Klappentext:
Tommy Orange gibt mit seinem vielbesprochenen Bestseller "Dort dort" Native Americans eine Stimme. "Eine neue Art amerikanisches Epos." (New York Times)
Jacquie ist endlich nüchtern und will zu der Familie zurückkehren, die sie vor vielen Jahren verlassen hat. Dene sammelt mit einer alten Kamera Geschichten indianischen Lebens. Und Orvil will zum ersten Mal den Tanz der Vorfahren tanzen. Ihre Leben sind miteinander verwoben, und sie sind zum großen Powwow in Oakland gekommen, um ihre Traditionen zu feiern. Doch auch Tony ist dort, und Tony ist mit dunklen Absichten gekommen. "Dort dort" ist ein bahnbrechender Roman, der die Geschichte der Native Americans neu erzählt und ein Netz aufwühlend realer Figuren aufspannt, die alle an einem schicksalhaften Tag aufeinandertreffen. Man liest ihn gebannt von seiner Wucht und seiner Schönheit, bis hin zum unerbittlichen Finale.
Autorenbio (von Amazon):
Tommy Orange, geboren 1982 in Oakland, ist Mitglied der Cheyenne und Arapaho Tribes. Er lebt mit seiner Frau und seinem Sohn in Angels Camp, Kalifornien.
Rezension:
Ein Blick auf den wahren Amerikaner
Tommy Orange hat mit "Dort dort" ein Buch geschrieben, welches mich tief beeindruckt hat und mich zu wahren Begeisterungsstürmen gebracht hat. Nun befasse ich mich mit der Geschichte der amerikanischen Ureinwohner, der Indianer und Inuit von klein auf. Angefangen hat dies bei mir mit den Filmen von Gojko Mitic, den Büchern von Lieselotte Welskopf-Henrich und Eva Lips, weiter ging es mit den Büchern von Miloslav Stingl und Erich Wustmann. Und dann war sie da, die Liebe zu der Urbevölkerung Amerikas. Heute füllen ethnographische und historische Abhandlungen über die Bevölkerung von Alaska bis Feuerland fast zwei Regalschränke in meinem Wohnzimmer. Einst war die Ethnographie ein Berufswunsch, heute ist sie Hobby. Und über die Jahre hat sich ein gewisses Wissen um die Bewohner Amerikas angesammelt. Und aus diesem Wissen heraus ist es meiner Meinung nach schon lange an der Zeit, dass die amerikanischen Staaten, und damit meine ich alle!, differenzierter und realitätsbewusster auf die Geschichte schauen und der Urbevölkerung endlich einen angestammten und situationsgerechten Platz in ihren Ländern einräumen. Ich befürchte dies wird nie geschehen. Aber uns Europäern und unseren Nachfahren in Amerika sollte klar sein, dass Amerika nicht unsere Heimat ist, sondern wir die Eingewanderten und Aggressoren sind und der ursprünglichen Bevölkerung seither das Leben schwer gemacht haben, bzw. ihnen das Leben genommen haben. Man muss sich mal vor Augen führen, in fast allen einstigen Kolonien haben sich die Kolonisatoren zurückgezogen und der ursprünglichen Bevölkerung mehr oder weniger wieder die führende Position überlassen. Nur in Amerika nicht! Dies hat natürlich Folgen! Man muss sich ebenso mal vor Augen führen, dass die Zeit der Indianerkriege/ die Zeit der Massaker an der indianischen Urbevölkerung erst Ende des 19. Jahrhunderts zu Ende gegangen ist. Die Zeit der Diskriminierung aber nicht! Indianerkinder wurden noch sehr lange den Eltern weggenommen und in Internate gesteckt, um sie zu entindianisieren, was für ein Wort, indianische Sprache und indianische Kultur waren den Kindern hier bei Strafe untersagt, dies ging in einigen Teilen Amerikas(Kanada) bis fast Ende des zwanzigsten Jahrhunderts hinein so, dies muss man sich mal vorstellen! Dies ist eine gewollte Entwurzelung und macht natürlich etwas mit den Betroffenen! In den USA formierte sich Ende der 60er Jahre indianischer Widerstand, das American Indian Movement (AIM), deren Aktionen auch hier im Buch beschrieben werden, die bekanntesten waren die Besetzung der ehemaligen Gefängnisinsel Alcatraz und die Besetzung des ehemaligen Geländes des Massakers am Wounded Knee. Diese Entwurzelung, die Entrechtung und das Abschieben der Indianer in meist recht unwirtliche Gebiete haben natürlich Folgen, meist wirtschaftliche, aber natürlich auch psychische. Natürlich ist mittlerweile auch ein Wandel in Amerika im Gange. Und auf dieses Konglomerat wirft Tommy Orange mit seinem Buch einen interessanten und echt gelungenen Blick, einen Blick aus den Augen eines Indianers. Tommy Orange ist selbst ein Angehöriger des Cheyenne und Arapahoe Stammes und gerade dies macht diesen Blick auch so authentisch. Man merkt der Sprache in einer kleinen Prise den indianischen Ursprung des Autors an und man bemerkt auch einen gewissen Humor des Autors, etwas was mir bei der Schwere des Themas sehr gefallen hat. In diesem Buch blicken verschiedene indianische Menschen auf ihr Leben und kommen ins Sinnieren und gewähren dem Leser Einblicke in indianisches Leben und Befinden, die anfangs einzeln dastehenden Geschichten verflechten sich nach und nach, bevor es am Ende in einem gewaltigen Finale mündet. Ein Finale, wo ich mich frage, welches Finale den heutigen Indianer in Amerika erwartet? Ein Buch, welches bitter nötig ist und ein Buch, dem hoffentlich noch weitere folgen, um den Blick in Amerika endlich mal indianischer werden zu lassen. Lesen!