Conrad Ferdinand Meyer - Der Heilige

  • Autor: Conrad Ferdinand Meyer
    Titel: Der Heilige, erschien erstmals 1880
    Seiten: 116 Seiten
    Verlag: Europäischer Literaturverlag
    ISBN: 9783959090148


    Der Autor:
    Conrad Ferdinand Meyer, geboren 1825 in Zürich und gestorben 1898 in Kilchberg, war ein Schweizer Dichter, der insbesondere durch seine historischen Novellen berühmt wurde, bspw Das Amulett
    Seit 1937 wird jährlich durch die Stadt Zürich der Conrad-Ferdinand-Meyer-Preis an Künstler, Wissenschaftler oder Schriftsteller verliehen, die einen engen Bezug zur Stadt Zürich haben.


    Inhalt: (Klappentext, gekürzt, siehe Spoiler)
    Im Zentrum dieser 1877 erschienen Novelle steht die historische Figur des 1170 ermordeten und später heiliggesprochenen Thomas Becket, Erzbischof von Canterbury und Lordkanzler des englischen Königs Heinrich II. Becket, eine für Conrad Ferdinand Meyer »rätselhafte Figur«, dient seinem König hingebungsvoll im Kampf gegen die Geistlichkeit. ... Doch dann wandelt sich der kalte Machtmensch Becket, der sich nun gegen den König stellt und für die Rechte der Kirche und der unterdrückten Sachsen einsetzt. Heinrich lässt ihn als Verräter verurteilen und des Landes verweisen, schließlich wird Becket nach einem Wutanfall des Königs von vier Rittern auf den Altarstufen der Kathedrale von Canterbury ermordet.


    Meinung:
    Ich hatte mir diese Novelle besorgt, weil ich generell die Geschichte um Thomas Becket und König Heinrich II. spannend finde. Der einst hochgelobte Becket wendet sich gegen seinen mächtigen Freund als er zum Erzbischof berufen wird… Das bietet Stoff für reichlich Drama. Ich hatte kürzlich «Mord im Dom» gelesen, und wollte noch ein wenig mehr in diese Historie eintauchen. Aber überraschenderweise hatte ich schon Mühe mit dem Schreibstil. Ich kannte bereits C. F. Meyers Novelle «Das Amulett», welche mir sehr gefiel, und auch die verschachtelte Erzählstruktur mit Rahmenhandlung finde ich sehr gelungen, aber Spannung kam beim Lesen gar keine auf.
    Erstmals empfinde ich, dass man es mit Adjektiven übertreiben kann, zumal sie ausschließlich attributiv eingesetzt werden:

    Zitat von Seite 30

    Da geschah es, dass der verzärtelte Kanzler die Unholdin in ihrem ekeln Kerker aufsuchte und sich ihre verlassene Jugend und ihren spätern Umgang mit dem Teufel erzählen ließ.

    Einmal genervt davon, sah ich nur noch leichtsinnige Weiber, durchdringendes Geschrei, fliegende Mähnen, tugendhafte Tränen, demütigende Christen, usw. Ausgiebigere Beschreibungen findet man nicht im Text, alles wird mit einem Adjektiv versehen und das muss dann auch genügen.
    Mühsam las ich weiter und war dann so richtig niedergeschlagen von einer völlig frei erfundenen Passage, ohne jegliche historische Substanz, die für den Spannungsaufbau zwischen Becket und seinem König gar nicht nötig gewesen wäre:

    Der eigentliche Konflikt um die gerichtliche Zuständigkeit für Kleriker hätte doch ausreichend Potential für die Entfremdung der beiden Protagonisten gegeben. Mir völlig unverständlich, weshalb eine solche «Actionszene» eingebaut werden musste. Verärgert las ich den kurzen Text dann zu Ende, wobei lediglich der Gegensatz zwischen dem «lebenslustigen», Jäger und Frauenheld König Heinrich II und dem intellektuellen, in sich gekehrten Thomas Becket einigermaßen Unterhaltung bot.

    Fazit: historisch ungenau, um es mal milde auszudrücken, sprachlich schwer angestaubt und völlig spannungsarm.