Clarissa Linden aka Christiane Lind - Unsere Hälfte des Himmels

  • 1935 Frankfurt. Johanna und Amelie sind die engsten Freundinnen und teilen die Leidenschaft fürs Fliegen. Eines Tages, davon träumen sie seit langem, wollen sie die ersten weiblichen Berufspilotinnen sein. Doch es ist die Zeit des Nationalsozialismus, der ihre Träume vorerst aufs Eis legt, denn das damalige Frauenbild war das einer Hausfrau und Mutter. Eines Tages verliebt sich Amelie in Johannas Fluglehrer, dabei zerbricht die enge Beziehung zu Johanna, die nicht damit klar kommt, dass die Freundin auf einmal Oberwasser hat. Sie sinnt auf Rache.


    1971 Kassel. Liselotte ist mit einem lieblosen Mann verheiratet, der sie wie seine Leibeigene behandelt. Sie fühlt sich alleingelassen und mutlos. Als sie Nachricht erhält, dass ihre Mutter Amelie aufgrund eines Unfalls im Koma liegt, packt sie kurzerhand ihre Sachen und reist nach Frankfurt, obwohl das Verhältnis zu ihrer Mutter schon immer sehr angespannt und nicht gerade liebevoll war. Bei einem Besuch im Krankenhaus erzählt ihr ein Arzt, dass sie ihrer Mutter Dinge aus der Vergangenheit erzählen soll, damit sie aus dem Koma erwacht. Allerdings weiß Liselotte über das Leben ihrer Mutter herzlich wenig, sie kennt nicht mal ihren eigenen Vater. Amelie hat sich da immer sehr bedeckt gehalten. Eigentlich widerstrebt es Liselotte, in den Sachen ihrer Mutter zu stöbern, doch dann findet sie Dinge, die ihre Mutter in einem völlig neuen Licht erscheinen lassen.


    Clarissa Linden hat mit ihrem Buch „Unsere Hälfte des Himmels“ einen wunderschönen, spannenden und unterhaltsamen Roman mit zwei Zeitebenen vorgelegt, die zum einen die Geschichte von Amelie und Johanna in den 30er Jahren erzählt, zum anderen das Leben von Lieselotte in den 70ern schildert. Der Schreibstil ist wunderbar flüssig, schon der Prolog nimmt den Leser gefangen und treibt ihn regelrecht durch die Handlung, um diese zauberhafte Geschichte zu erfahren. Der historische Hintergrund über die Rolle der Frau in der Fliegerei ist sehr informativ und gut recherchiert mit der Geschichte verknüpft. Die Autorin beleuchtet auch die damalige Rolle der Frau, sowohl in den 30er als auch den 70er Jahren und lässt den Leser einmal mehr erkennen, wieviel diese Rolle sich in den Jahrzehnten bis heute verändert hat. Ob es sich um den Nationalsozialismus, Demonstrationen handelt, die RAF, den Abtreibungsparagraphen 218 oder die Emanzipationsbewegung, die Autorin greift eine Menge Themen auf, die das Leben der Frau von damals geprägt und bis heute verändert haben. Der Spannungsbogen wird sehr schön aufgebaut und spinnt sich durch die Handlung bis zum Ende.


    Die Charaktere sind sehr unterschiedlich gestaltet und wirken mit ihren Eigenheiten sehr authentisch und lebendig. Johanna ist ein Hansdampf in allen Gassen. Sie ist extrovertiert und kämpft für ihren Traum. Obwohl sie mit Amelie eng befreundet ist, spürt man auch eine gewisse Rivalität zu ihr. Die Freundschaft ist für Johanna eine einseitige Sache, bei einer Veränderung in ihrer Beziehung wird sie zur missgünstigen und eifersüchtigen Furie, die einen miesen Plan verfolgt. Amelie ist eher eine zurückhaltende Person, sie steht immer im Schatten von Johanna, und meist ist ihr das ganz recht. Sie liebt die Fliegerei und denkt an nichts anderes, bis die Liebe in ihr Leben tritt und sie sich auf einmal wie ein Schmetterling entfaltet und sich von Johanna abgrenzt, selbstbewusster wird und eigene Entscheidungen trifft. Liselotte ist eine einsame Frau, die sich nichts zutraut und recht mutlos wirkt. Ihre Mutter war eine starke Persönlichkeit, bei der sie sich immer wertlos vorkam und die ihr auch nicht die benötigte liebevolle Zuwendung hat angedeihen lassen. Doch mit dem Unfall der Mutter verändert sich auch Liselotte, sie wächst Tag für Tag immer mehr über sich hinaus, traut sich mehr zu und erhält endlich ihre Unabhängigkeit sowie ein gesundes Selbstvertrauen.


