Peter Handke – Ein Jahr aus der Nacht gesprochen

  • Original : Deutsch, 2014


    INHALT :

    Jeder kennt diese Augenblicke zwischen Schlaf und Nichtschlaf noch vor dem wirklichen Wachsein, wenn aus dem Gemisch von Tagesresten und Träumen sich Bilder und Wörter zu halben und ganzen Sätzen verbinden wollen, meist aber zerrinnen, ehe sie Form angenommen haben.

    365mal hat Peter Handke im Erwachen aus Schlaf und Traum Sätze geborgen und aufgeschrieben, deren Herkommen so rätselhaft ist wie ihr Weiterwirken offen…

    (Inhalt laut Buchangabe und Klappentext)


    BEMERKUNGEN :

    Ja, Sätze aus der Nacht gesprochen, mit einer ihnen eigenen Dunkelheit und Undurchsichtigkeit. Man müsste schon ein ausgesprochenes Gespür für Formen der Absurdität oder der Undurchdringlichkeit haben. Sehr wenige Einträge dieses « Nachtbuches » enthüllen mir etwas Zugängliches, Verständliches. Das mag an der Sache liegen : wenn wir unsere wirren Träume wirklich versuchen würden aufzuschreiben, bzw Sätze aus ihnen zu vermitteln – zudem ohne weitere Erklärungen : Wer könnte uns verstehen ?

    Nun Handke hat einen Status, dass eben solch Festgehaltenes veröffentlicht werden kann. Vielleicht pushen da auch die Verleger ? Ich selber war doch etwas enttäuscht und will mich nicht grossdenkerisch tun und mich und Euch fragen : Nu, was sagt mir der Text ? Aber vielleicht darf das alles einfach so stehenbleiben…


    Hier einige Stellen, die mich angesprochen haben, die aber in ihrer Zugänglichkeit wohl nicht repräsentativ sind :


    «Schau doch ! Schau !… Du hast nicht geschaut... »

    «Manchmal, wenn man redet, redet man immer weiter »

    «Niemand will was von mir. Die Kultur muß sich ändern ! »

    «Du bist mein Untergang, aber es gibt Schlimmeres »

    « Irgendjemand muß auf das Feuer aufpassen ! »

    «Ich habe Heimweh nach der Schönheit »

    « Seltsamer, du bist so schwer zu durchschauen. » - « Du willst mich also durchschauen? »

    « Was ist zu machen mit dem Bild ? » - Nichts. Aber es ist da »

    « Es gibt Leute, die kommen irgendwohin, und alle Dinge werden zum Indiz »


    ZUM AUTOR:

    Peter Handke, geb. am 6.Dezember 1942 in Griffen/Kärnten. Die Familie mütterlicherseits gehört zur slowenischen Minderheit in Österreich; der Vater, ein Deutscher, war in Folge des Zweiten Weltkriegs nach Kärnten gekommen. Nach seiner Kindheit, die er im Berliner Ostsektor und in Griffen verlebte, studierte er nach seinem Abitur 1961 in Graz Jura. 1965 brach er nach der Veröffentlichung seines ersten Romans sein Studium ab und arbeitet seither als freiberuflicher Schriftsteller. Er lebte zunächst in Graz, dann in Düsseldorf und Berlin, Paris, Kronberg im Taunus, in den USA und ab 1979 längere Zeit in Salzburg. Zur Zeit wohnt er in Chaville in Frankreich.


    Neben seinem umfangreichen eigenen Werk hat Peter Handke viele Prosawerke und Stücke von Schriftsteller-Kollegen ins Deutsche übertragen: Aus dem Griechischen Stücke von Aischylos, Sophokles und Euripides, aus dem Französischen Emmanuel Bove (unter anderem Meine Freunde), René Char und Francis Ponge, aus dem Amerikanischen Walker Percy...


    1973 wurde Peter Handke mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet und 2007 erhielt er den Berliner Heinrich-Heine-Preis, 2008 den Thomas-Mann-Literaturpreis, 2009 wurde er mit dem Franz-Kafka-Literaturpreis ausgezeichnet. Nun erst mit dem Ibsen-Preis. (Quelle: amazon.de)


    Weiterführende Links zu Peter Handke:

    http://www.tour-literatur.de/L…_autoren/handke_links.htm

    (Quelle: amaz.de; wikipedia; Autorenlink)


    Taschenbuch:

    215 Seiten Verlag:

    Suhrkamp Verlag; Auflage: 1 (20. Januar 2014) Sprache:

    Deutsch ISBN-10:

    3518464922 ISBN-13:

    978-3518464922

  • Handke hat einen Status, dass eben solch Festgehaltenes veröffentlicht werden kann

    Das ging mir als erstes durch den Kopf, als ich gerade die Sätze im Zitatefred las. Schon merkwürdig, wenn jemand glaubt, seine kruden, für andere Leute unverständlichen Gedankensplitter unters Volk zu bringen. Bei allem Respekt für Handke: Muss so was sein?


