Charlotte Roth - Die ganze Welt ist eine große Geschichte, und wir spielen darin mit

  • Lebendige Innenwelten


    Ich bin mit einer gewissen Skepsis, oder nein, achtsamen Aufmerksamkeit an dieses Buch herangegangen. Denn den Begriff „Romanbiographie“ hatte ich zwar schon gehört, konnte mir darunter bislang aber nicht viel vorstellen. Und zweitens bin ich geübter Leser von Biographien – auch von Michael Ende kenne ich schon welche, da er mit zu meinen Lieblingsautoren zählt. Die begeisterte Rezension einer Lesefreundin hat mich dann schließlich überzeugt – ich wollte Charlotte Roth eine Chance geben.


    Wie ich nun allerdings mein Leseerlebnis in passende Worte kleiden soll, erscheint mir mehr als schwierig. Das Buch ist weder mit „Roman“ noch mit „Biographie“ wirklich gut beschrieben. Ich finde, Charlotte Roth ist hier ein ganz eigenes Kunstwerk gelungen, so dass mich am Schluss nicht einmal mehr sonderlich interessiert hat, was hier nun faktisch richtig und was „dazugedichtet“ war. Das Buch vermittelte für mich vor allem eines – Wahrheit! Und zwar eine „emotionale Wahrheit“, die mich einem Menschen näher gebracht hat, den ich leider nie getroffen habe. Doch wie sagt die Autorin ganz richtig auf dem Vorsatzblatt - „Für Michael E., der einem auch als Freund begegnen kann, wenn man ihn gar nicht gekannt hat.“


    An der ganzen Aufmachung merkt man schon, dass das Buch mit Liebe in den Schaffensprozess gegangen ist. Es ist ein hochwertiges Hardcover im nachtblauen Schutzumschlag, wunderschön geziert durch eine in Sternen schwebende Schildkröte. Ein Lesebändchen hat es auch! Sehr angenehme Schrifttype, gutes Layout der Textseiten, hochwertiges Papier. Fotos von Michael Ende, aus allen Lebensphasen, im vorderen und hinteren Einband. Und – diverse Vor- und Nachworte. Eines davon verfasst von Roman Hocke, einem Freund Michael Endes, der das ganze Projekt beratend begleitet, nein, wahrlich „kuratiert“ hat. Dieser Ausdruck ist angemessen für das Kunstwerk, das letztlich entstanden ist!


    Das Buch folgt einer inneren Logik. Es ist unterteilt in 5 Abschnitte, die sich nach den groben Lebensphasen Michael Endes richtet, die zumeist mit Umzügen zusammenfallen. Und, es beginnt konsequent mit seinen Eltern. Das ist wirklich wichtig zu wissen, denn von diesen unglücklich-glücklich aneinander gebundenen Naturen hat Michael viel geerbt. Nicht nur im biologischen Sinne! Erst durch die Widersprüchlichkeit der Beziehung der Eltern wird dem Leser so manches aus dem späteren Schaffen Endes klar.


    Überhaupt scheint es mir, dass die Autorin alle Werke Michael Endes (und ich meine auch alle!) gründlich kennt. Denn sie arbeitet immer wieder Fäden heraus, an denen der aufmerksame Leser schon im Vorhinein erkennen kann – aha, das kommt ja später im Buch XY so oder so vor. Interessant. Sie stellt Michael Endes Leben als ein pulsierendes Geflecht von Bezügen vor. Ob dabei nun jede Einzelheit wirklich so stimmt – wen juckt‘s? Wie ich schon sagte, Wahrheit entsteht hier trotzdem. „Fictions are lies that tell the truth“, ein Zitat, das aus einem literarischen Interview stammt, dessen Ursprung mir nicht mehr vollständig gegenwärtig ist.


    Sie begeht allerdings auch nicht den Fehler, alle Widersprüche in Endes Lebensgeschichte „wegzuerklären“. Man muss nicht mit allem einverstanden sein, was man hier miterlebt. Sein Verhältnis zum anderen Geschlecht wäre zumindest nicht meines – und seine Naivität in Finanzdingen auch nicht. Auf eine gewisse Art und Weise ist Michael Ende, so wie er mir hier begegnet ist, immer Kind geblieben. Auch in seiner Widersprüchlichkeit letztendlich unschuldig.


