Jeremy Dronfield - Der Junge, der seinem Vater nach Auschwitz folgte / The Boy Who Followed His Father into Auschwitz

  • Autor: Jeremy Dronfield

    Titel: Der Junge, der seinem Vater nach Auschwitz folgte

    Seiten: 460

    ISBN: 978-3-426-27804-8

    Verlag: Droemer

    Übersetzerin: Ulrike Strerath-Bolz


    Autor:

    Jeremy Dronfield wurde 1965 geboren und ist Geschichtswissenschaftler und Archäologe. Nach Abschluss seiner Doktorarbeit in Cambridge wandte er sich dem Schreiben zu, veröffentlichte mehrere Romane und historische Sachbücher. Seine Werke wurden mehrfach ausgezeichnet.


    Inhalt:

    Wien, 1938. Gustav Kleinmann und sein Sohn Fritz werden von den Nazis verhaftet, weil sie Juden sind. Im Konzentrationslager Buchenwald beginnt für beide eine unvorstellbare Tortur, die mehrere Jahre dauern wird. Doch der Liebe und dem Vertrauen zwischen Vater und Sohn kann die nationalsozialistische Vernichtungsmaschinerie nichts anhaben: Als Gustav nach Auschwitz deportiert wird, beschließt Fritz, ihm zu folgen... Aus nächster Nähe erzählt Jeremy Dronfield die erschütternde geschichte zweier Holocaustüberlebender: von Hunger, Misshandlungen und ständiger Todesangst - aber auch von Freundschaft, Solidarität und tiefster Menschlichkeit im Angesicht des Unmenschlichen. (Klappentext)


    Rezension:

    Viel ist schon über den Holocaust, das größte Verbrechen der Menschheit, geschrieben wurden. Zahlreiche Erinnerungen wurden niedergeschrieben, Interviews veröffentlicht. Überall in Europa wird an die sechs Millionen Menschen erinnert, die den grausamen Terrorregime der Nationalsozialisten zum Opfer fielen. Braucht es da noch eine weitere Veröffentlichung? Eine weitere Erinnerung, die für die Nachwelt aufbereitet und verbreitet wird? Beispiele wie der Anschlag in Halle und die immer noch schwelende Diskriminierung von zu vielen zeigen, dass dies notwendig ist.


    Jeremy Dronfield hat nun die Erinnerungen von einer weiteren Familie ausformuliert, so dass auch diese nicht in Vergessenheit gerät. Der anerkannte Geschichtswissenschaftler führte Interviews mit Kurt Kleinmann, dessen Wiener Familie 1938 nach der Besetzung Österreichs ins Visir der Nazis geriet, sichtete Briefe und durchsuchte Archive. Heraus kam ein erschütterndes Porträt. In der Form eines literarischen Sachbuchs hält sich der Autor streng an Fakten, konstruiert Begebenheiten und Gespräche anhand von Briefen und tagebucheinträgen, lässt so Kurts Geschwister, vor allem seinem älteren Bruder Fritz, Hauptprotagonist des Buches, wieder lebendig werden, sowie seinen Vater, der es schaffte, seinen Optimismus selbst in dunkelster Zeit beizubehalten.


    Zitat

    Klatsch - er liegt auf allen Vieren,

    doch der Hund will nicht krepieren!


    Erzählt wird praktisch aus der Vogelperspektive den einzelnen Lebenslinien der Familienmitglieder nach. Die eine Schwester schafft es etwa nach England, das jüngste Kind Kurt entkommt den Häschern nach Amerika. Besonders beeindruckend jedoch die gemeinsame Geschichte von Fritz und Gustav, die in Angesicht des Todes zusammenhalten. Fortwährend. Erschütternd, wie in aller Ausführlichkeit das Leid der Lebenden beschrieben wird. Zeile für Zeile immer näher an den Abgrund heran.


    Zitat

    Am Anfang hatten sie stehen müssen, aber nach ein paar Tagen waren so viele von ihnen vor Kälte gestorben, dass man sich setzen konnte. Die Leichen wurden am Ende des Waggons aufgestapelt, ihre Kleidung wurde verteilt, um die Lebenden zu wärmen.