    „Unsere Hälfte des Himmels“ ist ein sehr spannender und unterhaltsamer Roman mit historischem Hintergrund und einem gut verpackten Familiengeheimnis angefüllt mit vielen zeitgenössischen Themen, die interessant in die Handlung verwoben wurden. Absolute Leseempfehlung für ein wirklich tolles Buch! Chapeau – alles richtig gemacht!!!


    Zauberhafte :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: !!!

    Bücher sind Träume, die in Gedanken wahr werden. (von mir)


    "Wissen ist begrenzt, Fantasie aber umfasst die ganze Welt."
    Albert Einstein


    "Bleibe Du selbst, die anderen sind schon vergeben!"
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    gelesene Bücher 2020: 432 / 169960 Seiten

  • Die Geschichte spielt auf zwei Zeitebenen, einmal im Jahre 1935 und dann im Jahr 1971.


    1935:


    Amelie und Johanna ,versuchen mit einer Gruppe gleichgesinnter junger Frauen , ihren Traum vom Fliegen zu verwirklichen. Im Hitler -Deutschland ein fast unmögliches Unterfangen, der Himmel war damals nur den Männern vorbehalten .
    Die Frauen nehmen Flugstunden und tun alles , um ihren Traum zu verwirklichen.Als Amelie sich in Johannas Fluglehrer verliebt , ändert sich die Freundschaft auf dramatische Weise.


    1971:


    Amelies Tochter Lieselotte ist in einer lieblosen Ehe gefangen, als sie die Nachricht erhält, dass Ihre Mutter , nach einem schweren Unfall , im Koma liegt.
    Obwohl sie stets ein sehr distanziertes Verhältnis zu ihrer Mutter hatte, fährt sie sofort nach Frankfurt, um sich um Sie zu kümmern.
    Die Ärzte geben ihr den Rat , ihrer Mutter Geschichten von früher zu erzählen, um das Erwachen zu fördern.
    Da Ihre Mutter ihr kaum Informationen zu ihrer Vergangenheit gegeben hat , begibt sie sich auf Spurensuche.
    Der Autorin ist auf hervorragende Weise gelungen,in wechselnden Zeitebenen , die bemerkenswerten Frauen mit allen Stärken und Schwächen zu zeichnen.
    Der geschichtliche Rahmen , einerseits die Naziherrschaft , andererseits der Aufbruch der
    Frauen in den frühen 70 er Jahren , wurde gut herausgearbeitet.
    Auch der Geschichte des Fliegens wurde genügend Raum gegeben.


    Fazit:
    In dem Roman wurden eine sehr emotionale Liebesgeschichte , die Geschichte einer Freundschaft, sowie eine schwierige Mutter /Tochterbeziehung mit viel geschichtlichem Hintergrund auf sehr geschickte Weise miteinander verknüpft.
    Ich habe das Buch innerhalb kürzester Zeit gelesen, es hat mich emotional sehr stark berührt.


    Ich spreche eine absolute Leseempfehlung aus.


