Die Leiche vor der Tür

Buch von John Wainwright

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Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Die Leiche vor der Tür

    John (William) Wainwright (am 25. Februar 1921 im englischen Hunslet, West Yorkshire geboren, am 1. September 1995 gestorben) war zwanzig Jahre lang im Polizeidienst tätig - nebenbei studierte er auch erfolgreich Jura -, bevor er sich 1967 völlig der Kriminalschriftstellerei widmete und gewissermaßen den modernen, britischen Police Procedural, also ein möglichst akkurates literarisches Abbild polizeilicher Ermittlungsarbeit in Form aufreibender Teamleistung vom Streifenpolizisten bis zum hochrangigen Chief Superintendent, stilistisch begründete. Nach seinem Tod wurde der scheue, Jazz liebende, in vielen Sujets versierste Vielschreiber leider recht bald vergessen. "Selbstverständlich" ist heutzutage keiner seiner fast 80 Romane (manche zuerst unter dem Pseudonym Jack Ripley erschienen) regulär auf Deutsch lieferbar (noch nicht einmal sein vielleicht bekanntester Roman "Gehirnwäsche", auf dem der ausgezeichnete Lino-Ventura-Film "Das Verhör" basierte). Neben vielen Einzeltiteln schrieb er die drei Romane der Spionagereihe um Johnny Pewter, neun Romane um den dickköpfigen Chief Inspector Charles Ripley, die fünf Titel der Richard-Sullivan-Serie, drei Titel der Robert-Blayde-Serie, die drei Titel der Superintendent-Lennox-Serie und zwei Romane mit dem Verhörspezialisten DI Lyle; daneben sieben Hörspiele und unzählige Kurzgeschichten.
    Da bis 1984 immerhin 33 seiner Romane übersetzt wurden, ist die Auswahl an antiquarischen Exemplaren zum Glück nicht allzu klein. Dringend zum Kauf raten kann ich bei "Die Leiche vor der Tür", der den ersten Teil einer siebenteiligen Reihe um den Yorkshirer Polizeiconstabler 1278 Davis darstellt, der im Laufe der Reihe einen schon in diesem Einstiegsband beginnenden Wandel zum Schwerverbrecher durchlaufen wird (was sich wirklich sehr vielversprechend anhört). Greift man zu der Bastei-Ausgabe von 1978 darf man sich bloß nicht von der eher billig wirkenden Taschenbuchaufmachung mit dem großen "Kriminalroman der Sonderklasse"-Aufdruck und dem vorne prangenden Archiv-Foto aus einem italienischen Giallo-Film, das natürlich mit dem Romaninhalt an sich kaum etwas zu tun hat, abschrecken lassen.
    Innerhalb von ungefähr zehn Tagen wird das Leben des einfachen, typisch englischen Dorfpolizisten Johnny Davis völlig auf den Kopf gestellt. Der Ich-Erzähler hat Probleme an allen Fronten und weiß es gar nicht sofort. Die "richtigen" Kriminalisten schauen auf ihn als täppischen Dorfpolizisten herab, in der Gemeinde wenden sich alsbald alle gegen ihn, außerdem wird ihm der Mord, der zur titelgebenden Leiche führte, in die Schuhe geschoben, die gewissermaßen sein "liebster" Feind, ein bekannter und scheinbar nicht so unbeliebter Wilderer, gewesen ist. Er wird suspendiert und betritt selber unmerklich den Dunstkreis der Illegalität. Bald gehen einige Selbstmorde ins Land, ein großes Netzwerk an langjährigen Erpressungen schält sich aus der Dunkelheit und seine Frau scheint ein doppeltes Spiel gespielt zu haben.
    Der Schreibstil setzt auf eine knappe Sprache und schnelle Ortswechsel mit Zeitangaben. Menschen werden weniger über ihr Äußeres als über ihre Taten beschrieben. Die Tristesse der geschilderten Umstände wird nicht durch coole Vergleiche oder über-beschreibende Adjektivketten bildhaft gemacht, sondern sowohl durch die Unemotionalität der Schilderungen - die es zum Glück auch nicht zuläßt, dass ein allgemeines Gejammer über die Schlechtigkeit der Welt und der sie bewohnenden Menschen ansetzt - als auch durch die Tatsache, dass anscheinend alle auftretenden Figuren dumme Sünder, ahnungslose Naivköpfe, Eigennutze, dörfliche Perverse, verderbte Blender oder schlichtweg Verbrecher zu sein scheinen. Selten trifft man auf Rechtschaffende. So ist es nun mal.
    Ohne zuviel verraten zu wollen: in diesem Roman gibt es keine Erlösung. Alle bekommen kräftig eingeschänkt, vor allem auch die "unschuldig" beschuldigte Hauptfigur, an der dem Leser doch noch am meisten liegt. Obwohl er ein eher behäbiger, hasserfüllter, auch eigennütziger Typ zu sein scheint, fiebert man mit Davis mit und wünscht, dass er wenigstens seine Unschuld beweisen, vielleicht gar der Gerechtigkeit genüge tun oder auch nur private Rache nehmen kann. In einigen Punkten ähnelt der Roman hierbei, wie ich finde, dem "Red Riding Quartett" von David Peace - eine auch sprachliche Abwärtsspirale in die Hölle. Die Auflösung des Falles mit seiner lang zurück reichenden Vorgeschichte, die das Licht auf die Situation und die Figuren einigermaßen verändert, passiert kurz vor Schluss des kurzen Romans und hinterlässt den Leser - man blättert um und schon ist die letzte Seite erreicht - mit einem leeren, nihilistischen Gefühl. Alles in allem: ein düsteres, fatalistisches Meisterwerk - erbarmungslos ablaufend wie ein Uhrwerk - über Schuld, mangelndes Vertrauen, Verderbtheit, Eigennutz und das richtige Handeln.
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Ausgaben von Die Leiche vor der Tür

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