Inhalt:
In einer Welt, in der der sprichwörtliche Dolch im Rücken gerne wörtlich genommen wird, ist es gefährlich ohne Verbündete. Das spürt nicht nur der Soldat Leo dan Brock, der an der erbittert umkämpften Grenze Anglands auf die Hilfe des Königs wartet. Auch Savine dan Glokta, Tochter des meistgehassten Mannes der Union, muss auf ihrem Weg an die Spitze der Gesellschaft erkennen, dass Wille allein noch keine Macht sichert. Und während neue Kräfte Chaos stiften, erhebt sich auch die alte Magie noch einmal, als die Häuptlingstochter Rikke mithilfe einer verrückten Hexe ihre eigenen Zauberkräfte zu entdecken beginnt. Doch zu welchem Preis?
Meine Meinung:
Als Fan einer Buch Reihe tut es immer ein bisschen weh, sich von lieb gewonnen Helden zu verabschieden und selbst der Verlust alter Feinde wiegt schwer.
Abercrombie geht hier den richtigen Weg, indem er seinen neuen Protagonisten viel Zeit einräumt, um die Herzen der Leser zu gewinnen.
Erst wenn man wirklich das Gefühl hat sie gut zu kennen, verwebt er sie geschickt mit den Bezügen der alten Bücher.
Hierbei spielt der Autor routiniert seine Stärken aus, wenn er den Fokus zunächst gänzlich auf die neuen Helden setzt und erst im späteren Verlauf immer mehr Bezüge zu früheren Bänden herstellt.
Das tut er derart geschickt, dass es schlüssig wirkt und nicht zum bloßen Fanservice verkommt.
Ein bisschen Kritik muss ich nur dafür üben, dass der Einstieg vielleicht einen Tick zu lange dauert und der Autor einmal zu oft jemand Neues einführt, wenn ich gerade dachte, nun würden die Fäden endlich zusammenlaufen. Glücklicherweise ist es ihm dann doch noch gelungen, rechtzeitig die Kurve zu kriegen.
Der Handlungsverlauf ist zunächst zweigeteilt.
Im Norden haben sich die Söhne des früheren Königs Bethod erhoben und überziehen das Land mit Krieg.
Ihr Ziel ist es, das Protektorat der Union zu zerschlagen und sich das gesamte Land einzuverleiben. Rücksichtslos ziehen sie durchs Land, zerstören Städte und brennen Dörfer nieder.
Die Truppen der Union, angeführt von Leo dan Brock - dem jungen Löwen - sind auf dem eiligen Rückzug und warten auf das Entsatzheer der Union, welches hoffentlich bald zur Unterstützung eintrifft.
Doch der Hochkönig hat ganz andere Probleme, denn nach diversen verlorenen Kriegen sind die Schatzkammern leer und seine Macht schwindet zusehends. Zudem ist das gesamte Land im Wandel begriffen, seit die industrielle Revolution begonnen hat.
Sein Sohn ist ein hoffnungsloser Herumtreiber, der sich lieber in Bordellen vergnügt und Drogen nimmt, statt sich in den Palästen auf seine eigene Regentschaft vorzubereiten. Der eigentliche Herrscher der Union ist der wunderbare Sand dan Glokta - einer meiner absoluten Lieblingsromanfiguren aller Zeiten - der inzwischen zum Erzlektor aufgestiegen ist und die Geschicke des Landes aus dem Verborgenen lenkt. Doch wem gegenüber ist er eigentlich loyal? Oder seine Tochter Savine, die inzwischen eine einflussreiche Geschäftsfrau ist und ihren märchenhaften Wohlstand auf dem Rücken der Arbeiter mehrt, die in den modernen Fabriken für sie schuften.
Damit - nachdem alle Figuren in Stellung gebracht sind - beginnt die eigentliche Geschichte.
Hier hat mich Abercrombie zum ersten Mal angenehm überrascht, denn "Zauberklingen" ist viel mehr als Fantasy Roman und spricht eine Vielzahl unterschiedlicher Themen an.
Wir verfolgen nämlich nicht nur bei den Figuren einen Generationenwechsel, sondern im Prinzip die coming of age Geschichte eines ganzen Landes und die Kollision der alten Werte, mit den Wirren der Moderne.
Während nämlich im Norden um die alte Krone gerungen wird, breitet sich in der Union bereits die industrielle Revolution aus. Moderne Maschinen sorgen dafür, dass Waren viel schneller und kostengünstiger produziert werden können und bald für größere Bevölkerungsgruppen zur Verfügung stehen.
Doch dieser Wandel hat natürlich auch Schattenseiten, denn plötzlich kann ein einziger Arbeiter die Tätigkeiten von neun anderen verrichten. Während der Adel seine Gewinne gnadenlos maximiert und auch vor Kinderarbeit nicht zurückschreckt, wird den einfachen Leuten ihre Existenzgrundlage entzogen.
Immer mehr Menschen sind arbeitslos und vom Lande her strömen ehemalige Bauern, Weber, Spinner und Kriegsversehrte in die Städte, um in den neuen Fabriken eine Arbeit zu finden.
Die Bedingungen verschlechtern sich dabei zusehends. Schon bald weht auch der Geist der Revolution durch die Straßen und die Arbeiter formieren sich zu immer radikaleren Gruppen.
Es kommt zu Aufständen, Anschläge werden verübt und die Herrschenden haben bald alle Hände voll zu tun, um die gewohnte Ordnung aufrecht zu erhalten.
Beim Lesen habe ich mich oft an Geschichtsstunden erinnert und an Erzählungen aus London oder anderen Großstädten. Dieser Wandel findet im Buch aber auch auf einer größeren Ebene statt, denn während im Norden noch die alten Riten, Hellseherei und Magie von Bedeutung sind, schlägt man sich in der Union bereits mit den Problemen der Neuzeit herum.
Das erinnerte mich dann unweigerlich an die jahrtausende alte Kultur der Samurai, die sich plötzlich ganzen Regimentern mit modernen Schusswaffen gegenüber sahen und bis zuletzt an der alten Weltordnung festhielten. Großartig, vor allem wenn man unerwartet, in einem Fantasy Roman, auf solche Themen stößt, die zum Nachdenken und recherchieren einladen.
Fazit:
Das hätte auch gehörig schief gehen können, ist es aber nicht. Die neuen Protagonisten wirken frisch und die alten Bezüge zu keiner Zeit, wie ein billiger Fan Service.
Joe Abercrombie ist es gelungen, seiner berühmten Romanreihe einen gekonnten Neustart zu verpassen und dabei die alten Stärken auszuspielen.
Die Welt fühlt sich immer noch vertraut genug an und bekommt durch ein paar alte Kämpen genau die richtige Würze, um mir als Leserin die Neuerungen schmackhaft zu machen.
Gleichzeitig gibt es aber auch genügend neue Elemente, sodass sich "Zauberklingen" wie ein Aufbruch anfühlt und nicht nach Geldmacherei. Hallo George R.R. Martin...
Deshalb kann ich nur eine Empfehlung aussprechen und freue mich bereits auf die Fortsetzung.