Bei "One by One" handelt es sich um den fünften Fall von Robert Hunter und seinem Partner Garcia - ich habe alle Teile der Serie von Chris Carter gelesen und konnte einfach nicht warten, bis die deutsche Übersetzung erscheinen wird. Das Buch ist im Original im Juli 2013 bei Simon & Schuster in Großbritannien erschienen und wird im Juni 2014 als "Der Totschläger" in Deutschland erscheinen.
Zuerst möchte in anmerken, dass der Schreibstil von Chris Carter auch im Englischen sehr flüssig und verständlich ist - ich musste kaum Wörter nachschlagen und auch die Spannung entfaltete sich sehr intensiv. In diesem Sinne habe ich es wirklich nicht bereut zur englischen Ausgabe gegriffen zu haben.
Das Buch ist in 118 kurze Kapitel gegliedert - wie man es von Chris Carter gewöhnt ist. Ich gehe davon aus, dass das auch in der deutschen Version so sein wird. Die englische Version hat 512 Seiten.
Inhaltsbeschreibung, englisch (v. Amazon):
'I need your help, Detective. Fire or water?' Detective Robert Hunter of the LAPD's Homicide Special Section receives an anonymous call asking him to go to a specific web address - a private broadcast. Hunter logs on and a show devised for his eyes only immediately begins. But the caller doesn't want Detective Hunter to just watch, he wants him to participate, and refusal is simply not an option. Forced to make a sickening choice, Hunter must sit and watch as an unidentified victim is tortured and murdered live over the Internet. The LAPD, together with the FBI, use everything at their disposal to electronically trace the transmission down, but this killer is no amateur, and he has covered his tracks from start to finish. And before Hunter and his partner Garcia are even able to get their investigation going, Hunter receives a new phone call. A new website address. A new victim. But this time the killer has upgraded his game into a live murder reality show, where anyone can cast the deciding vote.
Inhaltsbeschreibung, deutsch (v. Amazon):
Er sagt, du hast keine Wahl.
Er sagt, du kannst nur zusehen. Es liegt nicht in deiner Macht, seine Taten zu verhindern.
Aber es gibt immer Wege.
Und du wirst jeden einzelnen gehen. Bis du ihn gefunden hast.
Eigene Inhaltsbeschreibung:
Robert Hunter erhält eines Tages einen Anruf von einem unbekannten Anrufer. Dieser fordert ihn auf, eine bestimmte IP-Adresse in seinen Browser einzugeben. Hunter tut, was der Anrufer verlangt und wird Zeuge eines grausamen Setups: ein gefesselter Mann in einem Glascontainer. Der Anrufer möchte von Hunter wissen, auf welche Art und Weise das Opfer in dem Glascontainer sterben soll: Feuer oder Wasser. Hunter möchte nicht zum Gehilfe eines brutalen Mordes werden und versucht den Anrufer hinzuhalten, seine psychologischen Kenntnisse anzuwenden etc. ... aber letztendlich kann er das "Unvermeidliche" nicht vermeiden. Das Opfer stirbt auf brutalste Art und Weise und es soll nicht bei diesem einen Mord bleiben. Dabei geht der Mörder immer weiter: beim nächsten Mal bleibt die Übertragung nicht nur zwischen dem Mörder und Hunter/Garcia, sondern auch die Öffentlichkeit wird mit einbezogen, indem der Link zu einer Webadresse names pickadeath.com in sozialen Netzwerken verbreitet wird. Alle können zusehen und abstimmen ...
Meine Meinung:
Chris Carter hat mit dem fünften Band seiner Reihe wieder einmal äußerst brutale und unvorstellbare Morde konzipiert. Schon der erste Mord war für mich unvorstellbar grausam - ich konnte es kaum fassen und den Widerwillen beinahe körperlich spüren. Brutale Morde sind sicherlich Carters Markenzeichen und ich kann mir nie vorstellen, wie es noch "heftiger" werden kann, aber er schafft es immer, den Effekt zu toppen. Alle Morde in diesem Band sind sehr grausam; so grausam, dass man an manchen Stellen nicht weiterlesen möchte und lieber ein paar Seiten überblättert. Leser bisheriger Carter-Bände wissen aber um die Art der Grausamkeiten und wissen, worauf sie sich einlassen. Wer einen zarten Magen hat, sollte von Chris Carter die Finger lassen.
