Karen Duve - Fräulein Nettes kurzer Sommer

  • Kurzmeinung

    Schüsselchen
    Informativ aber ziemlich zäh, anspruchsvoller schreibstil
  • Kurzmeinung

    BarbSie
    Fazettenreiche Biographie der Annette von Droste-Hülshoff, interessante Beschreibung damaliger Verhältnisse
  • Klappentext: Karen Duves so lakonischer wie gnadenlos sezierender Roman über die junge Dichterin Annette von Droste-Hülshoff und die Welt der letzten Romantiker, die deutsche Märchen sammelten, während die gute alte Ordnung um sie herum zerfiel. Das Porträt einer jungen Frau in einer Welt, in der nichts so blieb, wie es war.
    Fräulein Nette ist eine Nervensäge! Dreiundzwanzig Jahre alt, heftig, störrisch und vorlaut, ist sie das schwarze Schaf, das nicht in die Herde ihrer adligen Verwandten passen will. Während ihre Tanten und Cousinen brav am Kamin sitzen und sticken, zieht sie mit einem Berghammer bewaffnet in die Mergelgruben, um nach Mineralien zu stöbern. Die Säume ihrer Kleider sind im Grunde immer verschmutzt! Das Schlimmste aber ist ihre scharfe Zunge. Wenn die Künstlerfreunde ihres Onkels August nach Bökerhof kommen, über Kunst und Politik sprechen, mischt sie sich ungefragt ein. Wilhelm Grimm bekommt bereits Panik, wenn er sie nur sieht.
    Ein Enfant terrible ist sie, wohl aber nicht für alle. Heinrich Straube, genialischer Mittelpunkt der Göttinger Poetengilde, fühlt sich jedenfalls sehr hingezogen zu der Nichte seines besten Freundes. Seine Annäherungsversuche im Treibhaus der Familie bleiben durchaus nicht unerwidert. Allerdings ist er nicht der einzige. Was folgt ist eine Liebeskatastrophe mit familiärem Flächenbrand.
    Historisch genau, gnadenlos entlarvend und so trocken-lakonisch und bitter-ironisch geschrieben, wie es nur Karen Duve kann.


    Autorenbiographie (von Amazon): Karen Duve, 1961 in Hamburg geboren, lebt in der Märkischen Schweiz. Sie wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Ihre Romane Regenroman (1999), Dies ist kein Liebeslied (2005), Die entführte Prinzessin (2005) und Taxi (2008) waren Bestseller und sind in 14 Sprachen übersetzt. 2011 erschien ihr Selbstversuch Anständig essen, 2014 ihre Streitschrift Warum die Sache schiefgeht. Die Verfilmung ihres Romans Taxi kam 2015 in die Kinos. Zuletzt sorgte sie mit ihrem Roman Macht für Aufruhr und wurde mit dem Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor (2017) ausgezeichnet.


    Rezension:


    Es kann der beste Mensch nicht in Frieden leben, wenn es seine Umgebung nicht will.


    Karen Duve zeichnet hier in ihrem Roman "Fräulein Nettes kurzer Sommer" den Zeitgeist des frühen 19. Jahrhunderts in Deutschland, die Geschichte ist angesiedelt in einem Gebiet zwischen Münster, Göttingen und Kassel. Und dieser Zeitgeist wird perfekt von ihr eingefangen. Man bekommt Einblicke in das Leben und die Gepflogenheiten in den adeligen Familien dieser Zeit, aber auch Einblicke in das Leben von vielen anderen Persönlichkeiten dieser

    Epoche, wie der Brüder Grimm, Heinrich Straube und Heinrich Heine. Man sieht die Herrschaften vor sich, fühlt die damaligen Anschauungen, ist angewidert von dieser scheinheiligen Welt, weiß, dass man hier nicht hätte leben wollen. Genauer geht es aber in diesem biographischen Roman um Annette von Droste-Hülshoff, eine deutsche Dichterin und eine starke Frau, die nicht unbedingt in ihre Zeit passt. Annette von Droste-Hülshoff ist eine Frau, die sich nicht verkriechen und das Heimchen spielen will, sich nicht den Männern unterordnen möchte, sondern sich gleichwertig sieht, die unangepasst ist und ihre Meinung sagt, und das auch bei Themen, die in der damaligen Zeit nicht für Frauenohren und -zungen bestimmt waren. Und die mit dieser Geisteshaltung natürlich aneckt und andere brüskiert/erzürnt, insbesondere ihre Familie, aber auch verschiedene Männer in ihrem Umfeld und schlussendlich durch eine geschickte Intrige den Groll und die Häme der Anderen zu spüren bekommt.


