Hitlerbiographien

  • Findo hatte über eine Hitler-Biographie geschrieben. Ich habe eine gelesen. Es gibt so einige. Auch ist das Thema wohl von einigem Interesse. Und die Bücher sind zum Teil so dick, dass man sich schon gut überlegen muss, welches man sich anschafft und zu lesen beginnt.
    Findo hat sehr überzeugend über das Buch von Konrad Heiden geschrieben, ich habe ein paar Worte über J. Fest verloren. Vielleicht kann man hier die Meinungen versammeln.
    Würde mich freuen.

  • Vielleicht kann man hier die Meinungen versammeln.

    Vielleicht solltest Du mit deiner eigenen Meinung anfangen? :wink:

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • Gern! (Könnte man Findos Beitrag irgendwie nach hier verlinken?)
    Wobei ich insofern inkompetent bin, als ich ja gerade erst mit der Fest-Biographie fertig bin und keine andere (bisher) gelesen habe. Ansonsten kenne ich nur noch von Sebastian Haffner "Anmerkungen zu Hitler" und das Spiegel-Geschichte-Heft.
    Zu Fest: Schreiben kann er. Er ist stilistisch eher ein Belletrist als ein Wissenschaftler.Das ist zum einen gut, zum anderen neigt er zu verschachtelten, kunstvollen Sätzen, die man bei dem schwierigen Thema auch schon mal neu anfangen muss. Aber es ergibt sich ein Eindruck, der oft etwas romanhaftes hat und daher gut zu lesen ist.
    Mein Hauptkritikpunkt ist eigentlich, dass es überhaupt keine Hitler-Biographie ist. Denn eine Lebensbeschreibung würde sich ja ausführlich am Lebenslauf des Protagonisten entlanghangeln und nicht an den Zeitläuften an sich oder den politischen und gesellschaftlichen Zuständen. Aber genau das tut Fest. So ist Kindheit und Jugend flugs vorbei und auch später wird oft seitenlang über die Gesellschaft referiert und Hitler läuft ab und zu durchs Bild.
    Fest setzt zu viel voraus: Das fängt mit sprachlichen Fähigkeiten an, man hätte so manches französische Zitat für mich gern übersetzen dürfen. Aber auch so manche Person oder Abkürzung war mir einfach unbekannt. Hindenburg war über zig Seiten die haupsächlich handelnde Person, aber was denn ich schon über Hindenburg? Auch so mancher geschichtliche Vergleich überforderte mein Wissen bei weitem.


    Mein Interesse wurde oft nciht befriedigt: Wie hat Hitler eigentlich sein Leben finanziert? Wie hat er die gewaltigen Menschenmassen (z.B. SA) bezahlt? Wie hat er gewohnt, wie sah seine vegetarische Kost aus? Wie kam es zu seinem Antialkoholismus und Vegetariertum? Wie fand er zu Leuten wie Göring, Göbbels, Himmler? Welche technischen Hilfsmittel hat er (besonders bei seinen Reden) genutzt? Auf welche Art wurde die Organisationsstruktur aufgebaut? (Bei Fest ist sie einfach da, er kritisiert zwar deren Abläufe, aber er sagt nciht, wie all das aufgebaut wurde). Wie entstand die SS? All das wird eben dadurch für mcih so störend, weil das Buch eben keine Lebensbeschreibung eines Mannes ist, sondern ein Bericht über den Aufstieg des Nationalsozialismus in Deutschland ist. - Was ja andererseits wirklich nicht schlimm ist, im Gegenteil.
    Und dann gibt es für mich noch etwas Verstörendes: Ich habe die Erinnerungen von Albert Speer gelesen (der ja irgendwie überzeugt war, er hätte denKrieg gewonnen, so war jedenfalls mein Eindruck). Ich konnte mich nie des Eindrucks verwehren, dass Fest sehr viel von Speers Sichtweisen übernommen hat.


    Dass Fest stetig wertet will ich gar nicht als Manko betrachten, er tut es zwar in einem Maße, der der Idee einer Biographie m.E. widerspricht, aber das Buch sehr gut lesbar macht.
    Nun habe ich fast nur gemeckert, andererseits das Buch gern und schnell gelesen. Und ich habe eine große Hochachtung vor der Riesenaufgabe, der sich Fest gestellt hat. So ein Ziegel mit über 1000 Seiten will ja auch erstmal geschrieben sein.


