Physik der Schwermut

Buch von Georgi Gospodinov, Alexander Sitzmann

Zusammenfassung

Inhaltsangabe zu Physik der Schwermut

»Eine literarische Wundertüte.« Cicero Der Erzähler von Georgi Gospodinovs Roman leidet an übergroßer Empathie: Er kann und muss sich in alles und jeden einfühlen und erlebt dann, was diese anderen erleben – ob das nun sein Großvater am Beginn des 20. Jahrhunderts ist, der in ein Labyrinth weggesperrte Minotauros oder eine Schnecke, die gerade verschluckt wird. Aber auch, dass die Zeit unwiederbringlich vergeht, macht ihm zu schaffen – so birgt er Absurdes und Alltägliches von der Antike bis zur Apokalypse und wappnet sich damit gegen das Vergessen: Die Vergegenwärtigung altgriechischer Mythen ist ebenso denkwürdig wie seine Erinnerung an vierzig Jahre bulgarischen Kommunismus.
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Bewertungen

Physik der Schwermut wurde insgesamt 3 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 4,3 Sternen.

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Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Physik der Schwermut

    Der Autor (Q: Webseite dtv): Georgi Gospodinov, geboren 1968 in Jambol im Südosten Bulgariens, studierte Bulgarische Philologie in Sofia. Gospodinov verfasst regelmäßig Kolumnen für die bulgarische Tageszeitung ›Dnevnik‹ sowie für die ›Deutsche Welle‹ und ist als Redakteur einer Literaturzeitschrift tätig. Er ist ein vielseitiger Autor, schreibt Romane, Erzählungen und Lyrik ebenso wie Drehbücher und Theaterstücke. Internationales Ansehen erlangte er mit seinem Debütroman ›Natürlicher Roman‹, der in zahlreiche Sprachen übersetzt wurde und Gospodinov damit zu einem der meistübersetzten bulgarischen Autoren seit 1989 macht. Sein Erzählband ›Und andere Geschichten‹ stand auf der Longlist für den Frank O'Connor Award. Sein zweiter Roman, ›Physik der Schwermut‹, war für verschiedene internationale Preise nominiert, darunter der Internationale Literaturpreis des Hauses der Kulturen der Welt, der Brücke Berlin Preis, der Premio Strega Europeo sowie der American Pen Translation Prize. Zuletzt wurde Gospodinov für ›Physik der Schwermut‹ mit dem Prix Jan Michalski ausgezeichnet. Im Sommersemester 2015 hatte er die Siegfried-Unseld-Gastprofessur an der Humboldt-Universität Berlin inne. Georgi Gospodinov lebt und arbeitet in Sofia.
    Kurzbeschreibung (Q: Webseite dtv): Der Erzähler von Georgi Gospodinovs Roman leidet an übergroßer Empathie: Er kann und muss sich in alles und jeden einfühlen und erlebt dann, was diese anderen erleben – ob das nun sein Großvater am Beginn des 20. Jahrhunderts ist, der in ein Labyrinth weggesperrte Minotauros oder eine Schnecke, die gerade verschluckt wird.
    Aber auch, dass die Zeit unwiederbringlich vergeht, macht ihm zu schaffen – so birgt er Absurdes und Alltägliches von der Antike bis zur Apokalypse und wappnet sich damit gegen das Vergessen: Die Vergegenwärtigung altgriechischer Mythen ist ebenso denkwürdig wie seine Erinnerung an vierzig Jahre bulgarischen Kommunismus.
    »Ein hinreißender Roman.« Sandra Kegel in ›Frankfurter Allgemeine Zeitung‹
    »Georgi Gospodinov hat ein Buch verfasst, dessen ebenso komplexer wie komischer ›Teilchenphysik der Trauer‹ kaum mehr mit Kritik, sondern nur noch mit Begeisterung beizukommen ist.« Andreas Breitenstein in ›Neue Zürcher Zeitung‹
    »Eine Arche Noah der Literatur.« Carmen Eller auf ›Zeit Online‹
    Der Roman wurde zuerst unter dem bulgarischen Originaltitel als "Fizika na tagata" (Физика на тъгата) im Jahr 2012 beim Verlag Janet 45 in Plovid veröffentlicht. Im Jahr 2014 erschien die deutsche Übersetzung von Alexander Sitzmann beim Literaturverlag Droschl in Graz und Wien, die zwei Jahre später auch als Taschenbuch in der dtv Verlagsgesellschaft München herausgekommen ist. Diese Ausgabe hat einen Umfang von 335 Seiten. Eine englische Übersetzung aus dem Bulgarischen von Angela Rodel liegt seit 2015 beim Verlag Open Letter in Rochester als "The Physics of Sorrow" vor.
