Eric Plamondon – Oyana

  • Kurzmeinung

    tom leo
    Origineller Plamondon-Stil. Untergetauchte ETA-Kämpferin will bei Auflösung heimkehren. Möglich?
  • Original: Französisch/Kanada, 2019


    INHALT :

    « Es ist schwer zu leben, und noch schwerer, sein Leben zu erklären. » Sie hat aus ihrer Existenz einen Deich gebaut um sich die Vergangenheit fernzuhalten. Bis zum Bruch. Sie wurde im Baskenland geboren und lebte nun dreiundzwanzig Jahre in Montreal. Doch an einem Abend im Mai 2018 wird sie plötzlich zurückgeschleudert. Und ohne schon zu wissen, wohin sie es führen wird, beginnt sie dem geliebten Mann von ihrem Leben zu schreiben um sich zu erklären und damiut er verstehe. Sie heißt Oyana, und die ETA existiert nicht mehr.

    (Behelfsübersetzung des französischen Klappentextes)


    BEMERKUNGEN :

    Nach der neulichen Entdeckung von Taqawan (siehe : Eric Plamondon – Taqawan )

    wollte ich gerne erneut ins Universum, oder sagen wir mal in den « Stil Plamondons », eintauchen. Denn dieser ist ein wenig typisch und original : In diesem Falle hier erneut kurze Kapitelchen. Dort wird geschickt eine Ich-Erzählerin eingeführt, die sich in im Mai 2018 datierten Briefen an ihren Lebensgefährten der letzten 23 Jahre in Montreal wendet, Xavier. Und dann werden anders geartete Kapitelchen zwischengeschoben durch einen auktorialen Erzähler mit Sicht auf ihr Leben, ihre Vorgeschichte, aber auch teils fast chronikartig oder geschichtlich klingenden, teils essayartigen Ausführungen : übers Baskenland, die Tradition des baskischen Fischfangs, das Motiv des Wales etc...


    Denn diese Oyana ist eben im Baskenland geboren und aufgewachsen. Sie ist Kind eines ETA-Aktivisten (weiß dies aber ihre ersten zwanzig Lebensjahre überhaupt nicht), der am Tag ihrer Geburt mit anderen zusammen im Dezember 1973 einen schweren Bombenanschlag in Madrid durchführt und kurz später selber getötet wird. Sie wächst bei der Mutter und einem Stiefvater auf (den sie für ihren leiblichen Vater hält). Selber hat sie lange Zeit gar nichts mit der Unabhängigkeitsbewegung zu tun. Erst als sie mit Freunden bei einer Razzia der Polizei flüchtet, und dabei ganz unschuldig ein Freund ums Leben kommt, beginnt sie das Fragen die Suche, die Revolte. Sie engagiert sich in der ETA und wird in ein unglücklich ausgehendes Unternehmen verwickelt, dessen Folgen sie nicht verkraften kann. Kurz : sie muss das Land verlassen und erhält in Mexiko, dann Kanada eine neue Identität. Und beginnt eben eine Beziehung mit Xavier, dem sie nun ihre Erkenntnisse schreibt. Denn in diesem Mai 2018 erfährt sie von der Auflösung der ETA. Keine Gefahr mehr für sie ? Ende des Versteckspiels ? Sie beschließt heimzukehren. Und tut dies in kleinen Schritten...


    Plamondon fndet hier eine in ein historisches Umfeld von Unabhängigkeitsstreben gebettetes Thema. Liebesgeschichte einerseits, aber auch « Tag der Wahrheit », als die verborgen gehaltenen Wahrheiten ans Tageslicht kommen (sollen). Und eventuell eben durch das Zugeben der bisherigen Lügen die Beziehung zerstören ?


    Dann auch ist das Baskenland dem ursprünglich aus dem Quebec stammenden Plamondon kein allzu weit entferntes Thema. Er lebte einerseits lange in Bordeaux, und kommt eben aus einem Landstrich, in dem der Kampf um die Unabhängigkeit ebenfalls teils in Gewalt überging. Das alles dann in seinem Erzählstil, der etwas Besonderes hat. Er bezieht den Erzählstandpunkt einer Frau, was ihm mE gut gelingt.


    Darüber hinaus gelingt es dem Autor, in erstaunlichen Worten, Ausdrücken, Sätzen eine gewisse Weisheit zu vermitteln ohne dabei erschlagend zu wirken. Manches ist einfach gut und wahr !


    Man versteht das Drama einer Frau, die mit « erhaltenen » Lügen zu leben hatte, und selber zu solchen gezwungen wird. Wie kann so etwas ausgehen ?


    Gibt es eigentlich einen richtig « unschuldigen » Kampf um Freiheit, der ohne Opfer auskäme ???


    Dieser Autor hat was zu sagen und tut dies auf originelle Weise. Entdecken ! (Und hoffen, dass Weiteres von ihm übersetzt werden wird.)


    AUTOR :

    Eric Plamondon ist ein 1969 im Quebec geborener Schriftsteller. 1992 beendete er, nach angefangenen Studien des Ingenieurswesens und der Wirtschaft, in Laval das Journalistik-Studium. Anschließen war er an der Uni in Montréalund 1995 an jener von Toronto, wo er eine Masterarbeit ablegte zum Verhältnis von Wissenschaft und Literatur in Moby Dick. 1996 folgte er seiner Freundin (und bis heute noch Partnerin) nach Bordeaux/Frankreich. Er erhielt schon verschiedene Preise für seine Bücher, so auch dieses hier vorgestellte !


    Broché: 150 pages

    Editeur : Quidam Editeur (7 mars 2019)

    Langue : Français

    ISBN-10: 2374910938

    ISBN-13: 978-2374910932

  • Deine Rezension hört sich spannend an, und schade - das Buch gibt es noch nicht in deutscher Übersetzung.

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Deine Rezension hört sich spannend an, und schade - das Buch gibt es noch nicht in deutscher Übersetzung.

    Es ist wirklich erst vor circa einem Monat auf Französisch erschienen, also etwas früh, schon jetzt mit einer Übersetzung zu rechnen. Aber das könnte kommmen...