    Und dieser ganze Roman gelingt Frau Duve in einer wunderbaren Art und Weise, es ist ein großer Sog spürbar und ich habe dieses doch recht dicke Buch schnell lesen können. Es ist in einer schönen, der behandelten Zeit angepassten Sprache geschrieben, ohne jedoch schwülstig zu erscheinen, mit einer gehörigen Portion Sinn für Sprache und Klang, aber auch mit einem gewissen Humor. Und bei dem ganzen Buch spürt man auch die Wut der Autorin über die Ungerechtigkeiten in dieser Zeit, das Fatale im Umgang der Menschen untereinander, wie z.B. das Verhältnis der Adligen zum Bürgertum, von Reich zu Arm, der Geschlechter miteinander und untereinander, die fragile Stellung der Juden, die Altdeutschenschwärmerei und der Franzosenhass und die Macht der Burschenschaften. Alles wird seziert und dargeboten. Und man spürt auch den Spott der Autorin allem Kleingeistigen gegenüber und besonders auch ihren Spott gegenüber denjenigen, die sich über andere erhöhen müssen, weil sie eigentlich Angst vor ihnen haben. Und das ist ja leider etwas was in alle Zeiten passt. Und Karen Duve zeigt in diesem hervorragend erzähltem Roman ihre Haltung dazu. Und dafür kann ich nur sagen … Danke.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Ich habe das Buch für meinen Literaturkreis gelesen, leider mit weniger Begeisterung als kaffeeelse.

    Ich finde vor allem den Umfang von 500 Seiten übertrieben, 300 hätten meiner Meinung nach gereicht,

    die Kerngeschichte zu erzählen: den Liebesverrat an Annette von Droste-Hülshoff. Aber ich denke, die Autorin

    wollte kein recherchiertes Material ungenutzt lassen. Also wird alles verwertet. Ihre zeitrelevanten Einschübe,

    einmal über den Mord am Dichter Kotzebue, oder über eine Judenverfolgung zeugen davon. Ebenso die schiere

    Menge an auftretenden Personen. Das Buch ist ein echtes Who’s who des Biedermeiers, das oft über reines

    Name-Dropping nicht hinausgeht.


    Zu Karen Duves Sprache: Bissig und manchmal kämpferisch, was dem Fluss der Erzählung nicht immer guttut.

    Unangenehm ist auch, dass Karen Duve ihren Lesern/Leserinnen mehr als nahelegt, was sie zu denken haben.

    So etwas geht aus meiner Sicht überhaupt nicht. Ihre eigene Ablehnung der Zeit steht ihr zu, aber so viel

    Souveränität muss eine Autorin haben, dass sie die für sich behält, oder sie maximal zwischen den Zeilen anklingen

    lässt. Eher witzig finde ich ihr Bemühen, Erscheinungen der Jetztzeit in die Epoche einfließen zu lassen. So leidet

    eine der Nebenfiguren z. B. an sog. „Ausgebranntsein.“
    Der Erzählton des Romans generell, schwankt zwischen distanziert, rau oder unangemessen unflätig.


    Jetzt kommt das, was brillant ist: die Charakterisierung der Dichterin. Man lernt die junge Frau tatsächlich kennen

    und versteht das ungeheure Dilemma, in dem sie sich zurechtfinden muss. Umgeben von so vielen ignoranten

    Menschen – Männern und Frauen (darunter viele Verwandte) - beim Schreiben zu bleiben und an den Erfolg

    und den Gehalt des eigenen Werks zu glauben, ist eine fantastische Leistung.


    Leider dominieren die Schwachpunkte, vor allem Karen Duves rigorose Haltung und Schreibweise.

    Mehr als 3 Sterne kann ich nicht geben.

    signed/eigenmelody

    Dear Life,

    When I said "Can my day get any worse?" it was a rhetorical question, not a challenge.

    -Anonymous