    Ein besonderes Lob möchte ich für das wunderschöne Cover aussprechen. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Dieser Roman reizte mich vor allem wegen seinem Klappentext. Dieses Thema hatte ich in Zusammenhang mit der Zeit des Nationalsozialismus noch gar nicht betrachtet.
    Das Buch begann für mich zunächst verwirrend. Ich brauchte ein paar Seiten, um den Faden aufzunehmen. Im Nachhinein betrachtet war dieser Einstieg aber sehr gut gewählt.
    Die Autorin hat hier sehr ausdrucksstarke Charaktere geschaffen, wobei jeder Einzelne mich auf seine ganz eigene Weise faszinierte. Bleiben wir zunächst in der Vergangenheit hier haben wir Amelie und Johanna. Johanna ist mir am unsympathischsten gewesen, denn sie ist wirklich der Egoismus in Person. Die Welt sollte sich am besten nur um sie drehen und der Verlauf der Geschichte enthüllt zu was sie wirklich fähig ist, nur um ihren Willen zu bekommen. Es ist wirklich erschreckend welchen Weg sie hier wählt. Amelie in jungen Jahren hingegen war mir sehr sympathisch. Sie war ein Mädchen, welches seine Träume hat und diese mit den ihr möglichen Mitteln verfolgt. Sie hat ein einfühlsames Wesen und die Menschen, die ihr nahe stehen, sind ihr sehr wichtig und sie würde alles für sie tun. Ich konnte mit ihr fühlen, leiden und dank des wunderbaren Schreibstils der Autorin auch ihre Entwicklung über die Jahre sehr gut nachvollziehen.
    In der Gegenwart begleiten wir Lieselotte auf ihrem Weg der "Erkenntnis". Lieselotte war mir zu Beginn noch etwas unsympathisch. Sie könnte man zu Beginn schlicht als graue Maus bezeichnen. Sie ist eine folgsame Ehefrau, die jedoch beginnt nach und nach ihr Leben in frage zu stellen. Diesen Weg, den sie für sich wählt und welche geschichtlichen Entdeckungen sie dabei macht haben mich wirklich gefesselt und begeistert.
    Die Autorin hat hier eine Geschichte um einen historischen Hintergrund erschaffen, die mich immer mehr mitgerissen hat je weiter die Handlung voran schritt. Durch die zwei Handlungsstränge in den zwei Zeitebenen hat das Buch eine ganz eigene Dynamik. Man begibt sich mit Lotte auf eine geschichtliche Entdeckungsreise. Immer wieder kommt ein Puzzleteil hinzu und die Geschichte gewinnt an Umfang. Gleichzeitig erfahren wir durch den Handlungsstrang 1935 mehr zu den von Lotte recherchierten Ereignissen und erleben die Welt aus Amelies Sicht. Ich fand das äußerst spannend.
    Das Thema Fliegen und Frauen zur Zeit des Nationalsozialismus war mir vor diesem Buch gar nicht bewusst. Aber hier hat Clarissa Linden wirklich ausführlich recherchiert und an den Leser ihr Wissen weitergegeben, dabei wirkt es in keinster Weise wie ein Sachbuch oder eine wissenschaftliche Arbeit. Es ist wunderbar gefühlvoll und die Schrecken dieser Zeit werden sehr bildlich dargestellt. Es wird aber auch auf die Schwierigkeiten für die Frauen im Jahr 1971 aufmerksam gemacht. Und mir als Leserin wird wieder einmal bewusst, dass wir Frauen in der heutigen Zeit unsere Freiheiten gar nicht zu schätzen wissen oder sie als solche gar nicht wahrnehmen, weil sie für uns selbstverständlich sind.
    Dieser Roman hat wirklich alles für ein aufregendes Leseerlebnis. Dem Leser werden historische Fakten in einer emotional starken Schilderung nahe gebracht und für das Herz der Frau gibt es auch eine Portion Liebe. Ich war wirklich bewegt und das ein oder andere Tränchen ist auch gekullert. Wirklich ein sehr starker Roman, den man auf jeden Fall gelesen haben sollte.


