Herbert Ehlers, der verdächtigt wird und schließlich in den grausamen Mühlen des Nationalsozialismus gerät, sowie Charlies aus heutiger Sicht naive Bemühungen, für Gerechtigkeit zu sorgen – all das lässt den Leser mehr als einmal schlucken.


    Der Autor erzählt gewohnt atmosphärisch und nimmt den Leser mit in das nationalsozialische Deutschland, das olympische Dorf, das Olympiastadion, aber auch an andere Orte, das Kopfkino hat zu tun, man hat oft das Gefühl, mittendrin zu sein, und das ist nicht immer schön – bedenkt man Zeit und Ort.


    Der ursprüngliche Fall weitet sich immer mehr aus und wird immer komplexer, Gereon und auch Charlie verstricken sich mehr und mehr, und schließlich wird klar, dass sie besser das Land verlassen sollten – doch auch das ist – natürlich – wesentlich schwieriger als erwartet. Mit dem Ende dieses Romans hätte ich dann in dieser Form nicht gerechnet. Band 8 der Reihe scheint dieser ein Ende zu setzen, doch erst kürzlich las ich, dass der Autor zehn Bände geplant hat – wie das nach diesem Ende aussehen soll, kann ich mir derzeit nicht vorstellen, ich bin gespannt.


    Band 8 hat die Reihe gelungen weitererzählt, der historische Hintergrund, der Fall und die Geschichten der Charaktere sind wie gewohnt gut miteinander verwoben. Ich empfehle die Romane der Reihe nach zu lesen, gerade die letzten bauen sehr aufeinander auf. Ich vergebe gute 4 Sterne und eine Leseempfehlung für die gesamte Reihe.

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    Wie oft bin ich an den Resten des Olympischen Dorfes vorbei gefahren, jedes Mal wenn ich nach Berlin fuhr sah man kurz vor der Stadtgrenze links und rechts der B5 verlassene und verfallende Häuser und Wohnblöcke (die russischen Soldaten bauten später noch zahlreiche Häuser als Unterkünfte hinzu). Und jetzt ermittelt Gereon Rath also dort, anno 1936. Ein Mord ist passiert, der allerdings nicht als solcher publik gemacht werden darf! Das Ansehen des Reiches in aller Welt wäre dadurch gefährdet. Also ermittelt Rath auf eigene Weise, und erhält Unterstützung von Pflegesohn Fritzi und seiner Frau Charly.


    Diesem Teil konnte man relativ einfach folgen. Etwas verzwickter wurde es da schon mit den zwischendurch eingestreuten Todesfällen, die ein Regiment von Göring betreffen. Da wurde vieles erstmal nur angedeutet, bis die Geschichte später wieder darauf zurück kam. Aber man braucht ja auch ein bisschen Futter für 500+ Seiten, da reicht so ein 'einfacher' Mordfall auch nicht aus.


    Wobei Kutscher sich eh nicht nur auf die Kriminalfälle konzentriert, sondern ein buntes Bild von Berlin in diesem Sommer 1936 zeichnet, was ihm auch hervorragend gelungen ist. Ich mag seinen Schreibstil sehr! Das alltägliche Berlin, die Szenen mit Charly und vor allem auch die Geschichte rund um Fritze interessierten mich ehrlich gesagt oft auch mehr als die Intrigen innerhalb des Nazi-Apparates. Wobei es gegen Ende hin dann doch mal richtig spannend wurde.


    Als 'Recherche-Junkie' musste ständig Namen oder anderes googeln, und mir auf alten Fotos anschauen wie zB der 'Bellamy Salute' ausgesehen hat, den die Hochspringer gemacht haben, oder ob es den Konservenfabrikant Morgan wirklich gab (es gab zumindest eine Firma dieses Namens), wie das Leben von Jesse Owens nach diesen Wahnsinnserfolgen weiterging (im Grunde ging es schon kurz danach nur noch bergab, weil ihm die Amateurlizenz entzogen wurde), und vieles vieles mehr!