    Genau meine Art von Nachdenklichkeit: Der sehr hintersinnige und spitzbübische Ich-Erzähler des Romans, der deckungsgleich mit dem Autor zu sein scheint, ist ein äußerst empathischer Mensch. Seine Einfühlung in alle seine Mitmenschen, in lebende wie literarische Figuren, ist manchmal von einer fast lähmenden Intensität. So taucht das Buch in diverse Leben ein, wie man es selten in Büchern erleben kann: Eine Familiengeschichte vieler Stimmen auf etlichen Zeitebenen schält sich aus der Vergangenheit heraus. Ein Ich-Erzähler mit etlichen Geburstagen durch das ganze Jahrhundert, der in diversen Epochen zu Hause ist. Doch das Buch scheint weniger ein Reigen an bunter Geschichten zu sein, sondern vielmehr ein Buch über das Erinnern und Mitfühlen an sich. Ein Archiv des Lebens, bewahrt in der Erinnerung. Dem es darauf ankommt, all die verschwiegenen Gefühle und Verletzungen im Privaten und Öffentlichen bloß zu legen und zu notieren. Der schmähliche Umgang der Menschen mit ihren Kindern, der Umgang mit der Angst vor der Auslöschung, der Wunsch sich mitzuteilen und Nachrichten an die Nachgeborenen in Zeitkapseln zu bewahren, die Ironie der Sprache, die Melancholie des Flüchtigen und die Dürftigkeit unserer Erinnerungsträger. Ein Buch über das Altern, das Erinnern und das Vergehen. Dass jeder in seiner Kindheit stirbt, wenn er im Alter wieder "zum Kind" wird. Menschen, die Geschichten verkaufen; der Friedhof als Ort zum Innehalten; die lauernde Phobie gefragt zu werden: "Wie geht's?" Die Antwort ist ein ganzer Roman oder lautet am besten "Gar nicht!" oder "Ich verblöde!". Die unendlichen Möglichkeiten des Nicht-Erzählten und Nicht-Geschehenen. Das Labyrinth der Erinnerungen - und das Schrecklichste am Labyrinth ist, dass man immer und immer wieder vor die Wahl gestellt wird.
    Einen großen Teil des Buches beschäftigt sich der Erzähler mit dem Im-Stich-Lassen von Kindern und interessiert sich folglich sehr für den antiken Mythos vom Minotauros. Er ist verwundert bis entsetzt, dass es weder bei den antiken Autoren, noch in späteren Jahren an irgendeiner Stelle Mitleid mit "der Missgeburt" gibt. Es wird getan, als wäre er die größte Schande unter der Sonne, dabei ist er höchstens das Opfer der Sünden seines Vaters, der ihn verstieß, einsperren ließ und einem Mörder überantwortete, als er sah, dass der "Ehebruch" seiner Gemahlin ein Kind mit Stierkopf nach sich zog. Alle Beschreibungen des Minotauros triefen vor Ekel und Abscheu. Wenn man ihn nur Monster nennt, ist man noch gnädig. Doch in der Sichtweise des Buches ist der Minotauros einfach ein unschuldiger Junge, der von seinen Eltern im Stich gelassen wurde, der Angst hat und der allein ist. Gemeinsam mit dem Ich-Erzähler stellt man sich als Verteidiger an seine Seite und erlebt, was den Autor interessiert: die Vergangenheit, die Trauer und die Literatur. Zum Glück alles Dinge, die kein Gewicht haben.
    Das Buch – alle nennen es Roman, dabei scheint es mir fern jeden Romanhaften, eher wie eine Mischung aus Memoir, Recherchebericht, innerem Dialog und Prosagedicht – ist randvoll mit brillanten Gedankengängen, ungewöhnlichen Verknüpfungen und neu gedachten Ansichten unhinterfragter (Un-)Wahrheiten. Ein sehr erwachsener Tonfall. Der Erzähler: ein Querdenker, eine alte Seele, nicht schwermütig, höchstens wehmütig, sehnsuchtsvoll und einfühlsam. Kein Akademiker, der mit seinem Wissen hausieren geht, sondern ein nachdenklicher Gefährte, dem man in einem stillen Winkel zu begegnen hofft. Ein Poet, dem man gerne zuhört! Ein literarischer Schatz der europäischen Mentalitätsgeschichte. Höchstwertung: Fünf Sterne.
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Ausgaben von Physik der Schwermut

Taschenbuch

Seitenzahl: 336

Hardcover

Seitenzahl: 336

E-Book

Seitenzahl: 336

Besitzer des Buches 7

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