    Vollends begeistert war ich im letzten Drittel des Buches, als mir allerlei Details zu Michael Endes Werken begegneten, die ich so noch nicht wusste. Ich erlebte mit, auf welchen Charakter Bastian Balthasar Bux zurückgeht. Wieso in „Momo“ unbedingt eine Schildkröte mitspielen musste. Warum „Momo“ in Sepia gedruckt ist. (Ist es tatsächlich! War mir vorher nie aufgefallen!) Welche Schwierigkeiten es mit Illustratoren gab. Warum Michael Ende mit der Verfilmung der „Unendlichen Geschichte“ so unzufrieden war. Und noch einiges mehr.


    Als letzten zu bejubelnden Punkt muss und möchte ich noch die Sprache anführen. Charlotte Roth schreibt wahrlich kein Sachbuch-Deutsch. Sie verwendet eine poetische, doch nicht zu sehr vom Alltag entfernte Sprache. Manche Sätze schweben nur so dahin – und manche Kapitel sind für sich so schön, dass ich sie – auch aus dem Zusammenhang heraus – wieder lesen würde! Besonders diejenigen aus Michael Endes Kindheit!


    Nur in einem einzigen Punkt wäre ich eine Winzigkeit unsicher – welchem Typ Leser ich nämlich das Buch empfehle. Wenn man noch keine Bücher von (nicht „über“!) Michael Ende gelesen hat, wird es vermutlich an manchen Stellen ein wenig schwierig, da eben die Imagination des Lesers eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt. Aber empfehlen würde ich es! Mit Inbrunst wünsche ich diesem wundervollen Werk noch eine weite Verbreitung. Vielleicht regt es ja auch dazu an, wieder mehr Michael Ende zu lesen. Das wäre wünschenswert.

    "Ein Mensch, der Ideale hat/
    Der hüte sich, sie zu erreichen!/
    Sonst wird er eines Tags anstatt/
    Sich selber andern Menschen gleichen."
    (Erich Kästner) :):)

  • Klappentext

    Michael Ende war eine faszinierende Persönlichkeit, die Welt kaum vorstellbar ohne seine Fantasie. Einzutauchen in diese Vorstellungswelt des Menschen Michael Ende ist das Ziel dieses Romans, der bewusst keine faktenorientierte Biografie sein will, sondern der Versuch, sich den Geheimnissen, die Michael Ende nicht preisgab, ebenso respektvoll wie poetisch zu nähern. Sein Leben, das ein knappes Jahrhundert umfasste, wird mit seinem ganz speziellen Blick auf die Welt beleuchtet, der hinter dem Sichtbaren das Unsichtbare zu erspüren suchte. Geschrieben von Charlotte Roth und inhaltlich kuratiert von Michael-Ende-Kenner Roman Hocke wird dem Innenleben des beliebten Autors auf besondere Weise nachgespürt – in einer Fülle von Bildern, Schauplätzen und Begegnungen, aus der sich das Mosaik seiner ganz eigenen Geschichte zusammenfügt.

    Meinung

    ein biographischer Roman, was soll man sich darunter vorstellen, was ist Biographie, was ist Roman.

    Die Antworten muss jeder Leser für sich selbst finden. Einiges ist leicht, die Eltern, die Wohnorte, die Bücher das ist Biographie, Vermutlich einige Klassenkameraden und ihr Verhalten, Bekannte, Gespräche mit anderen sind der Phantasie der Autorin zu zu ordnen.

    Das hat sie meiner Meinung nach sehr gut hin bekommen.

    Ich kenne einige Bücher von ihr und hatte jedesmal das Gefühl, das sie in die jeweilige Zeit oder in diesem Fall in die Person hineintaucht, fühlt und hört und dann erst schreibt.

    Sie vermittelt eine große Empathie für einen sehr geschätzten Schriftsteller den ich als Kind gelesen und bis heute sehr bewundere und seine Bücher mittlerweile schon zerlesen habe.

    Es ist kein Buch das man in einem Rutsch durch liest, sondern man legt es wieder und wieder beiseite,

    nach: hat er das wirklich so gesehen als er Momo schrieb oder hat er das gedacht was ich daraus gelesen habe?

    Es ist nicht spannend im üblichen Sinn aber nachhaltig. Der Autor Michael Ende ist wieder lebendig geworden.

    Ich werde wieder mal eins einer Bücher lesen und wieder genauso viel Freude haben auch wenn ich es jetzt vielleicht mit anderen Augen lesen werde.