    Bewertung: :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Die Story: In den 1930ern kämpfen zwei junge Frauen dafür, ihren Traum vom Fliegen zu verwirklichen. Was heute niemanden mehr überraschen würde, war damals fast unmöglich, doch Johanna und Amelie, die nahezu unzertrennliche Freundinnen sind, erkämpfen sich einen Ausbildungsplatz als Fliegerinnen von Motorfliegern. Amelie verliebt sich in Felix und Johanna kann damit nicht umgehen, denn sie will niemanden zwischen sich und Amelie lassen. Das Drama nimmt seinen Lauf.
    1971 reist Amelies Tochter Lieselotte nach Frankfurt. Nach einem Unfall liegt ihre Mutter im Koma. Lieselotte weiß nicht viel über die Vergangenheit ihrer Mutter und noch weniger, wer ihr leiblicher Vater ist. Das Mutter-Tochter-Verhältnis war nicht sehr innig. Lieselotte macht sich mit Amelies Nachbarin auf Spurensuche und entdeckt eine ganz andere Amelie, als die, die sie ihr Leben lang kannte …
    Das Buch ist in beiden Zeitebenen sehr interessant, zeigt es doch die Probleme, die beide Frauen (Mutter und Tochter) in ihrer eigenen Zeit haben und hatten. So unterschiedlich sie sind, so ähnlich sind ihre Kämpfe, Träume und Wünsche, ihre Leiden und Sehnsüchte. Doch obwohl sie sich so sehr gleichen, konnten sie nicht miteinander darüber sprechen.
    Der Stil von Clarissa Linden liest sich sehr gut und flüssig. Nichts wird überspannt oder überzogen dargestellt. Alle Situationen sind glaubwürdig und schlüssig dargestellt. Das Thema ist natürlich kein leichtes, sodass man hin und wieder doch eine kleine Auszeit braucht, um es zu verarbeiten.
    Romane, die auf zwei Zeitebenen spielen, sind momentan sehr angesagt und ich mag sie auch wirklich gern. Die Vergangenheit hat immer Auswirkungen auf unsere Gegenwart und es ist faszinierend, das so klar und fokussiert in einem Roman ebenfalls zu erleben.
    Die Zeit des Nationalsozialismus ist immer ein schwieriges Thema. Ich gebe zu, es belastet mich, Schicksale der Menschen damals bewegen mich sehr und ich dosiere solche Bücher für mich sehr sparsam. Ich möchte diese Zeit nicht verdrängen, doch bin ich sehr froh, dass sie Vergangenheit sind. Es ist jedoch wichtig, dass künftige Generationen wissen, wie abgrundtief schlecht viele damals waren und wie leicht sie zu Verrätern wurden. Schon allein deshalb brauchen wir Romane wie diesen.
    Wunderschön und sehr informativ finde ich auch das angehängte „Nachwort und Hintergrund“. Es zeigt, dass sich die Autorin intensiv mit den Themen Frauenbewegung, Kommunikation und der Aufarbeitung des Nationalsozialismus beschäftigt hat und sehr gut recherchiert hat. So wird die Story dichter und zeigt ein zwar fiktives, doch aber realitätsnahes Stück Zeitgeschichte. Von mir bekommt „Unsere Hälfte des Himmels“ vier Sterne.

  • Kassel 1971:Lieselotte bekommt die Nachricht dass ihre Mutter Amelie durch einen Autounfall im Koma liegt.Da es um Lieselotte's Ehe nicht zum besten steht macht sie sich auf nach Frankfurt um ihrer Mutter beizustehen.Bei der Durchforstung von Amelie's Papieren wird Lieselotte mit der Vergangenheit ihrer Mutter konfrontiert.Amelie hatte 1935 mit ihrer Freundin Johanna nur einen Wunsch:Fliegerinnen zu werden.


    Der Schreibstil ist eher ruhig gehalten,bildhaft und zügig zu lesen.Die Protagonisten passen hervorragend in diesen Roman hinein.Der Spannungsbogen umfasst dabei das ganze Buch.


    Fazit:Mit jeder Seite mehr die ich las zog mich dieses Buch in seinen Bann.Die Autorin schrieb diese Geschichte ruhig aber doch so dass sie mich fesselte.Den Flair der 70er Jahre konnte ich mich nicht entziehen.Die Zeitreise zurück geht ins Jahr 1935.Ich bin zwischen den Sprüngen sehr gut mitgekommen weil über jedem Kapitel die Jahreszahl steht. Es sind aufwühlende Zeitepochen mit ihren Um-und Aufbrüchen.Die Themen in diesem Buch fasse ich kurz zusammen: derTraum vom Fliegen,Freiheit,mutige Freundinnen,als Frau eigenständig zu leben bis hin zu Verrat und Vertrauen.Diese Frauenschicksale sind berührend,dramatisch,gefühlvoll und ereignisreich. Es sind zwei Handlungsstränge die beide,jede auf seine Weise, spannend sind.Die Autorin hat diese Geschichte wirklichkeitsnah geschrieben.Ich hatte beim lesen das Gefühl als ob Amelie,Johanna,Lieselotte und Marga wirklich gelebt hatten zudem konnte ich mich sehr gut in die Charaktere hinein versetzen.Diese Geschichte war für mich kurzweilig zu lesen trotz dass dieses Buch über vierhundert Seiten hat.Die Story hat mich so fasziniert dass ich nach der letzten Seite gedacht hatte:Wow was für eine Geschichte!

