Richard Matheson - The Memoirs of Wild Bill Hickok

  • Eigenzitat aus amazon.de:


    Für I Am Legend und Die Geschichte des schrumpfenden Mannes wird Richard Matheson für immer bekannt sein – auch wenn seine Romane und Kurzgeschichten (etwa “The Box”) Grundlage vieler filmischer Behandlungen gewesen sind. Abgesehen von all den Drehbüchern und Serienepisoden, die er daneben über die Jahrzehnte noch verfasst hat.


    Mit Journal of the Gun Years hatte sich der fleißige und variantenreiche Autor bereits einmal mit der Legendenbildung im sogenannten „Wilden Westen“ auseinander gesetzt und dabei besonders auch hervorgehoben, wie die journalistische Bearbeitung die Wahrnehmung von Abenteurern und Revolverhelden beeinflusst hat.


    In diesem Buch nun nimmt Matheson die Lebensgeschichte des James Butler Hickok, der irgendwann durch eine ältere Dame mit dem Vornamen William versehen wurde, der eine eigene kleine Legende des Wilden Westens darstellt. Er hat sich als Pistolero genauso einen Namen gemacht, wie als Scout für Custer und als Sheriff bzw. Marshall in so unterschiedlichen Städten wie Hays und Abilene. Daneben war er auch noch Postkutschenfahrer, Begleiter einer groß angelegten Büffeljagd, Farmer, Landstreicher, militärischer Scharfschütze, Schausteller, Kartenhai – und am Ende in Deadwood Gulch sogar Goldsucher. Außerdem sagen ihm einige Quellen auch eine Beziehung mit Calamity Jane nach, mit der er sogar ein Kind gehabt haben soll. Das Pokerblatt, das er angeblich auf der Hand gehabt haben soll, als er in Deadwood Gulch im Saloon No. 10 erschossen wurde – eine Dame, zwei Achten und zwei Buben (oder zwei Asse, je nach Quellenlage), bezeichnet man auch heute noch als Dead Man’s Hand.


    Seine durch die Presse geschaffene Legende wird in diesem Buch durch eine fiktive Lebensbeichte ergänzt, in dem James Butler Hickok das alles ein wenig anders erzählt, als es seine „offiziellen“ Biographen dargestellt haben. Darin beschreibt er eine vom väterlichen Gürtel beherrschte Kindheit, eine Karriere, die sich in erster Linie durch Pleiten, Pech und Pannen auszeichnet und eigentlich dem Wunsch, Aggression aus dem Weg zu gehen. Dabei wurde er aber dann Opfer seiner eigenen Legende, denn durch ein Auftreten wie es sein öffentliches Bild nahelegte, wurden seine Missgeschicke oft fehlgedeutet und so musste der reale James Butler Hickok immer mehr im Schatten des Kunstgeschöpfs „Wild Bill Hickok“ leben – bis zu seinem überaus überraschenden Tod bei einem freundlichen Spiel, bei dem er gegen seine Gewohnheit einmal mit dem Rücken zur Eingangstür des Saloons gesessen hatte.


    Die Neigung, Gesetzlose oder auch halblegale Serienkiller aus dem „Wilden Westen“ zu Nationhel-den zu machen, scheint in der angelsächsischen Kultur tief verankert zu sein, wie man auch immer wieder in den britischen, australischen und amerikanischen Medien der 19. Und 20. Jahrhunderts sehen kann – und etwa aktueller in der Glorifizierung von realen Verbrechern in Fernsehserien wie „Narcos“, „Breaking Bad“ oder auch in dem Interview das Sean Penn mit dem gerade wieder inhaftierten Guzman geführt hatte, der eine Möglichkeit gesucht hatte, seine jahrzehntelange Verbrecherkarriere auf die amerikanischen Bildschirme zu bringen. Das dabei auch oft laufende Prozesse durch die Berichtserstattung zumindest in Teilen beeinflusst werden ist dabei sicherlich einer der negativsten Momente.


    Mathesons Versuch – wie schon in „Journal of the Gun Years“ – der Legende, die zum Teil ja auch in den Schulen gelehrt wird, die eher unerfreuliche, und auch ziemlich unhygienische Realität – oder zumindest eine mögliche Variante davon – gegenüberzustellen, ist lobenswert und hier auch wieder ziemlich gelungen. Selbst für einen Leser, der sich für den Wilden Westen nur eingeschränkt interessiert.

  • Hört sich sehr interessant an. Wie aber "Narcos" oder noch mehr "Breaking Bad" eine Glorifizierung von Verbrechern darstellen soll, bleibt mir ein Rätzel.
    In ersterer Serie wird Escobar als cholerischer Wahnsinniger gezeigt, der für Profit auch vor zivilen Opfern keinen Halt macht und sein Land nachhaltig aufs Übelste geschädigt.
    Mehr noch wird in "Breaking Bad" die verführerische Seite des schnellen Geldes durch kriminelle Machenschaften sehr eindringlich vermittelt und das Leid aller Beteiligten sowie der moralische Verfall eines eigentlich rechtschaffenden Bürgers nachgezeichnet.
    Beide Serien glorifizieren nicht das Verbrechen oder die Verbrecher. Es ist sogar das genaue Gegenteil einer Glorifizierung.

