Birgit Vanderbeke - Alberta empfängt einen Liebhaber

  • Kurzmeinung

    mofre
    Eine klug angelegte, poetische Geschichte über die Unzulänglichkeiten der Liebe und des Lebens
  • Inhalt (aus Buch der 1000 Bücher, von Amazon kopiert):
    Alberta, die Protagonistin, und Nadan, der Astrophysiker, waren schon mehrmals ineinander verliebt. Zuerst in den engagierten 1970er-Jahren. Das zweite Mal kommen die beiden in den 1980er-Jahren zusammen. Sie wollen wollen aus ihrem bisherigen Leben ausbrechen, nach Paris, schaffen es aber nur bis Ludwigshafen, weil sie unterwegs erkennen, dass ihre Liebe für ein gemeinsames Leben der beiden unterschiedlichen Charaktere nicht stark genug ist: Alberta, die Unberechenbare und Nadan, der Ordentliche, wissen, »dass von allen danebengegangenen Geschichten unsere miteinander die danebengegangenste ist, und zwar schon von Anfang an und daher für alle Zeit bis zum jüngsten Tag«. Trotz dieses Wissens kommt es zu einer dritten Begegnung, bei der sich die Voraussetzungen geändert haben: Nadan führt inzwischen eine Familie, Alberta ihr eigenes Leben. Sie empfängt den Bilderbuchspießer als Liebhaber.


    Alberta und Nadan treffen sich erstmals als Jugendliche in einer Zeit, in der alle sich lieben und sich küssen für die Beendigung des Vietnam-Krieges. "Ich fand, er hätte wissen müssen, wie Küssen geht, weil er demnächst seinen Führerschein macht", sagt Alberta. Aber Nadan küsst zunächst nicht Alberta, sondern eine andere, obwohl die Liebe zwischen Nadan und Albderta eine von der Sorte fürs ganze Leben ist. Alberta ist für Nadan eine "Mizzebill": Er liebt sie, auch wenn er sie nicht ausstehen kann.
    Zehn Jahre später folgt ein neuer Versuch, um zusammenzukommen: Sie wollen gemeinsam durchbrennen, auch wenn Nadan schon ein eigenes Haus besitzt und Alberta eine Stelle in einem südfranzösischen Verlag in Aussicht steht. Aber Alberta trägt beim Treffen trotz des warmen Frühlingswetters einen dicken Wintermantel und Nadan eine Krawatte mit grasgrünen Minielefanten. An solchen Kleinigkeiten kann selbst die größte Liebe zugrunde gehen.
    Soweit das erste Kapitel "Eine Mizzebill".
    Im zweiten Kapitel "Jean-Philippe" gibt sich eine Schriftstellerin als Ich-Erzählerin zu erkennen, die gerade die Liebesgeschichte von Alberta und Nadan geschrieben hat und sie ihrem Mann Jean-Philippe zum Lesen gibt. Er sagt: "Was für eine böse Geschichte. Und außerdem ist sie noch lange nicht fertig."
    Sie ist tatsächlich noch nicht fertig, denn im dritten Kapitel "Alberta empfängt einen Liebhaber" ruft Nadan nach so vielen Jahren bei der Ich-Erzählerin an und verkündet, er käme "nachher".


    Es sind anscheinend zwei Geschichten, die Vanderbeke hier erzählt, eine von Nadan und Alberta, die andere von der Schriftstellerin, Jean-Philippe und ihrer Geschichte von Alberta und Nadan. Aber so sieht es nur aus, denn die Erzählungen fließen ineinander. Auch wenn es zunächst scheint, als wollte die Schriftstellerin Jean-Philippe zuliebe die fiktive Liebesgeschichte fortführen, schreibt sie ihre eigene Geschichte. Großartig, wie Vanderbeke durch eine ganz kleine Szene, eigentlich nur ein Wahrnehmen aus den Augenwinkeln, die Grenzen zwischen beiden Erzählungen öffnet und sie zu einer verwebt.


    Ich mag Geschichten, die mehrdeutig sind, die auf verschiedenen Ebenen spielen und deren Ambivalenz man stehen lassen muss, weil jede Interpretation sie ärmer machen würde. Vor allem, wenn sie in einer so klaren und dennoch nicht simplen Sprache geschrieben sind wie die von Vanderbeke.