    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • Ist ja schräg - da hat mal nicht das Buch, sondern die Autorin den Namen gewechselt.


    Ich habe diese Ausgabe, unter dem Autorinnennamen Clarissa Linden.

  • Hier meine Meinung zum Buch - und vielleicht könnte ja jemand die beiden Threads zusammenführen? :)


    Als ihre Mutter Amelie nach einem Unfall bewusstlos ins Krankenhaus eingeliefert wird, lässt Lieselotte alles stehen und liegen und fährt nach Frankfurt. Zwar hat sie ihrer kühlen, zurückhaltenden Mutter nie besonders nahegestanden, doch der Gedanke, dass sie sie verlieren könnte, bedrückt sie doch sehr. Umso mehr, als Amelie nie preisgegeben hat, wer Lieselottes Vater war. Alles, was sie ihr jemals erzählt hat, war, dass er im Krieg gefallen sei.


    Ob Amelie jemals das Bewusstsein wiedererlangen wird, steht in den Sternen. Lieselotte quartiert sich vorübergehend in der Wohnung ihrer Mutter ein, um, in der Nähe sein zu können. Wenn sie ganz ehrlich zu sich ist, muss sie zugeben, dass sie froh ist, einmal aus der erstickenden Enge ihrer Hausfrauenehe herauszukommen und sich ausnahmsweise einmal nicht nach den Forderungen und Launen ihres Mannes richten zu müssen. Und so beginnt sie nicht nur, in Bildern und Briefen ihrer Mutter nach Spuren ihrer Vergangenheit zu suchen, sondern auch mit einer Suche nach sich selbst und dem, was sie wirklich will.


    Über Amelies früheres Leben fördert sie schließlich Erstaunliches zutage: Ihre Mutter war einst eine begeisterte Segelfliegerin, die zu einer „Himmelsstürmerinnen“ genannten Clique junger Pilotinnen gehörte. Auch ihre beste Freundin Hanni war Fliegerin, und Lieselotte hofft, sie ausfindig machen und von ihr Auskunft über ihren Vater erhalten zu können.


    Diese Spurensuche in der Familiengeschichte ist nach dem bewährten Zwei-Zeitebenen-Schema aufgebaut und spielt hier wie dort in bewegten Zeiten. Als Amelie an der Schwelle zum Erwachsenwerden steht und die Chance, ihren Traum, auch beruflich Fliegerin zu werden, zum Greifen nahe scheint, sind die Nazis seit zwei Jahren an der Macht und haben bereits ein Klima von Führerkult und Denunziantentum geschaffen, dessen Auswirkungen auch schon in ihrem Umfeld spürbar wurden. Obwohl Amelie selbst überhaupt kein politischer Mensch ist, findet sie sich schließlich selbst zwischen allen Fronten wieder und muss schließlich einige schwere Entscheidungen treffen.


    Lieselotte, Mitte 30, beobachtet Anfang der 70er Jahre von ferne mit einem vagen Sympathiegefühl die Demonstrationen gegen den Paragraphen 218 und die erstarkende Frauenbewegung, all das, was ihr Mann verächtlich als „Emanzentum“ betitelt. Gerne wäre sie auch wie diese unerschrockenen Frauen, die ihre Rechte einfordern und sich von den Männern nichts mehr vorschreiben lassen wollen.


    Klappentext und Titel täuschen ein wenig darüber hinweg, dass die Fliegerei gar nicht so sehr im Vordergrund steht, wie man vermuten könnte. Genausogut könnten Amelie und ihre Freundinnen stattdessen passionierte Tennisspielerinnen, Wissenschaftlerinnen oder Rennfahrerinnen sein – abseits vom Namedropping der bekanntesten Pilotinnen jener Zeit, Flugzeugtypen und ein paar kleinen Flugszenen erfährt man im Roman nicht allzu viel über die Materie (ein bisschen mehr gibt es im Anhang zu lesen). Schön sind die Zitate aus dem Mund verschiedener Fliegerinnen, die jedem Kapitel vorangestellt sind.


    Vielmehr steht eigentlich Lieselottes persönliche Entwicklungsgeschichte im Vordergrund. Sie macht während ihres Aufenthaltes in Frankfurt nicht nur einige neue Bekanntschaften, die ihr guttun, sondern lernt auch, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und für sich einzustehen. Wie das in schließlich endet, wirkt vielleicht ein bisschen überstürzt, aber durchaus folgerichtig.


