C.S. Pacat ~ Captive Prince Vol. 1 & 2

  • Kurzmeinung

    Cordi
    Hm... auch wenn mich der Einstieg in die Reihe nicht überzeugen konnte, macht er mich zumindest neugierig.
  • Inhalt: Prinz Damianos, Thronerbe des fiktiven Reichs Akielos, wird durch eine Intrige seines Halbbruders Kastor und dessen Geliebter an den Hof des verfeindeten Lands Vere als Sklave transportiert. Seiner Identität beraubt, bleibt Damianos – von nun an Damen – nichts weiter übrig, als sich seinem Schicksal zu beugen – und unter allen Umständen sein Inkognito zu wahren.


    Das hat einen guten Grund. Beide Länder befinden sich nach einem für Vere katastrophalen Krieg in einem zähen Prozess der Annäherung, forciert durch den Regenten und Onkel des potentiellen Thronfolgers, Laurent. Laurent, gerade zwanzig und zehn Monate von seiner Krönung entfernt, verlor Vater und Bruder in der Schlacht von Marles, einem Grenzgebiet zwischen beiden Ländern, und ist verständlicherweise nicht erfreut über das staatsmännische Geschenk in Form eines namenlosen Sklaven. Was Laurent nicht weiß (oder nicht zu wissen scheint?): sein älterer Bruder kam damals durch Damens Schwert ums Leben. Laurent, hochmütig und enorm intelligent, hasst Akielos und alles, was es repräsentiert. Er demütigt Damen, wo er nur kann, doch gleichzeitig entwickelt sich eine immer stärker werdende Anziehungskraft zwischen den beiden ungleichen Prinzen, die zu ungeahnten Wendungen in einem politischen Machtspiel und höfischen Intrigen führt, das Laurent nur scheinbar in der Hand hat.


    Ausnahmslos aus der Sicht des verschleppten Damens erzählt, erfährt der Leser im ersten Band einen Zusammenprall der Kulturen. Akielos erinnert an das antike Griechenland: Damen ist der Archetyp des aufrechten, geradlinigen Helden, während Laurent und der höfische Adel in Vere eher einem dekadenten Frankreich des 17. Jahrhunderts gleicht. In beiden Ländern ist es für die Oberschicht üblich, Sklaven zu halten. Damen, eher dem weiblichen Geschlecht zugeneigt, muss in Vere feststellen, dass Männer sich kaum erwachsene Knaben halten, um sie entweder zu verhätscheln oder sie grausamen Spielen und sexuellen Demütigungen im Ring auszusetzen, wie er gleich zu Beginn am eigenen Leib zu spüren bekommt. Sein beginnender Widerwille gegen Laurent verwandelt sich schnell in Abscheu vor dessen Grausamkeit. Tatsächlich ist Laurent keine sympathische Figur, doch der Autorin gelingt es, gerade ihm eine Faszination zu verleihen, der sich weder der Leser noch Damen auf Dauer verschließen kann. Ganz allmählich entspinnt sich vor Damens Augen ein Szenario, das Laurents Handlungen und Person zumindest teilweise verständlich machen, und die Subtilität, mit der die Autorin Laurent die Wandlung vom verwöhnten Thronerben zu einem kalkulierenden Mastermind machen lässt, verdient großen Respekt. Scheinbar immer drei Schritte voraus, ergeben Laurents Schachzüge im Lauf der Handlung einen Sinn, und am Ende des zweiten Bands steht eine überraschende Erkenntnis, die Damen zwangsläufig zu Laurents Verbündeten werden lässt, um sein eigenes Land vor einem weiteren Krieg zu bewahren.


    Meinung: Wer hier eine romantische Liebesbeziehung zwischen zwei von Kindesbeinen an verfeindeten Männern à la Montague und Capulet erwartet, wird sich gedulden müssen, denn die (sexuelle) Spannung bleibt lange Zeit geradezu quälend bestehen und löst sich erst gegen Ende des zweiten Bandes auf. Dafür gibt es haufenweise Referenzen auf Shakespeare’sche Dramen: der wohlwollende Onkel ist nicht der, der er vorzugeben scheint, und Laurent erscheint wie eine eiskalte Mischung aus Hamlet und Lady Macbeth. Damen selbst, in der Beobachterrolle, kommt mir vor wie Rosenkranz und Güldenstern, mit einem Schuss Horatio, um die Sache abzurunden.


    Was dieses Buch so außergewöhnlich macht, ist zum einen die unglaubliche Liebe zum Detail, mit der die Autorin Länder, Lokalitäten und Szenen beschreibt, und zum anderen die (politische und emotionale) Verflechtung der Figuren untereinander. Hinzu kommt, dass der Leser sich auf Damens Beobachtungsgabe verlassen und von dort aus seine eigenen Schlüsse ziehen muss – eine sehr clevere Art, Laurents Geschichte zu erzählen. Eine Schlüsselrolle darin spielt der vierzehnjährige Niscaise, den Gespielen des Regenten, und offensichtlich eine Art Spiegelbild des äußerst verschwiegenen Laurent. Man glaubt zu ahnen, welches Schicksal Laurent erlitten hat und zu dem gemacht hat, was er ist – doch eine Gewissheit gibt es nicht. Die Autorin spielt geschickt mit jedem Klischee, nur um es am Ende ad absurdum zu führen, und so würde es mich nicht überraschen, wenn Band drei mit einigen unerwarteten Offenbarungen aufwarten würde.


