Beiträge von drawe

    Das Thema Reichsgründung 1870 muss ich mir zuerst noch einmal anschauen.

    Ich glaube, wir rutschen in eine MLR zu den Mythen Europas :lol:!

    indem er die Zeit des fünften Jahrhunderts nicht als

    edel ritterlichen Minnegesang präsentiert, sondern als eine tatsächlich ziemlich brutale, von blutigen Schlachten gekennzeichnete Zeit.

    Du meinst, er präsentiert auch die Kehrseite der Medaille?

    Das befeuert u. U. die Mythenbildung :-k.


    Aber wenn ich zurück zu Burnside kehren darf: Wenn er diese Scott-Geschichte als Mythos bezeichnet, dann legt er eine gewisse Distanz zwischen sich und diese Geschichte. Das macht mir Burnsides Ausführungen sympathisch: er zitiert zwar diesen Mythos "Scott", lässt sich quasi einfangen, aber gewinnt sofort wieder eine kritische Distanz, indem er die Geschichte als Mythos bezeichnet.

    Ich für mein Teil würde lieber beim Mythos bleiben, ich finde ihn einfach zu schön, zu heldenhaft, so ehrenvoll! Kurz: so aus der Zeit gefallen!


    Stichwort "Zeit": ich denke, wir dürfen die Zeit nicht vergessen, wir befinden uns im Wetterleuchten kurz vor dem I. Weltkrieg... und im Krieg brauchte man solche Helden, die sich opfern für die anderen....:(. Damit wäre vielleicht der Grund für diese Mythenbildung gefunden...?

    es wäre die Aufgabe der Schulen dieses Manko einmal deutlich

    zu machen und die Wichtigkeit dieser Mythen wieder aufzubauen.

    Ich glaube, dass das eine zweischneidige Sache ist....

    ihm für die Nachwelt, für die Zukunft eine tiefe Bedeutung

    gaben die uns auch heute noch so einiges lehren kann.

    Es kommt wohl immer drauf an, welche Absicht mit dem Mythos verfolgt wird! Du hast oben so schön beschrieben, wie der Artus-Mythos zurechtgezimmert wurde und dass da eine Absicht dahinterstand. Was ist, wenn wir die Absicht heute nicht mehr gutheißen können?

    Ein Beispiel: der Mythos um Hermann den Cherusker wurde im Nationalsozialismus abgewürgt, weil ein Widerstandskämpfer (und das war er ja) in dieser Zeit nicht heroisiert werden konnte. Und schwupps - weg war er, leider.


    Nur am Rande: Ich habe auch den Eindruck, dass Sagen - weil Du die Nibelungensage ansprichst - nicht mehr so viel gelesen werden. Was ich schade finde.


    Einige Mythen verstellen uns auch bewusst den Blick auf die historischen Fakten. Da muss ich allerdings anmerken, dass ein Fakt allein für sich genommen wenig Aussagekraft hat, sondern es ist immer die Verbindung verschiedener Fakten. Überspitzt formuliert: jeder Historiker baut aus den verschiedenen Fakten eine andere "Geschichte". Diese Subjektivität der Geschichtsschreibung ist ein altes Diskussionsthema.


    Manche Mythen werden seit einigen Jahren entzaubert (durch Forschungsergebnisse), und diese Entzauberung dringt langsam auch in die Unterrichtswerke ein. (Es ist erstaunlich, welche Beharrungskräfte da manchmal wirken!) Konkret denke ich da an den Mythos über die Reichsgründung 1870/71.


    Welche Mythen sollen vermittelt werden und welche lieber nicht ?(:-k?(?




    das war nun meine, sehr freie Interpretation

    ...der ich mich nur anschließen kann. Mir hat das kleine Kapitel sehr gut gefallen, und der Vergleich mit dem spielenden Kind macht deutlich, wie Mythen entstehen und wie sie funktionieren.

    Das ist ein sehr interessantes Thema, finde ich, dem in Bezug auf deutsche Mythen Münkeler nachgeht. Er vertritt übrigens die Auffassung, dass solche Mythen nicht nur zur Identifikation nützlich sind, sondern auch für die europäische Verständigung. Er bedauert es, dass in Deutschland so wenige Mythen den Nationalsozialismus überlebt haben.

    Und das würde mich auch sehr interessieren: wie solche Mythen beendet werden.


    Der Artus-Mythos, den Du kurz erzählst, ist immer noch lebendig, soweit ich weiß ...? Welchen Sinn erfüllt er Deiner Meinung nach heute, über das Moralische hinaus?

    Auf was für Themen Burnside einen bringt...


    Ich würde über Deine Deutung noch einen Schritt hinausgehen. Burnside meint hier offenbar diese Scott-Geschichte, also ein Beispiel von Nächstenliebe, Anstand, Tapferkeit und so fort. Wenn das ein Mythos ist --- wie war denn dann die Wirklichkeit? Wem nützt dieser Mythos (außer Burnside) ?

    Meiner Meinung nach auch. Ihn zieht das Dunkle an, die Gefahr, den Tanz am Abgrund.