    Es würde mich sehr freuen, wenn auch die TV-Serie "Babylon Berlin" bis zu diesem Teil fortgesetzt werden würde. Und vor allem bin ich gespannt, ob und wie lange Kutscher die Reihe noch fortsetzen wird.

  • In zwischen habe ich gelesen, dass es zwei Nachfolgebände geben soll.

    Also mich würde das echt freuen, denn ich lese die Gereon-Rath-Romane echt gerne.

    Das es bei dem Unglück Überlebende gab, wusste ich auch nicht. Da sieht man mal wieder, was fehlende Bildung für üble Folgen haben kann...

    With freedom, books, flowers, and the moon, who could not be happy? ― Oscar Wilde

  • Fritze ist stolz wie Oskar - Berlin rüstet sich für Olympia 1936 und er ist ganz vorne mit dabei, als "Ehrendienstjunge" der amerikanischen Leichtathletikmannschaft zugeteilt und somit ganz nahe dran an Jesse Owens und anderen Sportidolen. Was für ein verlogenes Schauspiel diese Olympischen Spiele sind, wenn man genauer hinschaut, ist nichts, worüber er nachdenkt (oder nachdenken will?) Aber er lebt ja auch nicht mehr in einem Umfeld, in dem kritisches Denken gefördert wird, seit er von den Raths fort musste und bei stramm linientreuen Pflegeeltern lebt.


    Charly Rath hingegen ist das alles nur zuwider, diese demonstrativ zur Schau getragene Weltoffenheit, hinter deren dünner Fassade sich die ekelhafte Ideologie der braunen Machthaber für die Dauer der Spiele verstecken soll. Mit ihrer heimlichen Tätigkeit als Fluchthelferin für jüdische Mitbürger, die das Land verlassen wollen, lehnt sie sich ziemlich weit aus dem Fenster und nicht einmal Gereon weiß davon.


    Der wird seinerseits in die Polizeidienststelle beim Olympischen Dorf abkommandiert, wo er versteckt ermitteln soll, weil man fürchtet, dass es sich beim angeblichen Herztod eines US-Sportfunktionärs um einen Mordanschlag gehandelt haben könnte und die Kommunisten dahinterstecken. Dabei stößt Gereon auf viele Ungereimtheiten, alte Bekannte und einen jungen Zeugen des Todesfalls, den er nur zu gut kennt.


    "Olympia" ist wie seine Vorgängerbände gleichzeitig hochspannender, verzwickter Krimi und detailgetreues Abbild der Zeit, in der es spielt. Das Olympische Dorf und die Spiele bilden einen ganz besonderen Background für die Krimihandlung, man taucht richtig ein in die Mischung aus Event-Euphorie und dem Wissen, dass das alles nur Staffage ist und sich dahinter derselbe Nazisumpf verbirgt, der schon in den vorherigen Büchern für ein sehr beklemmendes Gefühl gesorgt hat.


    Fritze gefiel mir als Figur in diesem Buch sehr, Kutscher fängt sehr schön ein, wie seine so wohlgeordnet scheinende Welt ins Wanken gerät und er plötzlich gar nicht mehr weiß, was er noch glauben soll. Aber auch Charly und Rath stecken permanent in Zwickmühlen, wobei die Einquartierung von US-Olympiatouristen zum speziellen Zankapfel zwischen den Eheleuten wird, aber bei weitem nicht das schlimmste ihrer Probleme ist. Es sind ganz einfach bedrückende Zeiten, in denen nichts, aber auch gar nichts mehr einfach ist.


    Krimi, Zeitgeschichte und menschliche Schicksale sind hier wieder einmal auf das Allerbeste verquickt, so dass ich das Buch regelrecht verschlungen habe - nur um am Ende einen wirklich hundsgemeinen Cliffhanger vorzufinden, der mich vermutlich vor Frustration hätte schreien lassen, wenn ich das Buch direkt bei Erscheinen gelesen hätte. Inzwischen gibt es ja bereits den Nachfolger, den ich sicherlich nicht lange warten lassen kann, weil ich so gespannt bin, wie es weitergeht.