    Das Geheimnis um die Vaterschaft an sich löst sich schon ziemlich früh. Weswegen Amelie jedoch seine Identität so konsequent verschwiegen hat und wie Lieselotte dem Ganzen auf die Schliche kommen wird, nimmt noch einmal einige hundert Seiten in Anspruch und löst sich dann in etwas dick aufgetragenem Drama auf. Das fand ich nicht so ganz überzeugend, wie mir auch die Freundschaft zwischen Amelie und Hanni etwas zu symbiotisch und exklusiv vorkam.


    Vor allem zu Beginn fallen zudem ein paar kleine Ungereimtheiten ins Auge wie wechselnde Augenfarben oder andere Widersprüchlichkeiten, das gibt sich zum Glück später. Was ich auch nervig fand, waren die in Anführungszeichen gesetzten Markennamen. Die Erwähnung zeittypischer Marken wie Pril oder Grundig passen perfekt zum gut gemachten Zeitkolorit, aber wozu die Gänsefüßchen?


    Alles in allem ein unterhaltsamer zeitgeschichtlicher Roman mit kleinen Schwächen, in dem das Titelthema leider ein wenig zu kurz kommt.

  • Mario

    Hat den Titel des Themas von „Clarissa Linden - Unsere Hälfte des Himmels“ zu „Clarissa Linden aka Christiane Lind - Unsere Hälfte des Himmels“ geändert.
  • Die Himmelsstürmerinnen

    Clarissa Linden entführt ihre Leser in das Deutschland der 1930er und das 1970er. Zwei Generationen von Frauenleben werden hier parallel betrachtet.


    Zum einen die Geschichte von Amelie Reichard und ihren Freundinnen, den „Himmelsstürmerinnen“ aus dem Fliegerclub, die sich nichts Anderes wünschen als zu Fliegen - im Deutschland der Zwischenkriegszeit und dem aufkommenden Nationalsozialismus alles andere als einfach.


    Der zweite Handlungsstrang beschäftigt sich mit Lieselotte Frank, Amelies Tochter, die in einer lieblosen Ehe gefangen ist und erst mit durch den dramatischen Unfall ihrer Mutter, zu sich selbst findet. Doch Lieselotte muss sich nicht nur ihrem eigenen Schicksal stellen, sondern entdeckt auch nie vermutete Seiten ihrer sehr reservierten Mutter.


    Das Buch ist hervorragend geschrieben. Wir können eintauchen in eine komplexe Mutter/Tochter-Beziehung, die alles andere als liebevoll ist. Wir erleben die Sehnsüchte, Verrat Liebe, Hass und Frauenfreundschaften hautnah mit.


    Der authentische Schreibstil der Autorin lässt uns die Zeit um den Zweiten Weltkrieg als auch die Zeit des Umbruchs in den 1970ern gut miterleben.


    Als Kennerin von vielen Biographien zahlreicher Pionierinnen der Luftfahrt, habe ich allerdings folgende Kritik:


    Die Namen der Fliegermädchen sind zu stark an ihre historischen Vorbilder angelehnt, die ebenso wie körperliche und charakterliche Eigenschaften kreuz und quer gemixt sind. Das hat mich ziemlich irritiert und kostet einen Stern.


    Die echte Amelia „Melli“ Beese (1886-1925) ist die erste Frau Deutschlands, die den Privatpilotenschein erhält und eine Flugschule eröffnet. Sie erschießt sich 1925.


    Hanna Reitsch (1912-1979) scheint das Vorbild für „Johanna ‚Hanni‘ Beese“ zu sein. Die echte Reitsch ist knapp 1,50 groß.


    Vera von Bissing (1906-2002) muss ihren Namen für Felix, Hannis Flugleherer, Amelies große Liebe und Lieselottes Vater, hergeben.


    Das haben sich die echten Pionierinnen der Fliegerei nicht verdient. Hier wären fiktive Namen wirklich besser gewesen.


    Fazit:


    Eine vielschichtige, fesselnde Geschichte, die mich grundsätzlich total in den Bann gezogen hat. Kritikpunkt siehe oben.

    "Ein Tag ohne Buch ist ein verlorener Tag"


    "Nur ein Lesender kann auch ein Schreibender sein oder werden" (Maria Lassnig/1919-2014)