    War Hitler nun ein Genie? Fest schreibt an vielen Stellen genau das. Oder war er einfach ein zwangsläufiges Produkt seiner Zeit? Auch diese Möglchkeit stellt Fest neben die andere. Wie das alles hatte geschehen können, diese Frage beantwortet Fest mir nicht, was aber evtl. auch vermessen gewesen wäre.


    Haffner dagegen hatte nie den Anspruch, eine Biographie vorzulegen. Er bewertet allerdings sehr konkret die Person Hitlers, Er tut sich ein wenig feulletonistisch und bemüht als Laie sehr oft die Psychologie. Dass bei ihm ein eindeutiger Hass durchscheint, war mir beim Lesen nicht unsympathisch, versuchte er doch gar nicht, objektiv zu sein. Leider ist meine Lektüre einfach schon zu lange her, als ich jetzt wirklich fundiert über ihn herziehen könnte (oder ihn loben, was mir ehrlicherweise auch passender erschien).


    Ich will auf jeden Fall (irgendwann) noch eine Bio lesen, weiß aber überhaupt noch nicht, welche. Vielleicht wird mir Findo weiterhelfen? Vor Kershaw schrecke ich momentan am meisten zurück, auch weil ich gehört habe, sein Stil sei schwer schwierig.

  • Ganz ehrlich: Ich finde es etwas befremdlich, dass es einen Extra-Thread ausgerechnet zu Hitlerbiographien geben soll. :shock: Ich finde, wir sollten beim bisherigen System bleiben: Pro Buch ein, maximal zwei Threads. Wer die Meinung dazu lesen will, hat die Chance, sie über die Suche oder den Rezensionsindex zu finden.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Natürlich gibt es die Rezensions-Threads, aber sie eignen sich nicht zum Diskutieren über verschiedene Werke, immer nur über das eben rezensierte. Insofern finde ich einen eigenen Thread nicht fehl am Platze. Warum auch nicht, es gibt doch so viele Threads zu speziellen Themen, dieser könnte eine Ergänzung sein zu einer Themenliste Hitler-Biografien, die noch zu erstellen ist.


    Ich habe inzwischen mehrere Hitler-Biografien gelesen und unzählige Sekundär-Literatur, so dass es sich durchaus lohnt, dass zu diskutieren. Gerade in Deutschland ist ja die Beschäftigung mit der Historie durchaus ein eigenes und besonderes Genre. Hitler-Biografisch, sind Werke besonders folgender Autoren zu betrachten:


    Konrad Heiden
    Er schrieb die Ur-Biografie, die heutzutage Forschungsgrundlage ist, zu einer Zeit als der Krieg noch nicht faktum war, sondern Ziel und gedankenspiel Hitlers. Die Biografie erschien 1936 in der Schweiz. Geschrieben hat sie Heiden unter dem Eiondruck von Hitlers Reden und unter Bezugnahme von Augenzeugen und Berichten aus den engsten Führungskreisen der Nazis.


    Ian Kershaw
    Der britische Historiker baut auf dieser Biografie Heidens auf und setzt sie fort. Ergänzt um die Erkenntnisse der heutigen Zeit, die natürlich die Kriegsgeschehnisse kennt und deren Folgen, ist sie heute sozusagen erweiterte Standardliteratur für jeden, der sich ernsthaft wissenschaftlich und historisch mit Hitler auseinandersetzen möchte. Ausgewogen, nüchtern und analysierend alle Seiten der medaille betrachtend, ist sie eine der Werke, die man ernstnehmen muss.


    Wer die zwei obigen Werke gelesen hat, braucht, meines Erachtens, die anderen, nicht zu lesen.


    Joachim Fest
    Er lieferte mit seinem Werk die Grundlage zur Verfilmung "Der Untergang", bringt aber ansonsten keine neuen Erkenntnisse. fest bedient sich aus bereits vorhandenen Material, kommt aber nicht zu eigenen Schlussfolgerungen und kann vielleicht als Einstieg taugen, sonderlich fundiert und ausgewogen habe ich sie aber damals nicht empfunden. Fest ist nicht ausführlich, wie etwa kershaw, dessen Quellenmaterial praktisch ebenso dick ist, wie der eigentliche Text. Kategorie: Ehe man nichts anderes liest, kann man lesen. Muss man aber nicht.


