### Inhalt ###
Tolstoi beschreibt in seinem historischen Roman das adelige russische Leben in den Jahren zwischen 1805 und 1812. Es ist die Zeit, in der sich Russland unter Zar Alexander I. auf den Krieg gegen Napoleon vorbereitet, da dieser sich anschickt den Osten zu erobern. Ca. 120 Personen, deren Erlebnisse und Schicksale werden auf 1534 Seiten beleuchtet. Der Fokus liegt auf dem Leben des russischen Adels, insbesondere der Familien Rostow , Besuchow und Bolkonskij. Die Familie Rostow besteht aus dem Grafenehepaar, dem Sohn Nikolai und der Tochter Natascha sowie der mittellosen Nichte Sonja. Die Familie Bolkonskij besteht aus dem alten Fürsten, dem Sohn Andrej, der Tochter Marja sowie Lisa, der Frau von Andrej. Die Familie Besuchow besteht zu anfangs im wesentlichen aus Pierre. Der steinreiche Vater Pierre verstirbt früh und hinterlässt Pierre ein riesiges Vermögen, womit er zum Ziel hitziger Umwerbungen wird, die alle zum Ziel ihn mit der eigenen Tochter zu verheiraten. Dies gelingt dann auch dem Fürsten Wassilij. Er schafft es seine Tochter Helene mit ihm zu verkuppeln. Das ganz grob zu den Hauptpersonen. Ansonsten besteht der Roman einer Unzahl an Begegnungen und Erlebnissen dieser Hauptpersonen und anderer Nebenpersonen. Dazu gehören Gespräche und Zusammenkünfte auf Soireen, das sind regelmäßige Treffen der gehobenen Gesellschafft, auf denen man sich austauscht, vergnügt und auf dem Laufenden hält. Da sind Bälle, auf denen man sich präsentiert, seinen Können im Tanzen unter Beweis stellt und auf Brautschau geht. Da sind Festgelage, Jagdveranstaltungen, das Wirken in Logen wie der Maurerei, da sind Saufgelage, Duelle und Verhaftungen, vor allem bei den jüngeren Anhängern des Adels, da ist das alltägliche Leben in den adeligen Familien, die Sorgen der Mütter, das Spielen der Kinder, die Suche nach vorteilhaften Verbindungen zu andern Familien und da ist natürlich der Krieg und die Kriegsvorbereitungen. Die jungen adeligen Söhne entscheiden sich entweder zu einer Laufbahn als Offizier oder als Diplomat oder bleiben einfach zuhause, wenn sie es sich leisten können. Und natürlich wird auch der Krieg und deren Schlachten bei Austerlitz und Borodino, die Belagerung Moskaus durch die Franzosen sowie deren anschließende Vertreibung detailliert beschrieben. Der Roman schildert im Mittelteil all diese Ereignisse und Vorkommnisse und schließt ab mit einem Epilog, in dem Tolstoi allgemeine Überlegungen und Schlussfolgerungen aus dem Krieg anstellt und andererseits das Leben der noch lebenden Familienmitglieder beschreibt.
### Meinung ###
Tolstoi schafft es tatsächlich, dass man trotz der 1534 am Ball bleibt. Am meisten haben mich persönlich die Erlebnisse der Hauptpersonen interessiert, ihr Streben nach Sinn und Glück und ihrer Stellung in der Welt. Dabei sind insbesondere Pierre Besuchow, Fürst Andrej, Graf Nikolai, aber auch Prinzessin Marja und Natascha zu nennen. Die Kapitel über Pierre habe ich dabei immer mit besonderem Interesse gelesen. Er gilt in der Gesellschaft immer als Sonderling, da er zum einen recht zerstreut und unbeholfen ist, zum anderen aber in besonderen Maße nach innerer Entwicklung strebt und ringt. Oder Fürst Andrej, der unzufrieden ist mit seinem in Watte gepackten Leben als Adeliger mit seiner naiven und aus seiner Sicht wohl auch dümmlichen Frau Prinzessin Lisa und erwartetem Kind, den es dürstet seine Fähigkeiten im Krieg unter Beweis zu stellen. Der hitzige Nikolai, der ein richtiger Husarenhaudegen im Krieg wird und die Jagd liebt, aber auch Prinzessin Marja, eine Frau, die unter der Knute ihres Vaters tugendhaft, klug, liebevoll und weitsichtig wird. Man liest diese 1534 Seiten und ist immer interessiert und gespannt, was auf den nächsten 50 Seiten passiert, also Hut ab für diese literarische Leistung. Tatsächlich nicht so interessiert haben mich die Schilderungen der Schlachten und Tolstois umfangreiche eigene, aus meiner Sicht eher unwissenschaftlichen Überlegungen zum Krieg. Diese nehmen geschätzt ein Viertel des Buches ein. Unterm Strich kann man sagen, dass Tolstoi die Auffassung vertritt, dass der Krieg und dessen Ergebnis auf keinen Fall das Ergebnis großer Persönlichkeiten wie Napoleon oder Zar Alexander gewesen ist. Im Endeffekt sei alles das Ergebnis von Zufall und die Folge tausender und abertausender Einzelentscheidungen, die kein Mensch überblicken kann. Besonders schmunzeln musste ich immer, wenn Tolstoi von den Tagesbefehlen der großen Generäle gesprochen hat, von denen "kein einziger" nie jemals umgesetzt wurde, weil im Schlachtgetümmel nur noch das eigene Überleben zählt. Er geht auf diese Themen deshalb immer sehr genau ein, um einen Gegenpol zu den damaligen russischen Historikern zu bilden, nach deren Auffassung vor allem das Genie Napoleons für den Verlauf des Krieges verantwortlich war, was ihm persönlich total widerstrebt - in seinen Augen war Napoleon eine total überschätzte Persönlichkeit. Unterm Strich kann man sagen, dass der Roman ein weites Panorama auf die damaligen Verhältnisse schafft. Ich werde mich wohl im Nachhinein immer wieder an einige Szenen im Buch erinnern. Das Buch ist lang, besonders bei den Kriegsschilderungen und - Theorien wiederholt sich Tolstoi auch immer wieder, gefühlt sagt er in einem Abschnitt öfters mal das gleiche, was er in einem vorigen Abschnitt gesagt hat.
### Fazit ###
Tolstoi erzeugt auf 1534 Seiten ein Panorama des russischen adeligen Lebens zwischen 1805 und 1812, dass interessiert und einen am Ball bleiben lässt. Mich haben besonders die Schicksale der Hauptpersonen gefesselt, ihre Entwicklung, ihr Streben nach Sinn, Glück und ihrem Platz in der Welt. Tolstoi liefert eine umfangeiche eigene Sicht zur Beurteilung der Gründe und Folgen des napoleonischen Russlandfeldzuges.