Kai Ashante Wilson - The Sorcerer of the Wildeeps

  • Demane ist ein Halbgott. Eigentlich ein Heiler, hat er sich mit einer Handvoll anderer Söldner auf den Weg gemacht, um eine Handelskarawane zu beschützen. Und Schutz braucht die Karawane dringend, müssen sie doch die mysteriösen Wildeeps durchqueren und dürfen dabei keinesfalls vom Weg abkommen. Leiter der Söldner ist der charismatische Captain, ebenfalls ein Halbgott, der nicht sprechen, sondern nur singen kann und dessen Haare das Sonnenlicht trinken. In den Wildeeps lauert derweil ein gefährlicher Gegner...


    Kai Ashante Wilsons The Sorcerer of the Wildeeps steht in einer langen Tradition von Geschichten, die zeigen, dass Sword & Sorcery mehr mit Science Fiction zu tun hat als mit Fantasy. Oder wie es Arthur C. Clarke sagte: „Jede hinreichend fortschrittliche Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden.“
    Es passiert nicht viel in dieser Geschichte: Die meiste Zeit verbringen Demane und seine „Brüder“ (die anderen Söldner) in einer Oase, bevor sie sich auf ihren gefährlichen Treck machen. Im letzten Kapitel passiert dann sehr viel auf einmal – und Wilson hat keine Angst davor, den Leser zum Schluss reichlich frustriert zurückzulassen. Ebenso wenig Angst hat er davor, Erwartungen zu enttäuschen. Mehr zu verraten, wäre gespoilert.


    Die große Stärke des Autors liegt ohne Zweifel im Kreieren von Atmosphäre: Er zeigt einen greifbaren, eindringlichen Ausschnitt aus seiner Welt und bringt den Lesern die Charaktere sehr nahe. Die Charakterisierung von Demane gelingt für meine Begriffe ausgezeichnet, auch die anderen „Brüder“ werden mit wenigen Sätzen zum Leben erweckt. Captain, den Captain, Captain Isa, sehen wir nur durch Demanes Augen; er bleibt ein wenig ein Mysterium, fast eine Märchengestalt (aber sind sie das nicht immer, die Menschen, die wir lieben?)


    Das Ungewöhnlichste, aber auch das Frustrierendste an dieser Novella (oder diesem kurzen Roman, es sind knapp 200 Seiten) ist die Sprache. Wilson verbindet altertümlich anmutendes Englisch mit modernem Slang und (pseudo-)wissenschaftlicher Fachsprache, die für die Personen dieser Fantasy-Welt wie magische Formeln klingt. Der komplexe Satzbau erfordert viel Konzentration und so manches bleibt obskur.
    Es gibt äußerst brillante Momente hier. Die Stellen, an denen Demanes Gefühle für seinen Captain zum Ausdruck kommen, gehen tief – da sie so echt sind, so unglaublich da. Allerdings stehen Stil und Sprache der Geschichte auch oft im Weg. Wilson will viel und versucht, seine kleine Geschichte zu mehr zu machen, als sie ist. Das ist schade; weniger – weniger stilistische Spielerei, weniger pompöse Prosa, weniger Wörter - wäre hier wirklich mehr gewesen. Andererseits: Irgendjemand muss es ja mal spielerisch, pompös, verschwenderisch versuchen, oder? Selbst wenn's schiefgeht.


    Da ist auch noch etwas anderes, das mich gestört hat:
    Ich vertrete ja die These, dass gute Autoren vor allem drei Dinge brauchen: Begeisterung, Rhythmus, Furchtlosigkeit. Begeisterung für ihre Sache, den richtigen sprachlichen Rhythmus, um ihre Geschichte zu erzählen, und ausreichend Furchtlosigkeit, um niemandem gefallen zu wollen. Rhythmus bringt Wilson ohne Zweifel mit. Furchtlos ist er in gewissem Sinne auch, wie oben beschrieben. Und doch scheint er sich noch an einer Art Rettungsleine entlangzuhangeln, an Ratschlägen, die ihm andere gegeben haben (ich kann es zum Teil nachvollziehen, da ich ähnliche Dinge über das Schreiben gelernt habe). Das ist auch gar nicht weiter schlimm, das ist vielleicht das Beste, was noch am Anfang stehende Autoren machen können. Ich würde mir nur für Wilson und für seine Leser wünschen, dass er diese Rettungsleine irgendwann loslassen kann und alleine läuft, mit Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, und noch mehr zu seiner eigenen Stimme findet. So, wie es ist, ging die Begeisterung für mein Empfinden in dem Bemühen verloren, etwas stilistisch Ungewöhnliches zu schaffen.


    Es tut mit ein bisschen leid, hier nur :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: Sterne zu geben. Ich jammere hier nämlich auf dem hohen Niveau, das verlangt, dass etwas Ambitioniertes und bereits Gutes noch besser zu machen ist. Es sind gute drei Sterne, drei Sterne die sagen: Es gab hier viel Interessantes, ich beobachte den Autor auf jeden Fall weiter.


    Der Grund, warum ich die Geschichte so mag, wie ich sie mag, ist leider auch der größte Spoiler. Aber irgendwo muss ich damit hin, und wozu gibt es hier schließlich die Spoilerfunktion:


    Und warum werden meine Rezensionen eigentlich immer so verdammt lang?


    Über den Autor
    Über Kai Ashante Wilson gibt es so gut wie nichts Persönliches in Erfahrung zu bringen. Er ist so etwa Anfang 40, lebt in New York. 2010 erhielt er das Octavia Butler Stipendium zur Teilnahme am Clarion Creative Writing Workshop für SciFi und Fantasy-Autoren, der in den USA wohl recht renommiert ist. Seine Kurzgeschichte The Devil in America war für den Nebula Award nominiert und es gibt sie, genau wie die Kurzgeschichte Super Bass, kostenlos online bei Tor.com zu lesen.
    Und hier gibts ein Interview. (Netter Kerl. Wir haben ähnliche Lieblingsbücher.)

    "Selber lesen macht kluch."


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