    Adolf Hitler "Mein Kampf" - Eine kritische Edition
    Und schließlich der Aufreger des vergangenen Jahres. Für Hitlers "Mein Kampf", der ungelesenste Bestseller, lief das Copyright aus, was bis dahin beim Freistaat Bayern lag. Der gab die wissenschaftliche Aufarbeitung in Auftrag, wollte dann die Veröffentlichung der kommentierten Aufgabe noch stoppen, als die ersten Exemplare schon im Handel erhältlich und fast vergriffen waren. Ist ihm nicht gelungen. Schließlich kann man heutzutage sogar in Israel Ausgaben auf Hebräisch erwerben, warum haben die deutschen also Angst vor einer kommentierten Ausgabe, die so unhandlich im Überformat auch nichts taugt für die Möchtergern-Nazis und Faschistooiden von heute. Mit den texten Hitlers kann man schließlich heute keine Fliegen mehr fangen. Wer einmal versucht hat, diesen Schmarn zu lesen, wird mir Recht geben. Nach 20 Seiten des Originals habe ich aufgegeben. Unlesbar. Dann doch lieber wissenschaftlich aufbereitet. Steht zurzeit noch ungelesen bei mir.

  • Genau: Mein Kampf. Das sollte nicht vergessen werden. Obwohl ich auch da nicht so ganz doll mitreden kann, ich besitze das Buch nämlich nicht, die kommentierte Ausgabe ist mir zu teuer und zu sehr kommentiert (befürchte ich). Ich habe allerdings mal ein Exemplar geliehen und ca. das erste Drittel gelesen . Es war eine immense Anstrengung, auch nur so weit zu kommen. Dieses Buch kann nicht gefährlich sein! Es ist irrsinnig langweilig, dröge und unstrukturiert. Ganz davon abgesehen, dass es immer wieder Hasstiraden gegen einzelne Menschen beinhaltet, die heute kaum einer noch kennt. Das Verbot halte ich für bizarr, ganz im Gegenteil meine ich, man solle es möglichst verbreiten .Um ihm dem Zauber zu nehmen, denn der Glanz kommt doch eher vom Verbot als vom Inhalt. Wer sich von so einem Elaborat überzeugen ließe, dem ist doch sowieso nicht zu helfen. Das Verbot allerdings (bzw. die Ausgabe als hochkommentiert herauszugeben) bewirkt doch, dass der Eindruck erweckt wird, dieses Buch sei gefährlich. Wer es liest könnte danach überzeugter Nationalsozialist sein. Humbug ist das. Den jungen Nazi will ich sehen, der sich den Schinken durchliest und gefesselt ist.


    Marie: Es gibt in diesem Forum Thread darüber, was es heute zu essen gibt und was einen genervt hat. Und da passt keiner rein, der sich mit verschiedenen Biografien von gesellschaftlichem und politischen Interesse befasst? Kannst du mir das erklären?

  • Marie: Es gibt in diesem Forum Thread darüber, was es heute zu essen gibt und was einen genervt hat. Und da passt keiner rein, der sich mit verschiedenen Biografien von gesellschaftlichem und politischen Interesse befasst? Kannst du mir das erklären?

    Hallo Klaus, wenn du @Marie eingibst, muss du das ohne Doppelpunkt machen und ihren Namen aus der Liste anklicken, sonst wird sie nicht über deine Zeilen informiert. :wink:

    Liebe Grüße von Tanni

    "Nur noch ein einziges Kapitel" (Tanni um 2 Uhr nachts)


  • Es gibt in diesem Forum Thread darüber, was es heute zu essen gibt und was einen genervt hat.

    Stimmt, aber die gehören zum Smalltalk-Forum, und das kann ich auf meiner Profilseite abstellen, dass es mir nicht angezeigt wird. Doch das allgemeine Forum möchte ich beibehalten, weil es um Bücherthemen geht, wegen denen ich hier angemeldet bin.

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  • Ganz ehrlich: Ich finde es etwas befremdlich, dass es einen Extra-Thread ausgerechnet zu Hitlerbiographien geben soll. :shock: Ich finde, wir sollten beim bisherigen System bleiben: Pro Buch ein, maximal zwei Threads. Wer die Meinung dazu lesen will, hat die Chance, sie über die Suche oder den Rezensionsindex zu finden.