    Marie

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Vielen Dank für die schöne Vorstellung, liebe Marie :applause:


    Das Buch fehlt mir noch aus der BRIGITTE Liebesroman Edition ... wird bald im Regal stehen 8)

    "Ein Leben ohne Hund ist möglich, aber sinnlos ..."

    (nach Loriot)

  • Und wieder ein Buch, das auf meiner Wunschliste gelandet ist. Marie als Wiederholungstäter, haha.


    Liebe Grüsse :winken:
    Wirbelwind

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Und wieder ein Buch, das auf meiner Wunschliste gelandet ist. Marie als Wiederholungstäter, haha.


    Wie Du mir, so ich Dir. :tongue:


    Ich bin eher durch Zufall an das Buch gekommen: Auf einer Flohmarktkiste stand "3 Bücher 5 €". Zwei Wunschlistenbücher hatte ich schon ausgesucht, und ich nahm dieses Buch einfach mit, um die beiden anderen billig zu bekommen. Und was soll ich sagen: Von den dreien ist dieses das beste.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


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  • Ich habe dieses Buch vor Ewigkeiten gelesen, vor meinem Leben mit BT :mrgreen: .
    Daran, dass es mich fasziniert hat, erinnere ich mich noch. Sonst leider nicht mehr an viel :scratch: , ich sollte es vielleicht ein zweites Mal lesen, wozu hebt man schließlich so viel auf?

    "Wie wenig du gelesen hast, wie wenig du kennst - aber vom Zufall des Gelesenen hängt es ab, was du bist." Elias Canetti

  • Die Geschichte hat mir eigentlich gut gefallen. Der Erzählstil war etwas gewöhnungsbedürftig, wahrscheinlich bin ich nicht in Übung für diese Art der Literatur. Gestört hat mich, dass ich nicht wirklich verstanden habe, ob und warum sich Nadan und Alberta lieben ... habe ich etwas überlesen? Die beiden kommen doch nie wirklich zusammen und streiten sich eigentlich nur, wenn sie mal - selten genug - zusammen sind. Große Liebe stelle ich mir irgendwie anders vor ... 8)


    Auch die Beziehung zu Jean-Phillipe gibt mir mehr Rätsel auf, als die Autorin erzählt. Da konnte ich mir aber vorstellen, in welche Richtung es geht und wie Alberta sich entscheiden wird.

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    (nach Loriot)

  • Große Liebe stelle ich mir irgendwie anders vor


    Es ist "Liebe" als stürmisches Gefühl, mehr nicht. So eine Art Verliebtheit in das Gefühl der Liebe im Sinne einer Schwärmerei oder Anbetung. Man kann sich doch auch in einen Schauspieler, in eine Romanfigur verlieben, empfindet es als große Liebe, ohne dass es überhaupt eine Beziehung geben kann.

    Auch die Beziehung zu Jean-Phillipe gibt mir mehr Rätsel auf, als die Autorin erzählt.


    Er ist der Ehemann oder Lebensgefährte der Schriftstellerin.

    Da konnte ich mir aber vorstellen, in welche Richtung es geht und wie Alberta sich entscheiden wird.


    Gibt es überhaupt eine Entscheidung? Ich glaube nicht.


    Zum besonderen des Buches gehört für mich auch, dass hier zwei Personen zusammenfließen. Dass zum einen Alberta und die Schriftstellerin nicht ein und dieselbe Person sind, aber zum anderen auch nicht zwei getrennte. Gerade dieses Nicht-Eindeutige finde ich faszinierend.

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  • Zitat von »Steffi«
    Auch die Beziehung zu Jean-Phillipe gibt mir mehr Rätsel auf, als die Autorin erzählt.



    Er ist der Ehemann oder Lebensgefährte der Schriftstellerin.


    Das ist mir klar, aber nicht, warum sie ihn geheiratet und ein Kind mit ihm hat ... die beiden leben nebeneinander her, es gibt keine Zärtlichkeit, keine Gemeinsamkeiten. Er flieht, sie schreibt ihre Geschichte ... irgendwie traurig :(


    Gibt es überhaupt eine Entscheidung? Ich glaube nicht.


    das glaube ich auch nicht ... das stört mich, weil sie sich nicht entscheiden kann 8)


    Gerade dieses Nicht-Eindeutige finde ich faszinierend.


    und mich hat es gestört bzw. habe ich es nicht richtig verstanden :-,

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    (nach Loriot)

  • die beiden leben nebeneinander her, es gibt keine Zärtlichkeit, keine Gemeinsamkeiten


    Ich sehe diese Beziehung als Kontrapunkt zu der himmelsstürmenden, aber alltagsuntauglich Liebe zu Nadan. Jean-Philippe und die Erzählerin leben zusammen - abgesehen von seinen beruflichen Touren und ihrer Kur mit dem Kind, sie legt großen Wert auf sein Urteil, und jeder scheint dem anderen den Freiraum zu geben, den er braucht. Ich spüre eine tiefe Vertrautheit zwischen den beiden: Er ist ihr erster Kritiker, und er sagt auch, dass Albertas Geschichte eine "böse" Geschichte sei und außerdem noch nicht fertig.

    habe ich es nicht richtig verstanden


    Verstehen (nach rationalen Gesichtspunkten) kann man es meiner Meinung nach sowieso nicht. Muss man?
    (Vielleicht bin ich einfach nur froh, dass es Bücher gibt, die nicht den Anspruch erheben, verstanden zu werden, wo es so viele gibt, die den Anspruch stellen ... und wenn ich die dann nicht verstehe, bin ich wirklich frustriert. :( )

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  • Verstehen (nach rationalen Gesichtspunkten) kann man es meiner Meinung nach sowieso nicht. Muss man?
    (Vielleicht bin ich einfach nur froh, dass es Bücher gibt, die nicht den Anspruch erheben, verstanden zu werden, wo es so viele gibt, die den Anspruch stellen ... und wenn ich die dann nicht verstehe, bin ich wirklich frustriert. )


    das hast Du sehr schön gesagt .. es baut mich wieder auf. Manchmal traue ich mich an "schwere" Kost einfach nicht ran. Ich gebe nicht auf :-,8)

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    (nach Loriot)

  • Hallo Steffi,


    ich wollte Dir nur sagen, wieviel Spaß mir dieser Thread macht. Endlich eine Buch-Diskussion, die diese Bezeichnung auch verdient. Sowas wünsche ich mir öfter. Einfach ein Austausch verschiedener Meinungen, ohne dass man mit Fäusten, Missverständnissen und Überzeugungsversuchen aufeinander losgeht. :friends:

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Hallo Steffi,


    ich wollte Dir nur sagen, wieviel Spaß mir dieser Thread macht. Endlich eine Buch-Diskussion, die diese Bezeichnung auch verdient. Sowas wünsche ich mir öfter. Einfach ein Austausch verschiedener Meinungen, ohne dass man mit Fäusten, Missverständnissen und Überzeugungsversuchen aufeinander losgeht. :friends:


    das macht man so unter Erwachsenen :friends: ... ich halte mich aus den "hitzigen" Diskussionen raus, ich kenne die Leute doch gar nicht wirklich :-,
    Das Buch wäre sicher interessant für eine Leserunde :D

    "Ein Leben ohne Hund ist möglich, aber sinnlos ..."

    (nach Loriot)

  • Interessant finde ich auch diese Information:


    Zitat

    Nicht unerheblichen Anteil an der gelungenen Vermarktung von Alberta empfängt einen Liebhaber hat auch der von dem Hamburger Grafikerbüro Buchholz/Hinsch/Hensinger gestaltete Schutzumschlag unter Verwendung des Fotos Betty (1988) von Gerhard Richter: Die zurückblickende Halbfigur mit dem Haarknoten wurde für viele Leserinnen zur Ikone der selbstbewussten Frau. M. E.

    ( Amazon, "Buch der 1000 Bücher")


    Gruß
    mofre

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  • Interessant finde ich auch diese Information:


    ( Amazon, "Buch der 1000 Bücher")


    Gruß
    mofre


    Das ist wirklich interessant ... ich habe allerdings eine andere Ausgabe ohne das Bild. Ich habe mich vom Klappentext locken lassen :wink:

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    (nach Loriot)

  • Und die freut sich auch schon sehr auf das Buch. :lol:
    Liebe Grüsse
    Wirbelwind


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  • Das ist wirklich interessant ... ich habe allerdings eine andere Ausgabe ohne das Bild. Ich habe mich vom Klappentext locken lassen :wink:


    Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass das Cover wirklich einen so wichtigen Anteil am kommerziellen Erfolg dieses Buches gehabt hat. Wenn es in den siebziger und achtziger Jahren erschienen wäre, als die Frauenbewegung gerade im Gange war, könnte ich es verstehn, aber noch 1997?


    Gruß
    mofre

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