    Kaum auszuhalten ist das. Man möchte vor Verzweiflung aufschreien. Unvorstellbar das Leid, welches Menschen anderen Menschen antun können. Gerade dies hat der Autor sehr schön herausgearbeitet, lässt jedoch ebenso seine Leser an die Momente der Menschlichkeiten in Zeiten des Terrors teilhaben, die den Haupt- und anderen Protagonisten zuteil werden, die ihnen half durchzuhalten. Nachdenklich wirken Schreib- und Erzählstil, durch wenige Fotos ergänzt. Mahnend, dass sich so etwas nie wiederholen darf. Bitte, unbedingt lesen.

  • 1938. Der Polsterer Gustav Kleinmann lebt mit Ehefrau Tini und den Kindern Herta, Edith, Fritz und Kurt in Wien, sie leben bereits in Alarmbereitschaft, da die deutsche Nazipolitik inzwischen ihre Anhänger in Österreich gefunden hat und sie als Juden nirgendwo mehr sicher sind. Als Gustav und Fritz verhaftet und gemeinsam zur Zwangsarbeit ins KZ Buchenwald verbracht werden, setzt Tini alle Hebel in Bewegung, um wenigstens ihre restlichen Kinder in Sicherheit zu bringen. Nur Kurt und Edith dürfen ausreisen, während Tini und Herta in ein Lager kommen. Die Selektion in Buchenwald macht vor Gustav nicht halt, er wird auf einen Transport nach Auschwitz gesandt. Fritz folgt ihm freiwillig nach, um seinen Vater nicht zu verlieren und sich gegenseitig zu stützen. Damit beginnt ein langer Leidensweg für beide…


    Jeremy Dronfield hat mit „Der Junge, der seinem Vater nach Auschwitz folgte“ aus den Tagebuchaufzeichnungen von Gustav Kleinmann und diversen Interviews mit Familienmitgliedern einen ergreifenden Roman vorgelegt, der den Leser mitten in die Seele fährt und nie wieder loslassen wird. Der Erzählstil ist flüssig, bildhaft und sehr berührend, dem Leser bleibt bei der Lektüre wirklich nichts erspart, so erlebt er die grausamen und menschenverachtenden Behandlungen durch die Nazis detailliert mit, die schon beim Lesen körperliche Schmerzen und Gänsehaut verursachen ob der Rohheit und Brutalität, die deren Gefangene damals ausgesetzt waren. Aufgrund dessen kann man das Buch auch nicht in einem Durchgang lesen, zu sehr gehen einem die Zeilen an die Nieren und lassen die Bilder im Kopf ständig aufs Neue hervortreten. Dronfield offenbart das perfide Spiel der Nazis, deren Foltermethoden und vor allem die leibhaftige Hölle, durch die die Inhaftierten gehen mussten und zum Großteil nicht überlebten. Auschwitz ist zwar das bekannteste Vernichtungslager der Nazis, doch auch Zwangsarbeitslager wie Buchenwald tragen den Schrecken vor sich her, in denen sich die Menschen bei unzureichender Ernährung zu körperlich Tode schuften mussten. „Arbeit macht frei“ bekommt hier genau die Bedeutung, die mit dem Schriftzug in Auschwitz auch gemeint ist. Umso erstaunlicher ist, dass Gustav und Fritz diese Hölle tatsächlich überlebt haben. Darüber hinaus gibt es auch besondere und anrührende Momente ein Zeichen von Hoffnung, das ihnen hilft, weiter durchzuhalten. Die sich hier zeigende Menschlichkeit und das Miteinander stehen im großen Kontrast zu der brutalen Szenerie der Nazis.