    Ich sehe das wie @Marie denn @Mario hat uns doch den Themenbereich eingerichtet und dort können diese Bücher aufgeführt werden und auch diskutiert wenn man die entsprechende Rezension aufruft.
    Politik und Gesellschaft ist doch genau der Bereich bei den Themen welcher von @Klaus V. angesprochen wird.
    Denn es gibt ebenfalls einige Biografien über Diktatoren wie Benito Mussolini, um nur einen zu nennen, und es wird nicht jedesmal einen extra Thread eröffnet.

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Ich verstehe wirklich nicht, wo das Problem ist, im Grunde könnte man alles unter einem Thema zusammenfassen. Jemand sucht ein Buch? Fassen wir das alles doch im großen "Buchsuch-Thread" zusammen. Oder die ganzen Threads über Reihen könnten ja auch zusammengefügt werden. Wozu denn mehrere? Das Niveau des Allgemein-Bereichs ist meiner Meinung nach vollkommen im Keller angelangt. Ich sehe fast nur Listen- und Aufzählungsthreads, wo der Informationsgehalt und der Unterhaltungswert gleich null ist. User posten wie viele Bücher sie gelesen haben. User verwalten ihre Buchreihen in öffentlichen Threads. User aktualisieren Endloslisten, wie groß ihr SUB ist. User posten jetzt auch noch wie klein ihr SUB ist :-# . Es werden wahllos irgendwelche ersten Sätze von Büchern gepostet :sleep: . Ich bin jeden Tag in 5 Minuten fertig mit diesem Bereich, früher habe ich dafür eine halbe Stunde gebraucht. Da kann man einen Thread, wo etwas mehr Informationsgehalt als sonst drin steckt von mir aus gerne mal stehen lassen.

  • Was ich jetzt nicht mehr verstehe ist, warum diejenigen, die sich nicht für dieses Thema interessieren, es nicht einfach ignorieren?
    Aber vielleicht bin ich auch doch einfach falsch hier gelandet. Ich hatte gehofft, ein Forum zu finden, in dem man fundiert über Literatur diskutieren kann. War das ein Irrglaube?

  • Ich verstehe die Aufregung auch nicht und ich schreibe hier jetzt ganz privat als User und Leser, nicht als Mod. Liegt es denn wirklich nur am Thema? Würde ein Thread mit dem Thema "Monet-Biografien" genauso betrachtet werden? :-k


    Es ist mir schon klar, dass sich viele nicht für dieses Thema interessieren, damit überfrachtet wurden in vielerlei Hinsicht und nichts mehr davon lesen möchten, aber bei der deutlichen Titelzeile kann man den Thread doch einfach ignorieren. Wenn wir in einem einzigen Rezensions-Thread zu nur einer einzigen Biografie über die verschiedenen erhältlichen Hitler-Biografien diskutieren wollten, dann würde es den entsprechenden Thread auch sprengen und die Diskussion ginge aber für evlt. andere Rezensionsthreads verloren. Grade zu und über Hitler wurde so viel veröffentlicht, dass eine Diskussion über die diversen Werke (soweit möglich) einen gewissen Raum einnimmt und sich auch durchaus anbietet, wenn einer von uns überlegt, ob und welches Buch er sich evtl. noch zulegen möchte. Dazu kommt, dass nicht jeder BT'ler in einen Rezensionsthread zu einer Hitler-Biografie reinliest, aber hier evtl. doch eine kurze Meinung zu einem gelesenen Buch abgeben kann / möchte.


    @serjena Ich finde die Themenlisten gut, aber in den Themenlisten kann man nicht diskutieren sondern nur nach Büchern zu einem Thema suchen. Und über die Qualität eines Buches finde ich dort auch keine Angabe. Gleichzeitig gibt es nicht für alle dort gelisteten Bücher auch Rezensionen. Und was mache ich dann mit einem Buch wie dem, dass ich hier gleich als Negativ-Beispiel vorstelle? Ich muss ihm bei einer Themenliste "Hitler-Biografien" einen :thumleft: geben, denn es trifft das Thema. Aber eigentlich will ich grade sagen "lasst die Finger davon wegen des Autors" - das kann ich in einer Themenliste nicht angeben und eine Rezension kann ich nicht schreiben, denn ich habe das Buch nie beendet und weiß heute einfach nicht mehr genug, um einen Leseeindruck abzugeben.


