Daniel Galera - So enden wir / Meia-Noite e Vinte

  • Klappentext: Sie waren unsterblich – damals, Ende der Neunziger, wütend und voller Aufbruch, drei Jungs und eine Frau, Protagonisten der neuen Gegenkultur aus späten Punks, krassen Künstlern und digitalen Bohemiens. Allen voran Duke, riesiges Schriftstellertalent, genialisch, unnahbar. Jetzt ist Duke tot, zufälliges Opfer eines Raubüberfalls, es ist das Jahr 2014 und Porto Alegre wie paralysiert von der sengenden Hitze und dem Streik. Am Grab ihres alten Mitstreiters kommen Aurora, Antero und Emiliano zusammen, nach einer gefühlten Ewigkeit wie Fremde. Unweigerlicher Blick zurück: Wie war das früher, und was ist aus ihnen geworden, aus den Idealen, Lebensplänen, Hoffnungen? Und: Wer war dieser Duke wirklich? War er ihr Freund? Oder hat er sie nicht doch bloß für seine Zwecke benutzt? Die immer skurrilere Suche nach einer Antwort führt die drei zu einer Hinterlassenschaft, die so berührend wie erschütternd ist.

    Was gibt dem Leben Halt, wenn das Wünschen nicht mehr hilft? Daniel Galera hat einen virtuos agilen, unerschrockenen Generationen- und Gegenwartsroman geschrieben. Über Auf- und Abbrüche, über Ankünfte und Verlorenheiten und über das ungelöste – vielleicht unlösbare? – Geheimnis menschlicher Nähe.


    Autorenbiographie(von Suhrkamp): Daniel Galera, geboren 1979 in São Paulo, lebt heute in Porto Alegre. Er hat Erzählungen, eine Graphic Novel und drei Romane geschrieben. Sein Werk ist vielfach ausgezeichnet, verfilmt und für das Theater adaptiert worden. Galera hat u. a. Zadie Smith, Jonathan Safran Foer, David Foster Wallace und Hunter S. Thompson ins Portugiesische übersetzt.


    Rezension:


    und plötzlich kommt der Tod


    Dieses Buch beschreibt das Miteinander von den drei ehemaligen Freunden Aurora, Emiliano und Antero, nachdem sie erfahren, dass der Vierte in ihrer Runde ermordet wurde. Sie treffen sich nach 15 Jahren wieder, zur Beerdigung ihres ehemals besten Freundes Andrei, ein ehemaliger erfolgreicher Autor, und fangen an zu sinnieren über das Früher und das Heute. Damals waren alle in einem Blog zusammengekommen, sie studierten an der Uni, waren in der Underground Szene von Porto Alegre unterwegs, eher links orientiert, hatten ein Fanzine Orangotango, verfassten darin systemkritische Texte; aber auch pornografische Geschichten, Gedichte, Filme; Links, Film- und Plattenkritiken und von Drogen, Müßiggang und Poststrukturalisten beeinflusste Manifeste. Jetzt hat sich ihr Leben deutlich verändert, Aurora steht kurz vor der Doktorarbeit in Biologie, Emiliano ist freier Journalist und Antero ist Chef einer nicht unbedeutenden Werbeagentur. Und durch den Tod des Freundes kommen alle ins Nachdenken. Es geht um Veränderung, um das Leben, um frühere und heutige Ziele. Und es geht auch um Gefühle, um Anziehung, um Liebe, um Einsamkeit, um Trauer, um Verlust. Und es geht um Selbstdarstellung, um den Wert des Einzelnen in der Gesellschaft. Und es geht auch um profanen Sex, der sehr ehrlich erzählt wird. Das Ganze ist schon recht viel für dieses Buch. Aber nein, Herr Galera entwirft noch ein kleines Bild des heutigen Brasilien; Streiks, Gewalt, Armut, Korruption, die Rolle der Mächtigen werden besprochen. Und das Ganze vor dem tollen Bild/Stilmittel der übergroßen Hitze, die plötzlich herrscht und die Menschen an den Rand des Ertragbaren bringt. Und das Ganze wiederum vor dem Hintergrund der bald untergehenden Erde, von uns Menschen verursacht.


    Und das Ganze in einer ganz eigenen Sprache, die berührt, anspricht, abstößt, aber immer sehr ehrlich rüberkommt, manchmal auch brachial rüberkommt. Manchmal denkt man, muss das sein. Aber ja, das muss ganz genauso sein. Denn nur genauso erzielt Herr Galera Aufmerksamkeit und einen Disput. Und das besonders Schöne an diesem Buch ist der Vergleich, den man automatisch zwischen sich und den Hauptakteuren anstellt. Und die eigenen Gedanken, die ins damals strömen, und eigene Bilder hochholen.


    Dabei beschreibt der Autor recht ruhig und beobachtend, fast etwas kalt. Aber manchmal bricht auch das pure Gefühl hervor und das konnte ich besonders genießen. Dieses Buch ist nicht so die Geschichte, es wird nicht im normalen Sinne erzählt, es ist nicht so die Handlung zu finden. Es ist eher so ein Wabern zwischen den verschiedenen Charakteren und ihren Deutungen/Empfindungen.


    Lest es und entscheidet selbst. Für mich ist es toll geschrieben.


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