Nell Leyshon - Der Wald / The Forest

  • Dieses Buch erzählt die Geschichte von Pawel und seiner Mutter Zofia.

    Es beginnt mit zwei Briefen. Sofia ist alt und wird betreut, als sie einen Brief erhält mit einer Einladung. Auch Paul erhält einen Brief, den er schon erwartet hat.

    Dann gliedert sich das Buch in drei Abschnitte: Stadt, Wald, Kleinstadt.

    Alles beginnt in Warschau, als Pawel noch behütet im Kreis der Familie aufwächst. Doch der Beginn des zweiten Weltkrieges bringt für die Familie auch Veränderungen mit sich. Rundherum wird gekämpft, es fallen Bomben. Karol, der sich im Widerstand gegen die Nazis engagiert, bringt einen verletzten Engländer zum Sterben ins Haus, was sie alle in Gefahr bringt und ungeahnte Folgen hat. Dann erleben wir Pawel und seine Mutter, die im Wald Sicherheit gesucht haben. Sie sind bei der alten Baba untergekommen. Dann gibt es einen Sprung in ihr späteres Leben in England.

    Die Autorin Nell Leyshon hat sich mit ihrem Buch „Die Farbe von Milch“ einen Namen gemacht.

    Der Schreibstil ist ruhig und fast schon distanziert, aber immer sehr ausführlich. Trotzdem konnte ich mich gut in die Charaktere und ihre Situation hineinversetzen. Zofia hatte ihre Träume, aber sie hat sich ganz selbstlos in das ihr aufgezwungene Leben eingelassen. Pawel ist ein ängstlicher Junge, der wissbegierig ist und fantasievoll, manchmal aber auch ein wenig naiv.

    „Der Wald“ erzählt eine Geschichte über eine Beziehung zwischen Mutter und Sohn. Zofia wollte Musik machen, hat den Maler Karol kennengelernt und ihren Sohn Pawel bekommen. Zu dem Jungen hat sie keine rechte Beziehung aufgebaut, da zunächst ein Kindermädchen sich um ihn gekümmert hat. Der Krieg kam und die Dienstboten gingen; Zofia muss sich selbst um ihr Kind kümmern. Sie möchte ihn behüten und doch ist er ihr auch seltsam fremd; sie ist in ständigem Zwiespalt. Karol findet, dass sie nicht hart genug ist. Ihre Zeit im Wald hat beide auf unterschiedliche Weise geprägt. Bei Baba lernt Pawel nicht nur, wie man die Lebensmittel erzeugt, sondern auch das Malen. Später in England lebt Pawel, der nun Paul ist, als Künstler sei eigenes Leben. Er wurde durch die Vergangenheit und Baba geprägt und das Erlebte sorgt dafür, dass Mutter und Sohn sich nur schwer wieder einander annähern können, obwohl sie auf immer miteinander verbunden sind.

    Es ist ein emotionales eindringliches Buch, das wenig spannend ist, mir aber trotzdem gut gefallen hat.

  • K.-G. Beck-Ewe

    Hat den Titel des Themas von „Nell Leyshon - Der Wald“ zu „Nell Leyshon - Der Wald / The Forest“ geändert.
  • Zum Inhalt:


    Polen im Zweiten Weltkrieg: Der kleine Pawel wächst wohlbehütet in einem bürgerlichen Warschauer Haushalt auf. Doch als der Krieg kommt und sein Vater sich im Widerstand gegen den Nationalsozialismus engagiert, ändert sich alles. Die Familie lebt in ständiger Gefahr. Eines Nachts bringt der Vater einen verwundeten englischen Kampfpiloten mit nach Hause, um ihn in Würde sterben zu lassen, und löst damit eine Kette folgenschwerer Ereignisse aus ...