    In meinem Regal befindet sich (noch) eine Hitler-Biografie von Maser. Die habe ich Anfang der 80er Jahre gekauft - selbst noch keine 20 Jahre alt und in einer Zeit vor dem Internet und der schnellen Suchmöglichkeit nach Informationen. So wusste ich damals nichts über den Autoren, aber das Buch war überall präsent. Ich habe es auch angefangen, aber nie beendet (ich kann nicht mehr nachvollziehen, warum…). Heute weiß ich, dass ich dieses Buch ganz sicher nicht mehr lesen und es auch ganz bestimmt aussortieren werde - aber nicht zur Weitergabe, sondern es wird eines der wenigen Bücher sein, die ich entsorge. Werner Maser, der als erster Zugang zu den privaten Dokumenten Hitlers hatte, gehört leider zu den Autoren, die in ihren Interpretationen und Darlegungen ganz klar der revisionistischen Seite zugerechnet werden müssen. Den immensen Vorteil, den er hatte, hat er leider dazu benutzt, um vieles zu verharmlosen oder zu ignorieren. Wenn man aber unbedarft nach dem Thema Hitler sucht, stösst man auf eine Flut von Büchern des Autoren und könnte den Eindruck bekommen, grade hier einen versierten Fachmann und Kenner entdeckt zu haben. Davor möchte ich gern warnen.

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • Nochmal zu Heiden: Wenn ich findo richtig verstanden habe, hat er selbst nie erlebt, dass er mit seiner Sichtweise recht gehabt hat?

    Die Frage kannst Du dir allerdings selbst beantworten, indem Du nochmal findos Rezension aufmerksam liest - da steht es doch deutlich drin :wink: Auch ist das tatsächlich eine Frage, die für mich mehr in den Rezensionsthread gehört als hierher. :-k

    Aber auch so manche Person oder Abkürzung war mir einfach unbekannt.

    Das passiert halt manchmal, wenn man eine Biografie oder ein Sachbuch liest. Aber in der heutigen Zeit ist es doch ein leichtes, eine solche Wissenslücke zu schließen. Ich persönlich habe zumindest nicht den Anspruch, dass mir eine Biografie alle meine Fragen beantwortet über Dinge, die mir beim Lesen unbekannt sind. Das würde auch absolut ausufern, denn dann müssten die Autoren einfach wirklich alles - jeden Begriff, jede Organisation, jedes Kürzel - in einer Fußnote erläutern und dadurch würde wohl ein ziemlich unleserliches Werk entstehen.


    Wie hat er die gewaltigen Menschenmassen (z.B. SA) bezahlt?

    Staatsschulden…… Hitler hat ziemlich hemmungslos Staatsschulden gemacht, um Diverses zu bezahlen - vermutlich auch die Kosten für diverse Organisationen.

    Wie fand er zu Leuten wie Göring, Göbbels, Himmler?

    Die fanden ihn - so wird wohl eher ein Schuh draus. Könnte es sein, dass Du Dich noch relativ wenig mit den Strukturen der NSDAP, der Nazi-Zeit und der Zeit davor sowie den tonangebenden Personen beschäftigt hast?

    Auf welche Art wurde die Organisationsstruktur aufgebaut?

    Das sind Fragen, die ich in einem Sachbuch suchen würde, aber nicht in einer Biografie Hitlers :scratch: Hitler hat hauptsächlich bestehende Strukturen genutzt bzw. haben viele andere Personen Organisationen wie die SA u.ä. aufgebaut.

    All das wird eben dadurch für mcih so störend, weil das Buch eben keine Lebensbeschreibung eines Mannes ist, sondern ein Bericht über den Aufstieg des Nationalsozialismus in Deutschland ist.

    Das eine ist eng mit dem anderen verknüpft

    Und dann gibt es für mich noch etwas Verstörendes: Ich habe die Erinnerungen von Albert Speer gelesen (der ja irgendwie überzeugt war, er hätte denKrieg gewonnen, so war jedenfalls mein Eindruck). Ich konnte mich nie des Eindrucks verwehren, dass Fest sehr viel von Speers Sichtweisen übernommen hat.