    Die Geschichte entstand, ähnlich wie E.L. James’ Shades of Grey, auf einer Online-Plattform. Kapitelweise wurden beide Bände den Lesern präsentiert, die dann auch als Taschenbuchausgabe im Selbstverlag gedruckt wurden. Mittlerweile wurde der renommierte Penguin-Verlag auf die Geschichte aufmerksam und hat die Autorin unter Vertrag genommen; ein dritter und letzter Teil soll nächstes Jahr auf den Markt kommen. Das Genre lässt sich wohl zwischen Fantasy und Gay Romance ansiedeln, doch damit wird man dem Buch eigentlich nicht wirklich gerecht. Weder gibt es feuerspeiende Drachen und Elfenzauber, noch lässt sich die Autorin dazu hinreißen, eine heißblütige Affäre zwischen den beiden Protagonisten aufflammen zu lassen, die sich alle zwei Seiten zwischen den Laken wälzen (und dabei anatomische Superlativen aufzufahren).


    Was mich persönlich am meisten begeistert hat, war die Figur des Laurent. Damen ist der unbestrittene Sympathieträger in dieser Geschichte – er wird gedemütigt, ausgepeitscht, und muss zudem erfahren, dass er von seinem eigenen Bruder hintergangen wurde. Sein Ziel ist es, zurück in die Heimat zu gelangen, um sein Volk zu retten. Laurents Motive sind dagegen weniger klar. Auch er kämpft gegen einen Gegner in den eigenen Reihen, doch wo Damen den offenen Kampf vorzieht, agiert Laurent mit Heimtücke und Unberechenbarkeit. Gerade das macht ihn aber auch so spannend. Bis zum Ende des zweiten Bandes ist nicht wirklich ersichtlich, was er aus welcher Motivation heraus tut. Vielleicht ist er etwas zu mysteriös, zu berechnend, zu cool – aber er ist sicherlich die herausragende Figur in diesem Buch. :pray:


    Fazit: Wer gut geschriebene Adult Fiction mag, sollte dieses Buch unbedingt lesen. Gute bis sehr gute Englischkenntnisse sind von Vorteil, da die Autorin einen für mich recht ungewöhnlichen Stil hat, an den ich mich erst gewöhnen musste, der aber dafür streckenweise sehr humorvoll und originell ist. Sprachlich gehört es zu dem Besten, was ich jemals im Gay Romance-Bereich gelesen habe (die Liebesszene zwischen Laurent und Damen ist hinreißend), und die detaillierte Beschreibung von Kleidung, Häusern und Personen stören nicht im Mindesten. Es gibt aufregende Schlachten und Kampfszenen, üppige Bankette, und eine spannende Verfolgungsjagd über Häuserdächer. Für mich ist Captive Prince schon jetzt mein Buch des Jahres, und ich hoffe sehr auf ein baldiges Erscheinen des letzten Teils – und darauf, dass die Autorin sich – Shakespeare zum Trotz – zu einem guten Ende für beide Prinzen entschließt.


    Abgesehen davon, dass es die Fans ohnehin nicht abwarten können, bis der dritte Teil erscheint, habe ich die zwei Teile in einer Rezension zusammengefasst, da es sich empfieht, beide hintereinander zu lesen und sie - dem Charakter einer Trilogie folgend - nicht einzeln gelesen werden sollten.

  • Mara ~ das ist mir klar, und ich hätte auch gerne gerade für die fleißige Serienfee für jeden Teil eine Rezi geschrieben. Allerdings ist der erste Teil recht kurz, und es wird hauptsächlich erklärt, wie die beiden Länder Vere und Akielos "funktionieren" bzw. welche Sitten und Gesetze dort herrschen. Handlungsmäßig passiert im zweiten Band viel mehr, dafür wird man im ersten mit Details, Charakteren und fremden Welten vertraut gemacht, die zum besseren Verständnis des zweiten beitragen. Ich wusste nicht recht, wie ich den ersten Teil rezensieren soll, ohne den zweiten miteinzubinden. :uups:

  • Vielleicht mal als Ergänzung:
    Die deutsche Ausgabe des 1. Teils.


    Ich stimme @Yael übrigens zu, Teil 1 und 2 kann man hier nicht unabhängig voneinander sehen, da sie relativ willkürlich in der Mitte geteilt wurden. Für sich allein genommen, funktioniert Teil 1 nicht.

    "Selber lesen macht kluch."


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    Roberto Bolaño