In diesem Band wird die Grausamkeit der Morde dadurch potenziert, dass Hunter/Garcia und auch die Öffentlichkeit daran beteiligt sind, denn sie verfolgen die Morde live über das Internet und können/müssen auf die ein oder andere Art abstimmen. Carter macht dabei sehr glaubhaft, warum es nicht möglich ist, den Urheber technisch aufzuspüren, ohne sich in technische Detailbeschreibungen zu verlieren. Dabei wird selbst die Cybercrime-Einheit des FBI zu dem Fall hinzugezogen. Mit dieser betritt Michelle die Bühne, eine Hackerin vom FBI, die manch eine Ähnlichkeit zu Lisbeth Salander aufweist. Michelle wirkte auf mich trotzdem engagiert, sympathisch und glaubhaft.
Mit der Fokussierung auf die Übertragung via Internet und Verbreitung der Inhalte via sozialen Medien versucht Chris Carter in diesem Band, etwas Gesellschaftskritik zu üben: über den dumpfen Unterhaltungswahn, der von immer sinnloseren Reality-Shows ausgeht und der Macht der sozialen Medien. Und dass jeder Hinz und Kunz vor dem PC zu schlimmsten Entscheidungen in der Lage ist und keine Konsequenzen fürchten muss. Ein Button ist ja schnell gedrückt ... Allerdings war das für mich eher weniger glaubhaft. Ich WILL einfach nicht glauben, dass der alltägliche Mensch hinter dem PC sich beteiligen würde.
Ein großer Pluspunkt der Carter-Romane sind für mich immer die auf die Ermittlungsarbeit fokussierten Plots. Es gibt kaum übermäßige Beschreibungen des Privatlebens der Ermittler Hunter und Garcia - keine Alkoholexzesse, Affären etc. Zwar wird Hunters Hintergrund wieder ausführlich erläutert - es ist also nicht notwendig, irgendeinen Band vorher zu lesen - , aber es gibt kaum Charakterentwicklung. Hunter ist und bleibt der intelligente Ermittler mit dem fotografischen Gedächtnis und Schlafproblemen und Garcia ist und bleibt der Ermittler mit Familie. Das ist für mich ein überaus positiver Aspekt der Reihe, denn eigentlich will ich nur die Aufklärung eines Falls verfolgen und nicht die Entwicklung der Ermittler, welche beide für mich selbst durch die kurze Charakterisierung sehr sympathisch sind.
Der Plot ist durchweg spannend. Natürlich ist zu erwarten, dass es vor allem im Mittelteil zu Längen kommt, denn die Ermittlungen kommen schlecht voran, ein echter Anhaltspunkt fehlt. Aber trotzdem wird die Ermittlungsarbeit gut vermittelt - auch das Stochern im Trüben. Dadurch, dass der Mörder immer einmal wieder mit Hunter und Garcia kommuniziert und kryptische Hinweise gibt, kommt auch stets Spannung in den Plot. Ich habe außerdem die ganze Zeit wirklich keine Ahnung gehabt, wer der Mörder sein könnte, was auch nicht verwunderlich ist, da dieser vollkommen unbekannt bleibt. Bis Hunter sich irgendwann erinnert und die kryptischen Hinweise kombiniert (m. M. n. gibt es da auch keine Chance für den Leser, von allein darauf zu kommen) ...
Die Auflösung des Falls ist glaubhaft und das Ende war ein echtes Herzschlagfinale. Carter hat wieder einmal einen Bösewicht vom schlimmsten Kaliber erfunden, der nicht nur brutal, sondern auch ziemlich genial ist. Bis fast zur letzten Seite musste ich intensiv mitfiebern ...
Das Buch erhält von mir Sterne. Einen halben Punkt ziehe ich ab, weil die Geschichte mit der Integration der Internetnutzer für mich einfach so nicht vorstellbar ist. Also, dass die Nutzer sich so beteiligen, wie im Buch beschrieben.