Jón Kalman Stefánsson - Der Schmerz der Engel / Harmur Englanna

  • "Der Schmerz der Engel" von Jón Kalman Stefánson
    ist ein Buch, bei dem ich mir sehr schwer tue, ihm mit einer Rezension gerecht
    zu werden.


    Der Junge, um den es hier geht, ist ein sehr nachdenklicher und poetischer
    Junge. Er soll den Landpostboten Jens auf seiner Reise durch die Fjorde
    begleiten um ihm bei seiner Angst vor dem Meer zu helfen. Die Landschaft durch
    die sie kommen ist durchgängig weiß und feindlich. Klirrende Kälte,
    schmerzendes weiß und Stunde um Stunde sind sie ohne Schutz unterwegs. Ein
    Kampf gegen die Naturgewalten. Nur ab und zu erreichen sie eine bewohnte Hütte,
    in der sie sich doch nur kurz erholen um ihren Zeitplan einzuhalten. Die
    Erschöpfung nagt an ihnen und mehr als einmal müssen sie mit dem Tod, der sich
    wie ein angenehmer Schlaf, eine angenehme Müdigkeit anschleicht kämpfen. Die
    Schweigsamkeit von Jens lässt den Jungen mit seinen Gedanken allein und sind
    neben dem nackten Überleben der beiden die Hauptgeschichte.


    Ich halte "Der Schmerz der Engel" für ein außergewöhnliches Buch. Die
    äußere Handlung beschränkt sich auf dem Kampf um Leben und Tod, ein immer
    gleich schwerer und gleichbleibender Kampf. Die Erschöpfung nimmt zu und immer
    unkontrollierter bilden sich Gedanken. Auf eine gewisse Weise kommen sich Jens
    und der Junge immer näher, ohne wirkliche Freundschaft zu schließen. Der Junge,
    der sich Gedanken macht über seine scheinbar beginnende Sexualität, Liebe, den
    Tod, das Leben. Seine Art, mit der Belastung umzugehen, Gedichte zu rezitieren
    um der Einsamkeit entgegenzuwirken und sein Gefühlsleben zu ordnen.


    „Der Schmerz der Engel“ regt zum Nachdenken an und rückt
    einem sein eigenes Innenleben vor Augen.
    Es ist intensiv und einfach – anders.


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    Bücher lesen
    heißt wandern gehen
    in ferne Welten,
    aus den Stuben,
    über die Sterne.
    Jean Paul


    Books are a uniquely portable magic. - Stephen King

  • Vielen Dank, Bibliomanin, für diese Vorstellung. Ich habe das Buch zwar schon auf dem SUB, doch Deine Kommentare helfen.


    War/ist Dir bewußt, dass dieses Buch der zweite Band einer Trilogie ist, die mit diesem Buch: Jon Kalman Stefansson – Himmel und Hölle


    angefangen hat?


    Große Empfehlung an Dich für diesen ersten Band, der nach Aussagen von Bekannten noch stärker einzuschätzen ist als dieser zweite. Ich habe ihn ebenfalls sehr gemocht und finde auch Parallelen zu dem von Dir hier nun Gesagten.

  • Danke für die schöne Rezension, schon der von tom leo angesprochene erste Teil ist auf meiner Wunschliste und nun wird sie schon wieder länger.
    Es gibt noch etwas zu bemerken, wir haben bei den Reihen einen Autor mit fast den gleichen Namen, ob das Brüder sind?
    http://www.buechertreff.de/buc…ef-nsson-reihenfolge.html
    Liebe Grüsse Mara
    Ach ja noch etwas, der Originaltitel lautet: Harmur Englanna :wink:

    :study: Ich bin alt genug, um zu tun, was ich will und jung genug, um daran Spaß zu haben. :totlach: na ja schön langsam nicht mehr :puker:

  • War/ist Dir bewußt, dass dieses Buch der zweite Band einer Trilogie ist, die mit diesem Buch: Jon Kalman Stefansson – Himmel und Hölle angefangen hat?

    Nein, das wusste ich nicht. Ich hab das Buch lediglich bei den neuanschaffungen unserer Uni-Bib entdeckt und es hat mich gleich angesprochen. War mal was anderes als sonst....

    Große Empfehlung an Dich für diesen ersten Band, der nach Aussagen von Bekannten noch stärker einzuschätzen ist als dieser zweite. Ich habe ihn ebenfalls sehr gemocht und finde auch Parallelen zu dem von Dir hier nun Gesagten.