    „Der Junge, der seinem Vater nach Auschwitz folgte“ ist ein herausragend zusammengetragenes Zeitzeugnis, das einmal mehr deutlich macht, wozu der Mensch fähig ist, im guten wie im schlechten Sinne. Gerade, weil sich bereits in der heutigen Zeit die Zeichen mehren, dass niemand aus der damaligen Zeit gelernt hat, sollten viele dieses Buch lesen, damit sie nicht vergessen…


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    Bücher sind Träume, die in Gedanken wahr werden. (von mir)


    "Wissen ist begrenzt, Fantasie aber umfasst die ganze Welt."
    Albert Einstein


    "Bleibe Du selbst, die anderen sind schon vergeben!"
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    gelesene Bücher 2020: 432 / 169960 Seiten

  • Familie Kleinmann erlebt die Nazizeit in ihrer Heimat Wien. Als die Lage für jüdische Bewohner auch in Österreich immer dramatischer wird, versucht die Mutter ihre Kinder ins Ausland zu bringen, doch selbst Ausreisen für Minderjährige sind sehr schwierig geworden. 1939 werden dann ihr Mann Gustav und ihr ältester Sohn Fritz von der SS festgenommen und in ein KZ gebracht. Dort beginnt ein langer Leidensweg für die Männer, doch auch das Leben der Mutter mit den anderen drei Kindern steht unter keinem guten Stern.



    Jeremy Dronfield beleuchtet das Leben der jüdischen Familie Kleinmann während der Nazizeit. Er hat sehr viel recherchiert und auch mit Überlebenden sprechen können. Sein Buch ist eigentlich ein Sachbuch, aber es ist wie ein Roman geschrieben und lässt sich daher flüssig lesen. Ins Stocken kommt man nicht wegen seines Schreibstils oder der Fakten, sondern wegen der Gräueltaten, die den Menschen angetan wurden. Man begleitet die Reise der beiden Männer durch zahlreiche Konzentrationslager, bis Gustav eines Tages nach Ausschwitz deportiert werden soll, was einem Todesurteil gleichkommt – und Fritz, der seinen Vater nicht alleine lassen möchte, sorgt dafür, dass er ihn begleiten kann.



    Der Roman hat mich oft innehalten lassen, da ich zwischendurch eine Pause brauchte. Bis auf das Ende einiger Kapitel mit Formulierungen wie „Es kam noch schlimmer.“ o.ä. wirkt das Buch nicht künstlich reißerisch geschrieben. Fast nüchtern werden die Fakten dargelegt, aber der direkte Einblick, der u.a. durch Tagebucheinträge des Vaters dokumentiert ist, berichtet von höchster Grausamkeit, unwürdigen Lebensbedingungen und einer furchtbaren Geschichte. Beim Lesen fragte ich mich oft, wie so etwas überhaupt überlebt werden kann und gefühlt war das Maß an Brutalität bereits erreicht und dann stellt man fest, dass man das Buch erst zu einem Viertel oder zur Hälfte gelesen hat und man fragt sich, was die Familie noch durchleiden muss, was da noch kommen kann und wie es sein kann, dass sie ihren Lebenswillen nicht verloren haben.



    Fazit: Das Buch, das die wahren Erlebnisse einer Familie schildert, berührt ungemein. Obwohl es als historisches Sachbuch konzipiert ist, lässt es sich wie einen Roman lesen, der jedoch ungeschönt den Kampf ums nackte Überleben der Familie über mehrere Jahre widerspiegelt und daher harte Kost ist. Unbegreiflich, wie Menschen andere Menschen so viel Leid antun können. Der Leidensweg der Familie hat mich stark bewegt und das Buch dient hoffentlich dazu, dass diese schlimmen Verbrechen niemals in Vergessenheit geraten.

    PS: Das Buch erscheint Anfang April 2022 als Taschenbuch.


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  • Squirrel ich bin mir zu 100% sicher, dass findo schon eine Rezi gemacht hat, aber ich bin am Handy und kann leider nicht verlinken und zusammenlegen kann ich auch nicht, aber es gibt definitiv eine, deswegen ist das Buch auf meiner Wunschliste gelandet.


    Danke

    :study: Feuerkind (Stephen King) 34 / 542 Seiten

    :study: Mit Nachsicht (Sina Haghiri) 50 / 268 Seiten


    SUB: 857

  • Squirrel ich bin mir zu 100% sicher, dass findo schon eine Rezi gemacht hat, aber ich bin am Handy und kann leider nicht verlinken und zusammenlegen kann ich auch nicht, aber es gibt definitiv eine, deswegen ist das Buch auf meiner Wunschliste gelandet.


    Danke

    Danke, ich hab Eure Beiträge an den Thread angehängt :wink:

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier