Viel mehr als nur ein feministisches Werk! Aber hier stößt der Laie an seine Grenzen eine wirklich vernünftige Buchrezension zu schreiben. Denn alleine der Versuch einer Inhaltsangabe sollte man schon tunlichst vermeiden, da die Analyse des Romans, also die Mosaikteile zusammenführen, die Aufgabe jedes Lesers ist. Grundsätzlich sollte man in einer Rezension nichts vorwegnehmen, was den Lesegenuss mindern könnte!
Das Buch ist eine Zerstückelung eines Menschen, hier die Protagonistin Anna Wulf, in seine verschiedenen Rollen bzw. Gefühlswelten. Und somit hat mich dieser Roman sehr an den “Steppenwolf” erinnert.
Doris Lessing schreibt über den Kommunismus in den 50 er. Berichtet darüber wie die humanistische Welle von Russland geprägt sich in der Welt (Afrika, England und Amerika) ausbreitet. Wie Idealisten außerhalb Russlands einen Kommunismus prägen wollen, und wie die kommunistische Partei gespalten wird in Stalinanhänger und Antistalinisten. Wie eine kleine Gruppe versucht diese Utopie in Form eines demokratischen Kommunismus aufzubauen. Diese Menschen scheitern, oder stehen als Verräter da, und sind innerlich tief verletzt.
Fälschlicherweise hatte ich im Tagebuch “unabhängige Frauen” geschrieben, was ich dann aber korrigieren musste, denn es sind “ungebundene Frauen”, die sehr stark abhängig sind, und zwar vom männlichen Geschlecht. Die beiden Freundinnen sind allein erziehende Mütter, und wünschen sich nichts mehr als einen Mann an ihrer Seite mit dem sie glücklich werden können. Doch durch diese starke Sehnsucht geraten sie immer wieder an die falschen Kerle, werden ausgenutzt, angespuckt und als Fußabtreter benutzt. ABER sie stehen immer wieder auf, werfen die falschen Mannsbilder hinaus und versuchen es aufs Neue. Das ist schon sehr modern für diese Zeit.
Ein weiteres Thema ist die Psychoanalyse, in welcher der Patient bewusst zergliedert wird, alle menschlichen Aspekte begutachtet werden, um dann später wieder zu einem Ganzen zusammengesetzt zu werden. Und so ist auch das ganze Buch aufgebaut. Anna besitzt vier Notizbücher in denen sie sich selber aufspaltet. “Das goldene Notizbuch” und auch der Rest des “blauen Notizbuches” spiegeln mir dann das “magische Theater” von Hesse wieder. Wo es zur absoluten Zergliederung, zu einem Schritt vor dem Wahnsinn oder zur eigentlichen Auflösung kommt.
Der Leser beginnt von der ersten Seite an seine Analyse, eine Zusammensetzung, zu ziehen. Durch den logischen Verstand, und da von außerhalb, fällt ihm dies nicht schwer. Für ihn ist Anna Wulf eine Person, und das Buch, ein Buch.
Noch ein Leitmotiv ist die Schreibblockade eines Schriftstellers, wodurch dieses ganze “Durcheinander” erst entsteht.
Alles im Allem ein sehr interessantes Buch, welches immer zum Nachdenken anregt, immer noch sehr aktuell ist, lesenswert und hervorragend! Aber es ist kein Buch für zwischendurch, hier muss man wirklich Zeit mitbringen, und sich dieser Thematik stellen können.
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Buchdetails
Titel: Das goldene Notizbuch
Doris Lessing (Autor) , Iris Wagner (Übersetzer)
Verlag: FISCHER Taschenbuch
Format: Taschenbuch
Seitenzahl: 800
ISBN: 9783596253968
Termin: Mai 1989
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