    England, viele Jahre später: Pawel führt in England ein Leben als freier Künstler. Tief in sich trägt er die Erinnerung an die Erlebnisse seiner Kindheit – daran, wie er mit seiner Mutter in den Wald fliehen musste und dort Monate verbrachte, jenseits von allem, was er kannte, allein inmitten der Natur. [Anm.: Hier stimmt die Beschreibung nicht wirklich: Mutter und Sohn leben in einem Stall- bzw. Scheunengebäude neben einem kleinen Häuschen, das von einer alten Frau bewohnt wird, die die beiden auch mit Lebensmitteln versorgt und einen großen Garten bewirtschaftet.] Die Geschehnisse dieser Zeit haben beide ganz unterschiedlich geprägt und für immer aneinander gebunden; doch in der Gegenwart stellen sich Mutter und Sohn Hindernisse in den Weg, die es ihnen schwer machen, wieder zueinander zu finden ...

    (Quelle: amazon.de)


    Meine Meinung:


    Dieses Buch lässt mich zwiegespalten zurück.


    Einerseits fand ich die Perspektiven von Zofia und Pawel auf die Geschehnisse im Polen des 2. Weltkrieges ungewöhnlich genug, um das Buch lesenswert zu machen, während es im zweiten Teil um Migrantenschicksale geht, wie man sie schon vielfach gelesen hat.

    Andererseits aber waren gerade die Schilderungen von Zofias und Pawels Zeit in Polen von so einer lähmenden Langsamkeit und gar Öde geprägt, dass ich das Buch in der ersten Hälfte abgebrochen hätte, wenn es sich nicht um ein Rezensionsexemplar gehandelt hätte. Es geschieht wenig, und die Hauptfiguren ergehen sich in einer nicht enden wollenden Nabelschau, Zofia auch noch in immer neuem Aufwallen von Selbstmitleid ob ihrer neuen Lebenssituation - ohne Dienstmädchen, in einem Stall hausend, nur mit dem Nötigsten, zurückgeworfen auf sich selbst und das kleine Kind. Aber ist es nicht gerade dieses Nötigste, das so vielen Menschen zu dieser Zeit verwehrt geblieben ist, was auch eine Frau aus gehobenen Schichten wie Zofia bemerkt haben sollte? Sind nicht die Bedürfnisse eines Kindes und deren Befriedigung einer Mutter ein gewisses Anliegen (wenn auch nicht das einzige im Leben), sodass sie sich aus ihrem Selbstmitleid auch mal lösen und sich einfach um dieses Kind kümmern könnte? Da nützt es mir als Leserin auch nichts, dass die Figur Zofia ihr stetes Gedankenkarussel, ihre unablässige Nabelschau ironisch reflektiert, wenn sie dann doch darin verharrt. Es bleibt ermüdend, egoistisch und realitätsfern.


    Etwas frischer das Geschehen im zweiten Teil. Hier kommt endlich Bewegung in die Geschichte, die Figuren haben Veränderungen durchlaufen - aber diese werden oft einfach nur präsentiert, man erfährt als LeserIn nicht, wie die Figur zu diesen Wandlungen und Erkenntnissen gekommen ist - vor allem, wann und warum Zofia plötzlich aufgewacht ist und doch einen Zugang zu ihrem Sohn gefunden hat. Ja, es gibt dieses eventuelle Schlüsselerlebnis mit der Erde (mehr sage ich dazu jetzt nicht), aber hat das denn ausgereicht? Man bekommt die daraus vielleicht resultierenden Veränderungen nicht gezeigt. Schade - ich bin mir sicher, die wort- und empathiegewandte Autorin hätte diese Entwicklungen darstellen können. Warum sie es nicht getan hat, ist mir ein Rätsel.


    So habe ich mich als Leserin zwar durch einen umfangreichen und über weite Strecken durchaus interessanten Roman gearbeitet, musste aber zu viele Lücken in der Geschichte der ProtagonistInnen selbst füllen.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

    :study: I. L. Callis - Doch das Messer sieht man nicht

    :study: Nadia Murad - Ich bin eure Stimme

    :musik: Asako Yuzuki - Butter (Re-???)