    :lol:

    Ihr dürft mich gerne (virtuell) hauen, aber das entspricht doch genau dem romantischen Lebensgefühl...!!

    Ich sehe jetzt meinen Fehler deutlicher: ich kann meine Profession halt nicht verleugnen und verwende "romantisch" als Fachbegriff. Das führt zu Missverständnissen. Der Begriff hat nämlich nur wenig mit Blumen, Kerzenschein etc. zu tun, sondern sehr viel mit Schwermut, Leiden, Sehnsucht, Aufgehen in der Natur, Todessehnsucht, Grenzüberwindung, dem Unbewussten, dem Dunklen im Menschen (Schlaf, Ohnmacht, Wahnsinn, ...).

    Vielleicht sind wir jetzt wieder d'accord!

    Anziehungskraft der er sich nur schwer entziehen kann.

    Ja, das fasziniert ihn. Daher rückt er auch das Tagebuch Scotts in sein Buch ein: als weiteres Beispiel eines Menschen, der den Tod bewusst vor sich sieht. Als ob er sich in diese Menschen hineinversetzt und ihrer Gefühlslage nachspüren möchte.


    andere Sichtweisen aufzunehmen

    Genau dazu haben wir uns hier zusammengetan!:winken:

    Denn ein Selbstmord bleibt ein Selbstmord. Egal, ob jemand "eins mit dem Winter" werden möchte, oder ob er eine andere Methode wählt. Daran ist nichts schönes, es ist und bleibt eine menschliche Tragödie, die auch so benannt werden sollte - das ist zumindest mein Standpunkt. :wink:

    Burnside scheint von der Möglichkeit des Selbstmordes fasziniert zu sein. Ich bin gespannt, ob er auf dieses Thema im Fortgang des Buches zurückkommt.


    Dein Standpunkt sei Dir unbenommen - ich für mich sehe das etwas anders. Oates Selbstmord sehe ich, wie gesagt, eher als Opfertod, also als höchst altruistische Handlung, und da kann ich innerlich nur den Hut vor ziehen und habe tiefsten Respekt vor dieser Entscheidung.

    Und wie ist das, wenn man alt, krank, schmerzgeplagt, sorgengeplagt ist? Und keinen Zugang zur Palliativmedizin hat? Oder nur begrenzten? Da scheint mir die Tragödie eher im Weiterleben zu bestehen als im Sterben...

    Literarisch mag das stimmen, aber Burnsides Vorstellung liegt meiner Meinung nach weit davon entfernt.

    Du hast da einfach einen Wissensvorsprung, was Burnside angeht. Du kannst Vergleiche ziehen, kennst seine Motive und damit auch seine persönliche Seelenlage. Da lasse ich mich gerne belehren. Ich habe die Stelle nochmals gelesen und mich um Deine Sichtweise bemüht.

    Ich habe den Eindruck, dass er die Tapferkeit der beiden Männer, die er als Beispiele anführt, bewundert, sie sogar beneidet, weil er diesem Moment des In-den-Tod-Gehens so nachspürt.

    325. Ein Buch aus deinem Lieblingsgenre

    Biografien, Ausstellungskataloge, Krimis, Märchen und Sagen, ... ich habe kein Lieblingsgenre.

    Ich lese gerne Episches, breit angelegte Familienromane, und wenn sie dann noch eine untergegangene

    Welt beschwören, z. B. die Zeit vor dem I. Weltkrieg - dann bin ich sehr zufrieden.

    Und "Melnitz" ist solch ein Roman.


    amazon:

    »Eine vor Erzählbegeisterung überbordende Familiensaga.« Der Spiegel

    Als 1871 nachts ein entfernter Verwandter an die Tür der Meijers klopft, ahnt keiner in der Familie, wie radikal sich ihr Leben ändern wird. Janki Meijer, aus der französischen Armee entflohen, mischt die Familie des Viehhändlers Solomon Meijer, der im Judendorf Endingen für Ehrlichkeit steht, gehörig auf.

    Wie sich die Geschichte dieser weit verzweigten jüdischen Familie bis ins Jahr 1945 entwickelt, erzählt Lewinsky mit einer solchen Gestaltungskraft, dass der Leser unweigerlich zu einem bangenden und hoffenden Teil der Familie wird.

    »Er tut es mit unwahrscheinlichem kulturgeschichtlichem Reichtum, mit Figuren von seltener Lebendigkeit, mit genauem Gespür fürs Gewöhnliche und Ungewöhnliche der jüdischen Condition.« Andreas Isenschmid, persönliche Empfehlung/SWR-Bestenliste März 2006

    Bei „Streulicht“ hängt es aber wahrscheinlich auch mit der erzählten Geschichte als solches zusammen...

    Mir hat die Art und Weise, wie sie erzählt, sehr gut gefallen; eigentlich muss man sich als Leser die Geschichte mehr oder weniger selbst zusammensetzen. So erfährt man z. B. erst relativ spät, dass ihre Mutter Türkin ist - vorher vermutet man es nur, aber weiß es nicht so recht. Sie nimmt also so gar keine Rücksicht auf den Leser.