    Das ist erwiesen und wird in der Fachwelt auch entsprechend bewertet wie überhaupt Fests Nähe zu Speer. Generell wird Fest heute, glaube ich, durchaus kritisch gesehen ohne seine Leistung jetzt abwerten zu wollen. Allerdings hat er diese Biografie auch vor mehr als 40 Jahren geschrieben, so dass der heutige Wissenstand auch ein ganz anderer ist.

    Ich will auf jeden Fall (irgendwann) noch eine Bio lesen, weiß aber überhaupt noch nicht, welche.

    Ich dachte, das wäre Sinn dieses Threads - Informationen über diverse Biografien gesammelt hier an einem Platz zu finden in der Hoffnung, dass hier noch ein paar mehr Leute evtl. etwas dazu beitragen können.


    Tatsächlich habe ich bis heute keine Hitler-Biografie gelesen. Ich glaube, von uns allen hier ist @findo derjenige, der da die meisten Werke gelesen hat. Auf meinem Stapel hier liegt u.a. noch Schmitts "Adolf H. - Zwei Leben", das ich begonnen, aber aus persönlichen Gründen damals nicht fertig gelesen habe. Aber das kommt noch. Da in diesem Buch das reale Leben einem fiktiven "Was wäre, wenn…" gegenübergestellt wird, ist es bestimmt interessant.


    Sebastian Haffners "Anmerkungen zu Hitler" habe ich dagegen gelesen. Im Gegensatz zu Dir konnte ich keinen Hass darin entdecken. Im Gegenteil hat mich die Distanz und Objektivität Haffners fasziniert, mit der er dem Negativen auch "Erfolge" gegenüber stellte. Das ist etwas, dass eigentlich niemand erwartet beim Lesen. Ich finde es ein sehr interessantes Buch mit so viel Informationen auf wenigen Seiten, dass ich es unbedingt noch einmal lesen werde. Es ist keine Biografie Hitlers, aber ein interessantes Buch über ihn. :wink:

    viele Grüße vom Squirrel



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  • Dann will ich auch mal ran - als jemand der eine Biografie Hitlers gelesen hat (na gut, und "Anmerkungen zu Hitler"), aber recht viel über den Nationalsozialismus.

    Staatsschulden…… Hitler hat ziemlich hemmungslos Staatsschulden gemacht, um Diverses zu bezahlen - vermutlich auch die Kosten für diverse Organisationen.

    Allerdings hat er persönlich über recht Geld verfügt. Dazu gab es vor einiger Zeit mal auf ZDF im Rahmen der Reihe "Die Geheimnisse des Dritten Reiches" eine Sendung über die Finanzen von Hitler. U.a. gehörte ihm die Druckerei, in der "Mein Kampf" gedruckt wurde, und selbstverständlich verdiente er an jedem Exemplar mit, das den Leuten z.B. bei ihrer Heirat auf's Auge gedrückt wurde.
    Hinzu kamen Spenden in nicht unerheblicher Höhe von diversen Gönnern, wie der Wagner-Witwe. Oder auch die nicht so ganz freiwilligen Abgaben, wie diesem einen Freundeskreis der Industrie, dessen Namen mir gerade entfallen ist :pale: .

    Das ist erwiesen und wird in der Fachwelt auch entsprechend bewertet wie überhaupt Fests Nähe zu Speer. Generell wird Fest heute, glaube ich, durchaus kritisch gesehen ohne seine Leistung jetzt abwerten zu wollen. Allerdings hat er diese Biografie auch vor mehr als 40 Jahren geschrieben, so dass der heutige Wissenstand auch ein ganz anderer ist.