    Ein Haus ohne Bücher ist arm, auch wenn schöne Teppiche seinen Böden und kostbare Tapeten und Bilder die Wände bedecken.


    Hermann Hesse

  • Wie aber "Narcos" oder noch mehr "Breaking Bad" eine Glorifizierung von Verbrechern darstellen soll, bleibt mir ein Rätzel

    Es ist einfach das Faktum, dass sie die Zuschaueraufmerksamkeit auf die Lebensumstände solcher Charaktere fokussieren, und so Einiges, was man dort gezeigt bekommt, als eine mögliche Form von Normalität erscheinen lässt - und tatsächlich auch eine Fanbasis erzeugt. Escobar und Guzman fördern solche Projekt ebewusst - und auch eigene in Mexiko und in ganz Mittelamerika. Genau wie dies auch andere Drogen"Könige" tun - als Personenmarketing.
    Da diese Serien - wie auch die Geschichten über die älteren Outlaws - voller Legendenbildung sind und eine beinahe religiöse Anhängerschaft entwickeln, wie ich gerade bei "Breaking Bad" beobachten konnte, denke ich schon, dass hier eine Art der paradoxen Glorifizierung stattfindet. Schließlich wollen die Macher damit viel Geld verdienen. Mit Bezug auf die historischen Vorbilder, sehe ich in diesen Serien allerdings eher ein wenig abgeschwächtere und der Zeit angepassten Weiterentwicklungen.

  • Im Fall von "Narcos" ist es aber eher eine Demontage der Legende und damit wäre es sehr schlechtes Marketing.
    Das sich bei solchen Formaten Zuschauer finden, denen die kritische Einordnung des Gezeigten nicht möglich ist oder die sich gar angezogen fühlen, ist nicht zu leugnen. Die gibt es aber immer und bei noch viel schlimmeren, gewaltverherlichenden Werken jeder Art. Ob in Film, Serien oder Buchform. Außerdem wage ich zu behaupten, dass es sich um eine Minderheit handelt. Wer fände Pacino in "Scareface" noch cool, wenn er eine voll besetzte Passagiermaschine zum Absturz gebracht hätte, wie es Escobar einst in die Wege geleitet hatte?
    Die genannten Serien halte ich für differenziert genug, dem kritischen Zuschauer das Dilemma dieser (Unter-) Welten näherzubringen.
    Es gibt auch keine klassichen Helden. Gewalt tut weh und Verbrechen lohnt sich nicht.
    Gerade auch "Breaking Bad" wird wegen seiner Komplexität und den Charakterentwicklungen, mit Blick auf soziale Missstände, Drogensucht und purer Verzweiflung so verehrt. Die große Fangemeinde beruht zum allergrößten Teil auf der Liebe zu guten Geschichten und toller Inszinierung. Ich habe noch nie jemanden im Bezug auf die Sendungen hören sagen er wäre gerne Walter White oder Pablo Escobar sei cool.
    Wie gesagt, natürlich gibt es diese paradoxen Glorifizierung und gerade deswegen fand ich die Rezension hier auch äußerst interessant. Die Faszination des "Bösen" trägt mitunter paradoxe Blüten. Dennoch halte ich den halbwegs aufgeklärten Zuchauer für erfahren genug das Gesehene richtig einzuordenen und die beiden Serien für unglükliche Beispiele. :)

    Ein Haus ohne Bücher ist arm, auch wenn schöne Teppiche seinen Böden und kostbare Tapeten und Bilder die Wände bedecken.


    Hermann Hesse

  • Vielleicht sind sie das wirklich - aber sie haben zumindest ein wenig Austausch gebracht. :wink: Im Falle von Wild Bill geht es ja gerade andersrum - da ist die Legende deutlich schlimmer als das von Matheson erdachte fiktive Original.

  • So ein netter Austausch kann ja auch anregend sein. Ich bedanke mich dafür.
    Von Wild Bill kenne ich nur eine filmische Darstellung, welche tatsächlich eher eine positive ist. Weshalb mich die echte Geschichte dahinter schon interessieren würde.

    Ein Haus ohne Bücher ist arm, auch wenn schöne Teppiche seinen Böden und kostbare Tapeten und Bilder die Wände bedecken.


    Hermann Hesse

  • Tja, ob man da mit diesem Buch wirklich weiter kommt? Ich weiß nicht, wie stark sich Matheson auf authentische Quellen bezogen hat, bzw. beziehen konnte, aber zumindest mit Bezug auf die Darstellung von Calamity Jane, die hier auch einen Kurzauftritt hat, passt das wohl schon.