Seelenschrei
Alexanders Leben könnte nicht besser sein. Er ist nicht nur beruflich sehr erfolgreich, sondern hat mit Ehefrau Claudia und seinen vier Kindern auch eine glückliche Familie, zu der er nach Geschäftsreisen immer wieder gern zurückkehrt. Doch von einem Tag auf den anderen stürzt Alex Kartenhaus zusammen, als er die Diagnose Multiple Sklerose bekommt. Erst will er die Krankheit ignorieren, doch sie schlägt mit aller Macht zurück und bedroht nicht nur seine berufliche Karriere, sondern vor allem auch sein Familienleben…
In Kooperation mit Alexander Hartwig hat das Autorenduo Julia Drosten mit „Meine Seele schreit so laut“ einen sehr berührenden und nachdenklich stimmenden Roman über ein Schicksal vorgelegt, dass jeden Menschen unvorhergesehen ereilen kann. Das Buch beschreibt den Leidens- und Findungsweg von Alexander Hartwig, dessen Leben nach der Konfrontation mit der Diagnose aus den Fugen gerät und ihn dazu zwingt, sich sowohl mit der Krankheit MS auseinander zu setzen als auch über die Folgen für sich, seine Familie und seinen Beruf nachzudenken. Der flüssig-leichte und bildreiche Erzählstil in der Ich-Form lässt den Leser für die Dauer von 380 Buchseiten in die Fussstapfen Alexanders treten, seine Gedanken- und Gefühlswelt genauestens erkunden, während man genügend Raum hat, eigene Überlegungen anzustellen, wie man wohl selbst in dieser oder jener Situation entschieden hätte. Eindrucksvoll wird in dieser Geschichte aufgezeigt, wie Alexander zuerst mit völliger Verleugnung über den unvorhersehbaren Zusammenbruch bis hin zur Kampfansage nebst unterschiedlichen Therapieformen aus sich herauswächst und sich seinem Schicksal stellt. Eine schwere Krankheit macht vor niemandem Halt, auch die Familienangehörigen haben schwer daran zu tragen und hier stellt sich innerhalb der Handlung die Frage, inwieweit die engsten Vertrauten diese Krankheit und deren Verlauf mitzutragen bereit sind, denn auch für sie wird sich einiges ändern. Verlässliche Partner und Freunde, aber auch Berufskollegen oder neue Bekanntschaften können sowohl Bürde als auch Stütze sein, je nachdem, wie stark man sie als Betroffener einbinden und an sich heranlassen möchte. Interessant war in dieser Geschichte auch der christliche Aspekt, denn Alexander hatte mit Gott nicht viel am Hut, versucht aber, je mehr die Krankheit fortschreitet, sich dem Glauben etwas mehr zuzuwenden, um auch daraus Kraft zu schöpfen.
Eindrucksvoll sind die Charaktere herausgearbeitet, die mit echten Ecken und Kanten überzeugen können und so menschliche Züge haben, dass der Leser konstant den Eindruck hat, Alexanders „Lebensbeichte“ zu lauschen, bei denen auch andere zu Wort kommen. Alexander selbst wirkt zu Beginn großspurig, sehr selbstsicher und erfolgsverwöhnt. Doch im weiteren Verlauf macht er eine Entwicklung durch, wird demütiger und kämpferischer. Ehefrau Claudia dagegen enttäuscht auf ganzer Linie, sie hat zwar allen Grund, böse auf Alexander zu sein, doch ihr Verhalten wird dadurch nicht gerechtfertigt. Gerade in seinen dunkelsten Stunden glänzt sie durch Abwesenheit oder Gleichgültigkeit, die kaum zu ertragen ist und beim Leser Wut auslöst. Nina wird selbst vom Schicksal gebeutelt und muss ihr Leben völlig neu definieren, steht aber wie eine Wand hinter Alexander, obwohl die beiden sich erst kurz kennen. Ebenso können Marco und Heidi überzeugen, die Alexander in seinem zukünftigen Leben sicher eine Anlaufstelle bieten, wo er Unterstützung findet.
„Meine Seele schreit so laut“ ist eine Geschichte, wie das Leben sie schreibt. Ein Schicksalsschlag, der nicht nur für den Betroffenen einen Einschnitt bedeutet, sondern auch für alle, die eng mit ihm verbunden sind. Dass man niemals die Hoffnung aufgeben und für das kämpfen sollte, was einem wichtig ist, wird hier auf eindrucksvolle Weise deutlich gemacht. Eine Geschichte mit viel Stoff zum Nachdenken. Toll gemacht!