    Ich habe das Spandauer Tagebuch von Albert Speer gelesen. Er hatte sich ja immer als "guter Nazi" hingestellt, er sei ja nur Hitlers Architekt gewesen. An dieser Legende hat er schon in den Nürnberger Prozessen beginnen zu stricken, und weiter kontinuierlich darauf hingearbeitet. Wie tief Speer in die Verbrechen verstrickt war, ist doch erst in den letzten Jahren herausgekommen. Und Fest ist darauf hereingefallen.
    Übrigens: ich kann mich an eine Szene aus der Autobiografie von Marcel Reich-Ranicki erinnern, als er und seine Frau eine Veranstaltung bei Verlegern (?) besucht haben, bei der auch Fest anwesend war. Sie haben dann empört diese Veranstaltung verlassen, weil Fest sich mit dem Verbrecher Speer eingelassen hat (man kennt ja Herrn Reich-Ranicki und seine eigenwillige Wortwahl). Der Zeitpunkt der Veranstaltung müsste so kurz nach der Veröffentlichung der Hitler-Biografie von Fest gewesen sein :-k (ich müsste die Autobiografie mal wieder lesen).

    Sebastian Haffners "Anmerkungen zu Hitler" habe ich dagegen gelesen. Im Gegensatz zu Dir konnte ich keinen Hass darin entdecken. Im Gegenteil hat mich die Distanz und Objektivität Haffners fasziniert, mit der er dem Negativen auch positive Dinge gegenüber stellte. Das ist etwas, dass eigentlich niemand erwartet beim Lesen. Ich finde es ein sehr interessantes Buch mit so viel Informationen auf wenigen Seiten, dass ich es unbedingt noch einmal lesen werde. Es ist keine Biografie Hitlers, aber ein interessantes Buch über ihn.

    Absolute Zustimmung! Auch ich fand die Distanz und Objektivität sehr faszinierend, und möchte es nochmal lesen.
    Was ich auch von Haffner empfehlen kann - keine Hitlerbiografie, aber eine sehr interessante Schilderung, wie sich die Nazis in den Alltag geschlichen haben: die "Geschichte eines Deutschen".


    Ach so: die Hitler-Biografie, die ich gelesen habe, hatte ich von meiner Mutter. Ich weiß nicht mehr, von wem sie ist, aber sie war schon recht alt, und sie war für jugendliche Leser.

    Lesen ist wie Reisen, ohne dass man dabei einen Zug oder ein Schiff besteigen müsste. Es eröffnet neue, unbekannte Welten. Es bedeutet, ein Leben zu führen, in das man nicht hineingeboren wurde, und alles mit den Augen eines anderen zu sehen. Es bedeutet, zu lernen, ohne mit den Konsequenzen der eigenen Fehler leben zu müssen.

    Madeline Martin, Der Buchladen von Primrose Hall

  • @Marie: Die Themenlisten sind doch eher eine Auflistung von Büchern, eine Art zweiter Merkzettel als dass man da diskutieren könnte. Das kann man in den einzelnen Threads zu den Rezensionen aber sobald es da um mehr als um das rezensierte Buch geht, sind diese auch wieder hinderlich. Daher ist die Vorgehensweise, einen eigenen Thread zu eröffnen, nur folgerichtig und der passt dann auch gut hier rein. Wenn andere hier nach längst vergessenen Büchern suchen, Listen schreiben, wir einen Malbuch-Thread haben, wo ums ausmalen diskutiert wird, warum dann nicht auch ein solcher Thread? Da haben @Kapo und @Klaus V. schon Recht. Der Thread ist mit den höheren Zehntausend übrigens abgesprochen. Hat also alles Hand und Fuß.


    @Klaus V.: Ich lade dich ein, in meinen virtuellen Regal zu stöbern. Da findet sich so einiges, was für dich vielleicht von Interesse sein könnte. Gerade Sachbücher zum Thema -Zweiter Weltkrieg- habe ich eine Menge, da hat @Squirrel schon Recht. Manchmal übernehme ich hier die Sachbuch-Sparte.


    Was ich empfehlen kann, sind die Protokolle der Urteilsverkündung des Nürnberger Prozesses, sowie diverse Guido-Knopp-Bücher. Der Autor wird zwar immer wieder kritisiert, da er sehr viel Personengeschichte gemacht hat und jeden Aspekt beleuchtet hat, aber ich halte sie trotzdem für gut geeignet, sich zu informieren. Gerade, was Hitlers Schargen Goebbels, Göring, Speer angeht oder Wirtschaftsmächte wie die Krupps. Ebenso empfehle ich von Traudl Junge, Hitlers Sekretärin, ihr Buch "Bis zur letzten Stunde", welches ebenfalls sehr erhellend ist.