    :montag: Deb Olin Unferth - Happy Green Family (Reread)





  • Klappentext von der Verlagsseite

    Warschau im Zweiten Weltkrieg: Der kleine Pawel wächst wohlbehütet in einem bürgerlichen Haushalt auf. Doch als der Krieg kommt und sein Vater sich im Widerstand gegen den Nationalsozialismus engagiert, ändert sich alles. Die Familie lebt in ständiger Gefahr. Eines Nachts bringt der Vater einen schwer verwundeten englischen Kampfpiloten mit nach Hause, um ihn in Würde sterben zu lassen. Doch entgegen jeder Wahrscheinlichkeit überlebt der Pilot und löst damit eine Kette folgenschwerer Ereignisse aus … England, viele Jahre später: Pawel führt ein Leben als freier Künstler. Tief in sich trägt er die Erinnerung an die Erlebnisse seiner Kindheit – daran, wie er mit seiner Mutter in den Wald fliehen musste und dort Monate verbrachte, jenseits von allem, was er kannte, allein inmitten der Natur. Die Geschehnisse dieser Zeit haben beide ganz unterschiedlich geprägt und für immer aneinander gebunden; doch in der Gegenwart stellen sich Mutter und Sohn Hindernisse in den Weg, die es ihnen schwer machen, wieder zueinander zu finden …

    Autoreninfo von der Verlagsseite:

    Nell Leyshons erster Roman Black Dirt stand auf der Longlist des Orange Prize und auf der Shortlist des Commonwealth Prize. Ihre Theaterstücke und Hörspiele erhielten ebenfalls zahlreiche Auszeichnungen. Im EISELE VERLAG erschien zuletzt mit großem Erfolg bei Presse und Publikum Die Farbe von Milch, ihr zweiter Roman, für den sie neben James Salter und Zeruya Shalev für den Prix Femina nominiert war. Nell Leyshon wurde in Glastonbury geboren und lebt in Dorset.

    Erster Satz:

    Sofia hört, wie sich die Klappe des Briefschlitzes öffnet und schließt, hört das Gewicht der Briefe, wie sie auf den Boden fallen.

    Aufbau:

    Nell Leyshons “Der Wald” ist in drei Teile eingeteilt mit den Titeln Stadt – Wald – Kleinstadt. Jedes Kapitel umfasst noch einige Unterkapitel. Sowohl der Prolog als auch der Epilog trägt den Namen “Zwei Briefe”.

    Meinung:

    “Der Wald” von Nell Leyshon ist ein eindruckvolles Werk, welches von den leisen Tönen lebt. Leyshon greift den Zweiten Weltkrieg als Rahmenhandlung auf und kommt dabei ohne blutige Gräueltaten aus. Ihr Stil ist sehr leise und unterschwellig spürt man das Grauen des Krieges.

    Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht von Zofia und ihrem Sohn Pawel, die zu Kriegszeiten mit ihrer Familie in Warschau leben. Zofia ist Cellistin und ihr Mann ist im Widerstand aktiv, gerade diese Aktivität, sollte die Familie noch in Schwierigkeiten bringen.

    Pawel ist noch ein kleiner Junge und versteht nicht, was draußen vor sich geht. Er ist ein kleines, verträumtes Kind. Der genaue Gegensatz zu seiner Mutter Zofia, die nachdenklich und strukturiert ist, aber auch mit der Nahrungsmittelknappheit und dem Kriegsgeschehen nicht umzugehen vermagt. Ihr Verhältnis zu Pawel ist zwiegespalten, auf der einen Seite würde sie ihn am liebsten die ganze Zeit bemuttern, auf der anderen Seite nimmt er ihr die Luft zu atmen.

