Die 21

Buch von Martin Mosebach

Zusammenfassung

Inhaltsangabe zu Die 21

Im Frühjahr 2017 reiste Martin Mosebach nach Ägypten. Er besuchte im Dorf El-Or die Familien der 21 koptischen Männer, die zwei Jahre zuvor von IS-Terroristen an einem Strand in Libyen ermordet worden waren. Er saß in Empfangszimmern, durch die die Schwalben flogen, und machte sich ein Bild: von den Madonnenbildern und Jesus-Porträts an den Wänden, den grob geschreinerten Reliquienschränken, von einer Lebenswelt, in der alles die Spiegelung oder Erfüllung biblischer Vorgänge ist. Immer wieder wurde ihm, umgeben von Kindern, Ziegen, Kälbern, auf einem iPad das grausame Propagandavideo des IS vorgeführt; er staunte über den unbefangenen Umgang damit. Von Rache war nie die Rede, sondern vom Stolz, einen Martyrer in der Familie zu haben, einen Heiligen, der im Himmel ist. So erscheinen die 21 auf den neuen Ikonen gekrönt wie Könige. Martin Mosebach hat ein Reisebuch geschrieben über seine Begegnung mit einer fremden Gesellschaft und einer Kirche, die den Glauben und die Liturgie der frühen Christenheit bewahrt hat – der «Kirche der Martyrer», in der das irdische Leben von der himmlischen Sphäre nur wie durch ein Eihäutchen geschieden ist. Er traf den Bischof und die koptischen Geistlichen der 21 Wanderarbeiter, besuchte ihre Kirchen und Klöster. In den Zeiten des Kampfes der Kulturen sind die Kopten als Minderheit im muslimischen Ägypten zu einem politischen Faktor geworden – und zu einer Art religiösen Gegengesellschaft. Damit ist dieses Buch auch ein Bericht aus dem Innenleben eines arabischen Landes zwischen biblischer Vergangenheit und den Einkaufszentren von Neu-Kairo.
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Bewertungen

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Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Die 21

