Verlagstext:
Eine Lady auf Abwegen.Von der Autorin des Romans Die Abenteuer der Cluny BrownBrillant neu übersetzt von Wibke Kuhn»Eine der sympathischsten und warmherzigsten Romanfiguren überhaupt.« New York Herald TribuneIm Frankreich der 1930er-Jahre versucht eine unkonventionelle Frau, ihre Tochter vor der Heirat mit dem Falschen zu bewahren – und verliebt sich gegen ihren Willen selbst. Julia Packett ist die Fröhlichkeit in Person. In London führt sie ein freies, ausgelassenes Leben, nur leise getrübt durch den einen oder anderen finanziellen Engpass. Als ihre Tochter sich nach Jahren wieder bei ihr meldet und sie um Beistand bei der Wahl ihres Ehemanns bittet, lässt Julia mit neu entflammtem Mutterherz alles stehen und liegen, um ihrer Tochter zu Hilfe zu eilen. Kaum in der Luxusvilla in der Haute-Savoie angekommen, begreift Julia jedoch, dass ihre Tochter sich in einen zur Ehe völlig ungeeigneten jungen Mann verliebt hat, denn er ist wie sie selbst, Julia: charmant, aber schwer zu domestizieren. Wie kann es Julia nur gelingen, ihrer Tochter den Verlobten auszureden, ohne ihren eigenen Status als vollkommene Lady zu gefährden? Die Anreise des vornehmen Sir William Waring kompliziert die Situation nur noch weiter. Und schon bald gerät ihr Plan, das Glück ihrer Tochter zu retten, hoffnungslos außer Kontrolle... (Quelle: amazon.de)
Meine Meinung:
Ich hatte Lust, ein unterhaltsames Buch zur Entspannung zu lesen, das auf ähnlich humorvolle Weise mit (zwischen)menschlichen Verhaltensweisen, gesellschaftlichen Erwartungen und ihren Brechungen umgeht, wie die Autorin es bei "Cluny Brown" gehandhabt hat, und bin in dieser Hinsicht nicht enttäuscht worden. "Die vollkommene Lady" ist amüsant und locker geschrieben, leicht, aber nicht seicht, und steckt voller Sympathie für eine Heldin, die ihr Leben nicht ganz lady-like gestaltet, und leisen ironischen Spitzen gegen eine Gesellschaft, die damit gewisse Schwierigkeiten hat. Da nehme ich mich selbst als Leserin nicht aus...
Margery Sharp hat mit der flotten Julia eine chaotische und lebenslustige, dabei aber meistens völlig gutherzige Sympathieträgerin erdacht, die man lieben, mit der man mitfiebern und der man nur das Beste wünschen kann - und sei es gegen die eigenen oder gesellschaftlich akzeptierten Vorstellungen von gelungenen oder einfach nur "guten" Lebenswegen. Julia nutzt andere aus, zeigt sich aber selbst auch großzügig, ist mal egoistisch, mal altruistisch, bei aller aufblitzenden Hellsichtigkeit oft gedankenlos und meint es nie so richtig böse. Es ist eine der zeitlosen, im Buch oft implizit, dann auch explizit gestellten Fragen: Kann man Julia ihre Lockerheit zum Vorwurf machen, so lange sie niemandem damit ernsthaft schadet?
Es fiel mir allerdings schwer zu akzeptieren, dass sie ihr kleines Kind in der Obhut ihrer Schwiegereltern auf dem Land zurücklässt, um ein freies und unbeschwertes Leben in London zu führen - aber sie ist auch erst 16, als sie ungeplant schwanger wird; der Soldat, der sie umgehend geheiratet hat, fällt im 1. WK; seine Eltern, die ja auch noch nicht so alt sein können, kümmern sich rührend, sodass es für das Kind mit Sicherheit sogar besser so ist - schwierig, das zu beurteilen. Also lasse ich es einfach.
Soll sie sich selbst verbiegen müssen, um irgendwelchen gesellschaftlichen Idealen zu entsprechen, was ihr dann aber auch nicht die Miete zahlen würde oder die Butter aufs Brot? Und kann jemand von ihrer Art Menschenschlag, also fröhlicher Hallodri, mit jemandem zusammenleben, den man heute wohl als "Gutmenschen" bezeichnen würde? In genau dieser Situation befindet sich nämlich nun auch ihre inzwischen erwachsene Tochter...
Wie diese verzwickte Ausgangslage sich weiter entwickelt, habe ich an einigen lauen Sommerabenden mit einem Gläschen Wein auf der Terrasse schmunzelnd verfolgt. Man sollte von dem Roman nicht zu viel Tiefgang erwarten; über einige Kapitel hinweg hätte er auch deutlich straffer geschrieben sein können.
Was mir leider nicht so gut gefallen hat, ist das Ende,
da es für meinen Geschmack einfach zu abrupt daherkommt und zu viele Fragen offen lässt.
Allerdings passt es auch wiederum prima zum Wesen der Hauptfigur.