    Verständlich auf der einen Seite, da sie früher Bedienstete hatte, die sich um Pawel gekümmert haben. Dennoch war mir Zofias Verhalten zu ihrem Sohn sehr distanziert. Das ändert sich auch in den folgenden Kapiteln nicht, auch nicht als sie mit ihm in den Wald fliehen musste, als sich die Ereignisse in Warschau und ihrem Zuhause überschlagen.

    Erst da erfährt Pawel so etwas wie Zuneigung durch die alte Frau im Wald, die sich um die beiden kümmert und mit deren Hilfe sie den Krieg überstehen. Das Verhältnis von Mutter und Sohn wird noch schwieriger, da sich Zofia schwer mit ihrer Situation tut, weit ab von der Zivilisation zu leben. Es ist eine Gradwanderung zwischen den beiden und man spürt allzu oft wie Pawel versucht seiner Mutter näherzukommen.

    Als der Krieg vorüber ist, können Zofia und Pawel nach England fliehen, sie nennen sich nun Sofia und Paul. Der Sprung erfolgt sehr abrupt und so musste ich mich erst noch etwas hereinfinden. Auch dort lässt sie ihre Vergangenheit nicht los, aber sie gehen beide ihren Weg. Der sie nicht näher zueinander bringt.

    Gerade Pawel/Paul hat mir in seiner Charakterisierung gut gefallen, er ist vom kleinen Träumer zu einem sehr vielseitigen Mann herangewachsen, der Erfolg hat und seine Träume lebt. Die Zeit im Wald mit der alten Frau Baba hat ihn geprägt, was man immer wieder merkt.

    “Der Wald” ist ein leises Buch ohne Action und Spannung. Man könnte meinen es plätschert vor sich hin, aber gerade die vielen Gedankengänge von Zofia und Pawel vertiefen die Handlung. Man kommt den beiden näher. Am besten ist es mir bei Pawel gelungen, besonders ihn charakterisiert Leyshon sehr deutlich und ich mag seine gesamte Entwicklung. Mit Zofia hatte ich bis zum Schluss meine Probleme, obwohl sie mir nicht unsympathisch war, aber irgendwie kam sie nie so deutlich zum Vorschein wie Pawel. Vielleicht lag es auch für mich daran, dass sie sich mit der Entwicklung ihres Sohnes bis zu ihrem hohen Alter schwertat und ihn nicht verstehen konnte oder wollte.

    Die Handlung lebt von den Emotionen und dem eigenen Gedankenkino, dass sich dem Leser auftut. Es ist kein Kriegsroman, sondern ein wundervoll, leicht, ruhig und poetisch geschriebener Entwicklungsroman und eine sehr gekonnt über mehrere Jahrzehnte dargestellte Mutter-Sohn-Beziehung, die im stetigen Wandel ist.

    Neben diesem poetischen Stil und den Charakteren hat mich besonders der Aufbau der Story angesprochen. Das Buch ist wie gesagt in drei Teile eingeteilt mit vielen Unterkapiteln. Gerade diese birgen ein Geheimnis in ihrem jeweiligen Titel, das ich sehr gelungen finde. Ist es mir doch erst im Laufe der Handlung aufgefallen. Ein weiteres Augenmerk gehört auf den Schreibstil von Leyshon gelenkt, sie erzählt die Handlung oft in kurzen Sätzen, die einen in die Geschichte reinziehen.

    Fazit

    “Der Wald” ist ein poetischer, leiser Entwicklungsroman über eine Mutter-Sohn-Beziehung, der mich berührt und bewegt hat. Ein Roman zum Nachdenken und der noch lange nachklingt.


    Bewertung


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    Liebe Grüße von der buechereule :winken:


    Im Lesesessel


    Kein Schiff trägt uns besser in ferne Länder als ein Buch!
    (Emily Dickinson)



    2024: 010/03.045 SuB: 4.302

    (P/E/H: 2.267/1.957/78)