Eigentlich müsste ich den Untertitel
noch anführen: Die verlorene Ehre der Katharina Blum oder: Wie
Gewalt entstehen und wohin sie führen kann
Inhalt:
Katharina
Blum ist eine junge hübsche Haushälterin, die sich eine kleine Eigentumswohnung und einen Volkswagen leisten kann. Sie hat ein heiter-bescheidenes Wesen und wird, weil sie Zudringlichkeiten der Männer verabscheut, in ihrer Umgebung die "Nonne" genannt. Diese Frau verliebt sich spontan in einen jungen Mann, einen von der Polizei gesuchten radikalen Rechtsverbrecher. Sie verhilft ihm zur Flucht und gerät in den Mittelpunkt der Sensationsmache einer großen Boulevardzeitung...
(aus dem Buch übertragen)
Und auch nochmal der Klappentext:
Am Vorabend von Weiberfastnacht veläßt eine Junge Frau von siebenundzwanzig Jahren gegen 18.45 ihre Wohnung, um an einem privaten Tanzvergnügen teilzunehmen. Vier Tage später klingelt sie an der Wohnungstür des Kriminaloberkommissars Walter Moeding und gibt zu Protokoll, sie habe mittags gegen 12.15 Uhr in ihrer Wohnung den Journalisten Werner Tötges erschossen...
Zum
Aufbau:
Die Erzählung umfasst in meiner Ausgabe 137 Seiten, die dann noch durch ein Nachwort Bölls selbst ergänzt werden. Eingeteilt ist die Handlung, die nicht chronologisch abläuft, da die Hergänge eher rekonstruiert werden, in 58 kurze Abschnitte.
Böll berichtet mehr, als dass er erzählt und erwähnt stellenweise, dabei ein gewisses "Niveau" dringlichst aufrecht
erhalten zu wollen.
Der Leser weiß zu jeder Zeit, was geschehen wird (wenn er denn den Klappentext gelesen hat). Es geht in der Erzählung nicht um die Tat selbst; einzig und allein das, was zur Tat führt, wirkt auch im Nachhinein und ist das, worauf Heinrich Böll aufmerksam machen wollte.
Meine Meinung dazu:
Großartig, ich glaube, das ist so ein Buch, dass man gelesen haben muss. Nicht (nur), weil Heinrich Böll der Autor ist oder Ähnliches, sondern weil die Medien noch immer so agieren, wie in dem Werk dargestellt. Man selbst bekommt sowas, wenn man von gewissen Tageszeitungen Abstand nimmt, vielleicht gar nicht so mit. Aber die Widerwärtigkeit der Boulevardpresse kommen einem nicht fremd vor, obwohl das Werk "schon" vor guten 30 Jahren erschienen ist.
Das Buch ist dabei keinesfalls trocken, es lebt an vielen Stellen vom Witz und "stillem Humor", wie damals die Neue Züricher Zeitung schrieb. Dennoch berührt es den Leser auf sehr unangenehme Weise, wie sehr
das Leben der Katharina Blum umgekrempelt, jedes einzelne Detail ihres so geordneten und ja vorbildlichen Lebens zerrupft und analysiert wird.
. Nicht nur das, man merkt auch, wie das Umfeld in die Geschehnisse reingezogen wird. Gerade daher empfinde ich es als wichtig, sich diesem Werk mal anzunehmen. Zu sehen, was die Folge von Rücksichtslosigkeiten und dem perversen Zurschaustellen von Menschen sein kann.
Den Erzählstil empfand ich als angebracht. Die Art der Berichterstattung, die zwanghaft versuchte, sich sozusagen von den Gepflogenheiten der ZEITUNG (die Boulevardzeitung der Erzählung, deren Ähnlichkeiten mit den Praktiken der "Bild"-Zeitung "weder beabsichtigt noch zufällig, sondern unvermeidlich" (Aus dem Vorwort) sind) abzuheben.
Die Fragmentierung der Erzählung hat den Lesefluss und damit mich nicht beeinträchtigt. Wen das also bisher abgeschreckt haben sollte, den ermutige ich, es durchaus noch einmal zu versuchen.
Fazit:
Um ehrlich zu sein, finde ich es schwer, einen solchen Klassiker zu bewerten; nicht umsonst hat auch dieser Titel die dreißig Jahre "überdauert". Ich kann aber ohne Probleme Sterne geben, so sehr lohnt es sich, Zeit für die paar Seiten eines Buches freizuschaufeln, wegen dem aus einigen Zeitungen die Bestsellerlisten für eine Zeit verschwanden - weil es es in die Liste geschafft hatte. Ein Werk, das sowas anrichten konnte, wird es zu lesen immer wert sein. ;)
PS.: An die, die es schon gelesen haben: Ich war mir beim Setzen des Spoilers nicht sicher, ob er notwendig ist - was meint ihr?