    Zum historischen Hintergrund:
    Die Kopten, quasi die Ureinwohner Ägyptens, bilden die größte christliche Gemeinschaft im arabischen Raum. In Libyen werden sie immer wieder Opfer von pogromartigen Überfällen. Im Januar 2015 wurde eine Gruppe von 21 Wanderarbeitern (20 ägyptischen Kopten und einem Ghanaer) von einer IS-Gruppe entführt und am 15. Februar hingerichtet.
    Nur eine Woche später wurden die Opfer von der koptischen Kirche heiliggesprochen.
    Mein Leseeindruck – zum Äußeren des Buchs:
    Mosebach gliedert sein Buch in Kapitel, denen er jeweils ein Bild des Ermordeten voranstellt – entweder ein Passbild oder ein am PC nachbearbeitetes Bild, in dem der Abgebildete mit Krone, geküsst von Jesus, dargestellt wird. Es sind 21 junge, teils kindliche Gesichter, die den Leser anschauen. Im Kapitel selber versucht Mosebach dann, Parallelen zwischen dem Opfer und seinem Namenspatron zu ziehen, was mir recht gewollt vorkam, oder aber er füllt das Kapitel mit dozierenden Informationen zur koptischen Liturgie, zur Kirchengeschichte, zur Kunstgeschichte und zur Ikonographie.
    Mosebach verweigert die neue Rechtschreibung, woran ich mich beim Lesen schnell gewöhnen konnte. Aber sein Hang zur Rolle Rückwärts führt auch dazu, dass er „Martyrer“ statt „Märtyrer“ schreibt und „Sopha“ statt Sofa, was mir unnötig maniriert vorkam.
    Mein Lese-Eindruck zum Inhalt:
    Mir ist selten das Formulieren eines Leseeindrucks so schwer gefallen wie bei diesem Buch. Die wiederholten und detaillierten Beschreibungen der Hinrichtung haben mich sehr abgestoßen und schlaflose Nächte beschert, und viele Äußerungen Mosebachs haben Kopfschütteln hervorgerufen und andere wieder nur irritiert, v. a. seine Äußerungen zur koptischen Kirche, die er mit der westlichen katholischen Kirche vergleicht.
    Und das ist einer der Punkte, die für mich die Lektüre beklemmend machten. Mosebach übernimmt völlig unreflektiert das, was ihm über die koptische Kirche etc. erzählt wird (die Quellenlage scheint ihn nicht zu interessieren) und vergleicht das dann mit der westlichen katholischen Kirche.
    Grundsätzlich finde ich es ja gut, dass es in unserer Gesellschaft auch beharrende Kräfte gibt, aber doch bitte sehr nicht zu jedem Preis! Nur 2 kurze Beispiele: Mosebach preist die große Würde und unantastbare Autorität der Kleriker, niemand würde sie jemals einer Missetat beschuldigen. Tja…
    Ebenso preist er den Ritus des Gottesdienstes, der eine Art Mysterienkult darstellt und vergleicht diesen archaischen Ritus mit den Gottesdiensten der katholischen Kirche nach dem II. Vatikanischen Konzil, die er als säkularisiert, alltagstauglich, profan und völlig entzaubert ansieht und daher ablehnt.
    Die Reihe ließe sich fortsetzen… Die Kopten, so Mosebach, „lebe[n] ein „aus der apostolischen Frühzeit getreu bewahrtes Christentum“, und das präsentiert er völlig unreflektiert dem Westen als Vorbild.
    Mosebach will den Toten ein Denkmal setzen, und zwar in unserer westlichen Welt.
    Und so reist er in ihr Dorf und erlebt dort nicht nur die starke und lebensbestimmende Rolle der Kirche, sondern auch eine dörfliche Gemeinschaft, die die Wirklichkeit durch eine biblische, mythisierende Brille betrachtet. Alles, was geschieht, wird an biblischen Vorgängen bewertet und gemessen.
    Mosebach beobachtet durchaus präzise, das muss man ihm lassen. Trotzdem hat es mich irritiert, dass für ihn ästhetische Kategorien offensichtlich Vorrang haben. Das beginnt schon bei der Beschreibung des Videos von dieser Massenenthauptung, die vom IS ins Netz gestellt wurde und in der er eine präzise künstlerische Choreographie erkennt (und leider auch genau beschreibt), was durch die ausgesprochen professionelle Machart noch gesteigert würde. Dieser ästhetische Ansatz setzt sich fort bei den Beschreibungen der Bauten, z. B. der Wallfahrtskirche, die für die Märtyrer errichtet wird.
    Zu kurz kommen dagegen die Biografien der Opfer. Er besitze nicht die „Hemmungslosigkeit“ eines Reporters, und daher habe er die Familien nicht weiter befragt. Wozu dann die weite Reise, frage ich mich? Also bleiben seine Notizen völlig unverbindlich und pauschal: alle waren freundlich, waren gute Söhne bzw. Ehemänner, alle gingen zur Kirche und einige sangen dort im liturgischen Chor. Am Wochenende besuchten sie Klöster der Umgebung. Macht sie das schon zu potentiellen Heiligen? Oder ist es nicht eher so, dass die kirchlichen Aktivitäten in dieser Gegend einfach einen gewissen Freizeitwert hatten? Ihre Heiligkeit stellen sie aber seit ihrem Tod vielfach unter Beweis, wie Mosebach mit leichter Ironie auflistet: Wunderheilungen, Wunderrettungen, blutende Bilder, Lichtzeichen am Himmel und dergleichen sind Zeichen ihrer gottesnahen Heiligkeit.
    Was mich grundlegend stört: Den politischen Charakter des Massakers erwähnt er mit keinem Wort.
    Die Merkwürdigkeit von Heiligsprechungen allgemein und von Märtyrern im Besonderen nimmt man als Laie einfach mal hin.
    Ein interessantes Thema, aber zu vordergründig und unreflektiert dargeboten.
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Ausgaben von Die 21

Hardcover

Seitenzahl: 272

E-Book

Seitenzahl: 212

Taschenbuch

Seitenzahl: 272

Die 21 in anderen Sprachen

Besitzer des Buches 3

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