    Ich bin mir ziemlich sicher, dass jedem irgendwelche merkwürdigen Sätze und Bilder in der Zwischenphase von Schlaf und Wach durch den Kopf gehen. Doch für unsere interessiert sich ja keiner. :cry: Andererseits käme auch keiner von uns auf die Idee, daraus ein Buch zu machen.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Die Sätze für sich genommen sind wahrlich nicht "der Weisheit letzter Schluss". Aber das wollen sie ja wohl auch nicht sein. Der Hintergrund, dass sie aus Träumen oder Dämmerzuständen herrühren, macht sie für mich wieder interessant, vor allem, wenn ich mich darauf verlassen kann, dass sie authentisch sind.


    Der Gedanke "Das kann ich aber auch", ist ja im Grunde kein zielführender Weg, um sich mit Kunst oder Texten zu beschäftigen. Gerade durch die Veröffentlichung solcher Seltsamkeiten wird die Spannbreite, was als Kunst angesehen werden kann, ausgedehnt. Was ich ja nicht das Schlechteste finde, um nicht einen total engen Kunstbegriff zu bewahren. Deswegen mag ich solche möglichst ungestalteten Texte, an denen ein "klassischer Autor" wenig gewirkt zu haben scheint, eigentlich ganz gerne. Das ist fast wie ein ungehindertes Anzapfen dessen, was einem Autor so im Kopf herumspukt. Ich denke da auch an Jack Kerouac, der seine Texte möglichst nicht mehr redigieren wollte, da ihm das wie eine verfremdende Selbstzensur vorgekommen wäre. Oder an Cut-up-Techniken, bei denen Texte mehr oder weniger zufällig entstehen - und oftmals keinen vordergründig greifbaren Sinn ergeben. Dass man davon als Leser nicht besonders satt wird, muss man dabei wohl hinnehmen. Aber wenn man über manche Aspekte oder - wie es tom leo in seiner Rezension ja angeregt hat - über diese Art zu schreiben nachdenkt, kann man als Leser daraus ja dann doch Erkenntnisse ziehen. Was nicht das schlechteste Zeugnis für Literatur ist.

    Doch spätestens dann, wenn man mit dem Gedanken an die Sache rangeht, mit so einem schmalen Buch voller einzelner Sätze "bekäme man ja recht wenig fürs Geld", ist man bei diesem Buch wohl nicht an der richtigen Adresse.

    White "Die Erkundung von Selborne" (115/397)

    Kellendonk "Buchstabe und Geist" (83/170)

    Figura/Mizielińscy "Wölfe" (89/262)


    :king: Jahresbeste: Gray (2024), Brookner (2023), Mizielińscy (2022), Lorenzen (2021), Jansson (2020), Lieberman (2019), Ferris (2018), Cather (2017), Tomine (2016), Raymond (2015)

    :study: Gelesen: 59 (2024), 138 (2023), 157 (2022), 185 (2021), 161 (2020), 127 (2019), 145 (2018), 119 (2017), 180 (2016), 156 (2015)70/365)
    O:-) Letzter Kauf: Kuhl "Helenes Familie" (23.04.)

  • Der Hintergrund, dass sie aus Träumen oder Dämmerzuständen herrühren, macht sie für mich wieder interessant, vor allem, wenn ich mich darauf verlassen kann, dass sie authentisch sind.

    Für mich selbst finde ich es weniger interessant zu erfahren, was Peter Handke in den Minuten kurz vor und nach dem Einschlafen durch den Kopf geht. Das finde ich allenfalls bei den Menschen interessant, mit denen ich alltäglich umgehe und deren Gedanken ich in einem größeren Umfeld unterbringen kann.

    In losen Sätze wie denjenigen, die tom leo notiert hat, finde ich keinen Anknüpfungspunkt für irgendeine Auseinandersetzung oder Beschäftigung mit dem Autor. Ich frage mich eher: Warum veröffentlicht Handke sie? Sie erscheinen mir im besten Fall sehr intim.

    Was ich ja nicht das Schlechteste finde, um nicht einen total engen Kunstbegriff zu bewahren.

    Den habe ich dann wohl. Und zwar seit Anfang der 80er Jahre. Wir waren mit den Kindern bei Wallraf-Richartz in Köln, wo ein Bild hing, das lediglich eine blau angestrichene Fläche zeigte. Zuhause malte mein Sohn ein Blatt rot aus und fragte, ob das jetzt Kunst sei und ob er auch ins Museum käme. :lol:

    Daran musste ich heute Morgen denken, als ich den Fred las.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • ... wobei ich oute, dass die von mir hier angeführten Ausschnitte für mich noch relativ aussagekräftig sind. Ich könnte davon ausgehend mir noch einiges innerlich zusammenbasteln. Allerdings hört es da auch schon auf: die anderen Sätze sind noch weit kryptischer, absurder, in gewissem Sinne inhaltloser. Ich glaube, ich zitiere da mal erst garnicht...