    Aber die Geschichte selber nimmt im letzten Drittel keine Fahrt mehr auf. Inhaltlich hast Du bestimmt nicht viel versäumt!

    im Unterschied zu Dir lerne ich, Bücher abzubrechen; aus einem Theater bin ich aber schon mehrmals geflüchtet, das kann ich gut :lol:!

    ganz für sich selbst verschwindet er aus dieser Welt.

    Ich habe das auch so aufgefasst, hatte aber darüber hinaus den Eindruck,, dass er eins werden will mit der Natur, d. h. dem Eis, der Kälte, dem dämonischen Wetter etc. Und da wären wir natürlich, literarisch gesehen, bei der Epoche der Romantik.

    Ich kann aber Eleonorah s Gedanken gut nachvollziehen. Burnside spielt mit dieser Vorstellung: dem Eins-Werden, dem Aufgehen in mächtigen Naturgewalten - aber ich bezweifle, ob das in echt auch so schön ist, wie er sich das vorstellt.

    Wenn dessen wirklich mutige Selbstaufgabe letzten Endes auch Selbstmord war.

    Dem Wortlaut nach war das natürlich Selbstmord. Aber ich halte hier die Beweggründe für maßgeblich, nicht ausschließlich das rein Faktische.

    Der "klassische" Selbstmörder bringt sich aus egozentrierten Gründen um. Ihm ist es egal, wieviel Trauer und Schmerz er bei seinen Angehörigen hinterlässt, weil er nur sich und seine Lage sieht/sehen kann. (Wenn ich das mal so platt formulieren darf...)

    Und das ist hier anders. Oates geht in den Tod, weil er seine Kameraden entlasten will. Ich würde seinen "Selbstmord" eher als Opfertod bezeichnen.

    Da sehe ich allerdings bei Burnside keine Parallele. Ihm geht es offensichtlich nur um die Schönheit dieses Moments: der bewusste Gang in den Tod.


    Ich finde,hier "romantisiert" er das ganze zu sehr.

    Das finde ich auch, und ich sehe das wie Farast: seine Liebe zu Kälte, Eis und Einsamkeit stehen dahinter. Aber er opfert sich für niemanden auf.

    324. Ein Cover, auf dem man Schmuck findet


    Darum geht es:

    Eine tragische Liebesgeschichte La Fermosa, die Schöne, wird im mittelalterlichen Spanien Raquel, die Tochter des angesehenen Juden Jehuda Ibn Esra, genannt. In König Alfonso VIII. von Kastilien erwacht bald eine tiefe Leidenschaft für die gebildete, schöne junge Frau, und was für Raquel als politisches Opfer im Interesse der Vernunft und des Friedens begann, wächst auch bei ihr zu einer stürmischen Liebe für den mutigen König. "Liebesszenen von glühender Leidenschaft und der heißen Sinnlichkeit südlicher Temperamente." Marcel Reich-Ranicki

    Ich habe es gestern nicht aus der Bücherei mitgenommen,

    Vermutlich hätten dich die ersten Seiten schon kuriert: eine ausführlichere Beschreibung von postnataler Verstopfung, der Art und Weise der Behandlung und der glücklichen :puker: Lösung des Problems dürfte sich in der abendländischen Literatur kein zweites Mal finden....

    rgendwann wurde für mich aber alles von der phlegmatischen Grundstimmung überdeckt,

    Das Buch hat etwas Trübes, das finde ich auch, und ich glaube, das ist es auch, warum mir das von Ulla Hahn besser gefällt.

    Aber sprachlich hat mir das Buch sehr sehr gut gefallen: sie kann wunderbar beschreiben, direkt ziseliert, und daher bin ich sehr gespannt, was

    sie uns als nächstes Buch präsentiert!

    Und der Inhalt ist einfach faszinierend.

    Das freut mich sehr, dass Dir das Buch so gut gefällt! :winken:


    Ich habe gerade ein Buch mit einer ähnlichen Thematik beendet, Deutscher Buchpreis 2020, aber irgendwie kringelt sich in diesem Buch die Handlung im Kreis bzw. kehrt immer wieder zur Schule zurück, irgendwie geht da nichts weiter - da habe ich Ulla Hahns Buch als sehr viel handfester und erzählerischer in Erinnerung.

    323. Ein Buch von einem Autor (m/w) dessen Vorname mit N beginnt


    ... und das mir auch noch sehr gut gefallen hat.


    Der aus der Ukraine stammende russische Nikolaj Gogol (1809–1852) arbeitete zu Beginn der 1840er Jahre an seinem dreiteiligen Roman »Die toten Seelen«, in dem sich der Autor auf satirische Weise mit dem russischen Landleben, besonders aber mit dem Landadel auseinandersetzte. Der erste Teil des Werks erschien 1842. Den zweiten, bereits weitgehend fertiggestellten Teil verbrannte Gogol vermutlich in einem psychotischen Anfall kurz vor seinem Tod am 21. Februar 1852, nur einige Bruchstücke sind erhalten.