William Boyd - Eines Menschen Herz / Any Human Heart

  • Klappentext:

    Logan Mountstuart ist Schriftsteller, Kunsthändler, Spion: Anfang Zwanzig brilliert er mit einer Shelley-Biographie, heiratet eine adlige Lady, trifft auf Berühmtheiten wie Evelyn Waugh (der ihn auf einer Party küsst!) und Virginia Woolf (die Zicke!). Er lernt in Paris Hemingway und Picasso kennen und kauft Gemälde von unbekannten Künstlern namens Paul Klee und Juan Gris. In Form von Tagebucheinträgen ist Eines Menschen Herz hochspannend und abenteuerlich komponiert von William Boyd, einem der brillantesten englischen Romanciers. – Amazon


    Zum Autor:

    William Boyd, 1932 geboren, wuchs in seinem Geburtsort Accra (Ghana) und Nigeria auf. Er studierte Romanistik in Nizza und Anglistik in Glasgow und Oxford, bevor er längere Zeit als Lektor und Drehbuchautor arbeitete. Für seine literarischen Arbeiten erhielt William Boyd u.a. den Booker Prize und den Somerset Maugham Award. – Hanser-Verlagsseite


    Allgemeine Informationen:

    Originaltitel: Any Human Heart

    Erstmals erschienen 2002 bei Hamish Hamilton, London

    Aus der Englischen übersetzt von Chris Hirte

    Unregelmäßig chronologisch als Tagebuch in 10 Abschnitten erzählt von Logan Mountstuart ab dem 17. Lebensjahr (1923) bis zu den letzten Tagen vor dem Tod (1991)

    Nachwort, Register

    511 Seiten


    Meine Meinung:

    Es ist Boyds Lieblingsansatz: Man nehme einen Protagonisten, setze ihn so ins letzte Jahrhundert, dass einige Leser zu Zeitgenossen werden, lasse ihn fiktiven und wirklichen Personen begegnen und die realen politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Veränderungen miterleben, evtl. sogar mittragen oder verantworten.

    Logan ist 17, als er sein Tagebuch bewusst beginnt. Geboren in Uruguay besucht er jetzt ein Internat in England, kämpft um sein Selbstbewusstsein und sein Ansehen bei Mädchen und träumt von einer Schriftstellerkarriere. Er schreibt zwar eine viel beachtete Biographie über Shelley und lebt eine Zeitlang von Vorschüssen zu seinen nächsten Romanen, aber in seinem wechselvollen Leben wird er neben Schriftsteller auch noch Spion, Kunsthändler, Feuilleton-Journalist und Kriegsreporter; er lebt in Oxford und London, wird in der Schweiz inhaftiert, leitet eine Galerie in New York, wird Universitätsdozent in Nigeria, lebt als Rentner wieder in London und beschließt seinen Lebensabend in Frankreich.


    Zunächst stellt Logan sich dem Leser als überheblicher, arroganter und eingebildeter Schnösel dar, der im Inneren davon überzeugt hat, dass die Welt (vor allem die weibliche und die literarische) nur auf ihn wartet. Je mehr er vom Schicksal auf den Boden geholt wird, desto näher rückt er dem Leser, bis Logan alles verliert, was er liebt und das Mitleid des Lesers ihm gewiss ist.


    Mit diesem Buch beendet Boyd seine „Trilogie der Fälschungen“, die er 1988 mit der Biographie des Filmregisseurs John James Todds begonnen hatte und deren Höhepunkt das 1998 erschienene „Nat Tate“ war, mit dem er die Kunstszene an der Nase herumführte. Boyd spielt mit seinen Figuren, lässt sie kurz in den anderen Büchern auftauchen und verknüpft sie wiederum mit real existierenden Personen. Zusätzlich gaukelt das Register Authentizität vor, ein genialer Schachzug.


    Boyd hat es bekanntlich 2015 noch einmal getan. „Die Fotografin“ scheint aus der Trilogie eine Tetralogie zu machen; der Autor hat also zum vierten Mal den gleichen Trick angewendet. Dennoch: Er wiederholt sich nicht, er wird nicht langweilig, seine Protagonisten gleichen einander nicht, weder in der Charakteristik noch im Lebenslauf. So etwas schafft nur ein Autor der Extraklasse!!!

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Es gibt auch eine großartige Verfilmung mit Matthew Macfadyen und Jim Broadbent in der Rolle des jüngeren bzw. älteren Logan.