    Gut zu wissen, da werde ich mal gezielt nach dem Buch suchen.


    Danke für die schöne Rezension, schon der von tom leo angesprochene erste Teil ist auf meiner Wunschliste und nun wird sie schon wieder länger.
    Es gibt noch etwas zu bemerken, wir haben bei den Reihen einen Autor mit fast den gleichen Namen, ob das Brüder sind?
    http://www.buechertreff.de/buchreihe/338…eihenfolge.html
    Liebe Grüsse Mara
    Ach ja noch etwas, der Originaltitel lautet: Harmur Englanna :wink:

    Hm, ich glaube nicht, dass das Brüder sind. Weil zweimal derselbe Vorname wäre schon seltsam. Da werden die Eltern doch schier verrückt! Da fällt mir nur ein, dass der Autor in seinem Buch mal über den namen "Jón" herzieht, weil so viele so heißen. :wink:
    Und im Internet findet man auch nichts dazu. Allerdings sind die zwei Autoren altersmäßig dicht beieinander. Aber wenn zwei Brüder Schriftsteller wären, würde das bestimmt irgendwo Erwähnung finden. Denke ich.

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  • Stefánsson beweist, dass es 1000 und eine Möglichkeit gibt, einen Schneesturm zu beschreiben. Dem Leser wird es kälter und kälter; man liest weiter und weiter und wünscht, dass Sturm und Schnee endlich aufhören. Ein Zeichen dafür, dass es dem Autor großartig gelingt, seine Leser auf die Situation seiner Protagonisten einzuschwören. Denn sie wünschen auch nichts sehnlicher als ein Ende dieses Wetters.
    Ab und zu ein Aufatmen: Ein Unterstand, eine Schutzhütte, ein abgelegener Hof. Eine Nacht unter Dach, eine warme Mahlzeit, trockene Kleidung. Man würde Jens und dem namenlosen Jungen am liebsten an dem geschützten Ort festhalten und weiß doch, dass es am nächsten Morgen von vorne losgeht: Der Sturm, die Eiseskälte, das Versinken in den nassen kalten Schneemassen und die Angst, den Weg zu verfehlen.


    Stefánsson beschreibt nicht, er kleidet die Schneestürme, die Gedanken des Jungen, die Trostlosigkeit der Umgebung in eine Sprache, die reinste Lyrik ist. Daher braucht man Muße und Zeit, um sich in das Buch einzulesen. Wenn man es geschafft hat, wartet eine unglaubliche Geschichte.


    Was mir nicht gefiel: Das Ende.


    Es wirkt beinahe, als hätte auch der Autor genug von Schnee und Kälte und sich gesagt: So, jetzt ist Schluss!



    Kann man sich ein kälteres Buch vorstellen?

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Das klingt doch mal nach einer tollen Lektüre für kuschelige Winterabende am Kamin, während es draußen stürmt und schneit.
    Ab auf die Wunschliste und vielen Dank für den Tipp.
    :)

  • Tagelang ist man mit Jens, dem Postboten, und dem Jungen im Schneetreiben unterwegs. Die unerbittliche Naturgewalt in Form von heftigen Stürmen, tödlicher Kälte und orientierungslos machendem Schneefall hetzt den Leser von Bergplateau zu Bergplateau. Die paar Menschen, denen die Beiden begegnen, leben so ziemlich am Ende der Welt, demütig, ihrem Schicksal ergeben. Die Atmosphäre dieser Wanderschaft ist eiskalt, der Text selbst aber ungewöhnlich poetisch.
    Ein sehr empfehlenswertes Buch, das sich meiner Meinung nach gegen Ende aber etwas in die Länge zieht. Ich hatte keine Probleme, mich in die Geschichte einzulesen, aber im letzten Drittel dachte ich, dass jetzt doch etwas Abwechslung fällig wäre. Vom Schneesturm hatte ich wirklich genug, zudem stimme ich @Marie zu,

    50-100 Seiten weniger, und ich hätte dem Buch einen halben Stern mehr gegeben.

  • HIer das Link zur im Moment nicht erhältlichen Originalausgabe:

  • Also das Ende ist nicht so wie Du gespoilert hast, denn es gibt ja noch den 3. Band, den ich gerade lese

    Das Ende kommt abrupt, und der Spannungsbogen dorthin fehlt. Insofern kann ein 3. Band die Sache nicht ausbügeln.

    Es geht in meinem Betrag oben allein um die literarische Gestaltung des Endes.

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