    Von Jens Ebert empfehle ich "Feldpostbriefe aus Stalingrad", auch Nicholas Stargardt "Kinder in Hitlers Krieg" ist lesenswert. Das beleuchtet sowohl die Kindheit und Jugend im Nationalsozialismus, deren Vereinnahmung und Beeinflussung, als auch die Kidnheit in den besetzten Ländern, sowie jüdische Schicksale. Als Gegenstück zu Anne Frank empfehle ich die "Tagebücher des Petr Ginz", dass war ein tschechischer Junge, nach Nazi-Definition, Halbjude. Wie auch anders hätte mit Hitler umgegangen werden können, kannst du in "Die Ausnahme" von Bo Lidegaard sehen, der das deutsche Besatzungsregime in Dänemark beleuchtet hat.


    Das ist jetzt erst einmal der Bruchteil, der mir spontan einfällt und ich hoffe, du kannst dir da schon einiges interessantes herauspicken.


    Vielleicht mache ich irgendwann mal ein Special, wo ich sehr gute sachbücher empfehle, aber da weiß ich noch nicht, wie ich das aufziehe.

  • Auch wenn ich inhaltlich nicht wirklich etwas zu dem Thema beitragen kann, wollte ich nur anmerken, dass ich eure Beiträge mit großem Interesse verfolgt habe (und verfolgen werde) und klatsche in die Hände und recke den Daumen, dass hier mal wieder ein "Buchthema" Thema ist :thumleft:

  • @findo Vielleicht hab ich es falsch in Erinnerung, aber hattest Du nicht irgendwann, irgendwo mal geschrieben, dass Kershaws Biografie schon recht schwer zu lesen ist? Falls ja - warum? Immerhin bist Du hier derjenige von uns, der die meisten (und auch recht schwere) Sachbücher liest und falls Du evtl. schon Schwierigkeiten beim Lesen hattest, frage ich mich, wie schwierig es für andere werden könnte.

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • @findo Vielleicht hab ich es falsch in Erinnerung, aber hattest Du nicht irgendwann, irgendwo mal geschrieben, dass Kershaws Biografie schon recht schwer zu lesen ist? Falls ja - warum? Immerhin bist Du hier derjenige von uns, der die meisten (und auch recht schwere) Sachbücher liest und falls Du evtl. schon Schwierigkeiten beim Lesen hattest, frage ich mich, wie schwierig es für andere werden könnte.

    Ian Kershaw schreibt sehr detailliert, weil wissenschaftlich fundiert. Die Quellenlage, auf die er sich stützt, ist noch mehr als das Buch selbst. jedenfalls ist es sehr kleinteilig und wirklich genau beschrieben. Nicht nur populärwissenschaftlich, sondern wirklich für das historienwissenschaftliche Studium auch geeignet als Grundlage. Das muss man wissen, wenn man es liest. Man muss es konzentriert lesen, kann nicht noch tausend andere Sachen nebenbei machen und man sollte es zusammenhängend lesen. Unterbrechen, für eine Weile liegen lassen und dann irgendwann weiterlesen, ist nicht. Ich muss sagen,d ass ich es in einer Phase gelesen habe, wo ein paar Ereignisse auf mich eingeschlagen sind, wegen denen es mir nicht gut ging und das hat wahrscheinlich zu diesem Kommentar beigetragen. Man muss seinen Kopf frei haben, ansonsten kann man all die Informationen nur schwer aufnehmen, und Kershaw hat viele Informationen. Das ist aber ein Buch, was sich meinem Gefühl nach wirklich gelohnt hat, weil es mir so im Gedächtnis geblieben ist und auch einiges an Wissen hervorgebracht hat.


    Der nächste Kershaw liegt schon bereit.


    Wer übrigens dokumentarisch eine Zeitreise, auch zum Thema Zweiter Weltkrieg (und vieler anderer Ereignisse mehr), unternehmen möchte, empfehle ich die 24 Stunden Dokureihe "100 Jahre - Der Coutdown", jedes Jahr des 20. Jahrhunderts in einem 10 Minuten Beitrag beleuchtet. Findet ihr auf Youtube und wird immer zu Neujahr auf Phoenix ausgestrahlt, sowie zur Geschichte der Bundesrepublik die Reihe "60xDeutschland". Beide Dokureihen sind auf YouTube zu finden.


    https://www.youtube.com/watch?v=dGDdLJFPMTI