  • Irritierend fand ich, dass die Begriffe Olympiade und Olympische Spiele synonym verwendet werden

    Aufgefallen ist mir das auch, ich fand es aber gerade glaubwürdig, weil das ja im richtigen Leben auch ständig gleichgesetzt wird. (Und ich gebe zu, dass ich lange selbst nicht wusste, dass das nicht dasselbe ist.)

  • Den letzten Band "Transatlantik" habe ich noch nicht gelesen, aber mir gerade die 4.Staffel Babylon Berlin in der Mediathek angeschaut.

    Leider muss ich sagen, dass die Serie immer weniger mit den hervoragenden Romanvorlagen zu tun hat. Figuren sterben früh (Greta), obwohl sie in späteren Bänden wichtige Rollen übernehmen, Figuren tauchen auf, die ich im Roman nicht erkenne (Fabrikant Nyssen).

    Die merkwürdige, teils düstere, teils euphorische Stimmung in der Gesellschaft, die tiefgehende Beeinflussung der Menschen wird meines Erachtens im Film nicht rübergebracht.

    Ob ich mir eine 5. Staffel antue, weiß ich noch nicht.

    Das Leben ist zu kurz für schlechte Laune. :tanzen:


    Wer Bücher verschenkt, verschenkt Wertpapiere! :applause:

  • Ich mochte auch die Serie, aber sie ist sehr viel reißerischer als die Buchvorlage. Und was ich von den Figuren, die zusätzlich eingeführt wurden oder sich ganz anders entwickeln, wirklich halte, weiß ich auch noch nicht so recht.


    Am schlimmsten fand ich diesen fürchterlichen Arzt mit seinen seltsamen Experimenten. Der hat so gar keinen Bezug zum Buch.

  • Irritierend fand ich, dass die Begriffe Olympiade und Olympische Spiele synonym verwendet werden

    Aufgefallen ist mir das auch, ich fand es aber gerade glaubwürdig, weil das ja im richtigen Leben auch ständig gleichgesetzt wird. (Und ich gebe zu, dass ich lange selbst nicht wusste, dass das nicht dasselbe ist.)

    Meine Mutter war Zeitzeugin, Teilnehmerin an "Jugend trainiert für Olympia" - und ihre Generation hat definitiv zum Ereignis "Olympiade" gesagt.

    :study: -- Damasio - Gegenwind

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    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Dann passt es ja :)


    Diese Olympia-Atmosphäre im Buch fand ich schon sehr besonders. Einerseits weiß man um den abscheulichen historischen Hintergrund und andererseits spürt man doch den Reiz des Events, gerade aus Fritzes Sicht. Die Szenen, in denen der mit "seinem" Sportler, dem Hochspringer Dave Albritton, interagiert, mochte ich sehr.

  • (Und ich gebe zu, dass ich lange selbst nicht wusste, dass das nicht dasselbe ist.)

    Ich wusste es bis jetzt auch noch nicht, hab es grad recherchiert :ergeben:

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • Ich habe bei der Serie schon nach den ersten Teilen aufgegeben. Irgendwie passte es nicht für mich.

    Sub: 5537:twisted: (Start 2024: 5533)

    Gelesen 2024: 14 / 1 abgebrochen

    gelesen 2023: 55/ 2 abgebrochen / 26075 Seiten

    gelesen 2022: 65 / 26292 Seiten

    gelesen 2021: 94 / 1 abgebrochen / 35469 Seiten


    :montag: Anders Roslund - Engelsgabe

    :study: John Katzenbach - Der Wolf


    Lesen... das geht 1 bis 2 Jahre gut, aber dann ist man süchtig danach.