Louis-Ferdinand Céline - Briefe an Freundinnen / Lettres à des amies

  • Autor: Louis-Ferdinand Céline
    Titel: Briefe an Freundinnen, 1932 - 1948
    Originaltitel: Cahier Céline 5. Lettres à des amies, erschien erstmals 1979
    Seiten: 216
    Verlag: Merlin
    ISBN: 9783875362565


    Über den Autor: (Dem Klappentext von "Tod auf Kredit" entnommen)
    Louis-Ferdinand Céline (eigentlich Louis-Ferdinand Destouches) wurde am 27. Mai 1894 in Courbevoie geboren. Als Sohn armer Eltern musste er bereits mit zwölf Jahren arbeiten. 1914 meldete er sich freiwillig; er wurde schwer verwundet und mit hohen Orden ausgezeichnet. Aus dem Militärdienst entlassen, nahm er seine durch den Krieg unterbrochenen medizinischen Studien wieder auf und erwarb den Doktortitel. Danach arbeitete er als Armenarzt und an verschiedenen städtischen Kliniken. In den Jahren 1921 bis 1925 bereiste er im Auftrag des Völkerbundes als Schiffsarzt die Küsten Afrikas und Amerikas. Von 1926 bis 1936 war er in leitender Stellung an der Staatsklinik in Clichy tätig.
    Sein erster Roman "Reise ans Ende der Nacht" ( 1932 ) machte ihn mit einem Schlag berühmt; Céline galt fortan als literarischer Neuerer von der Bedeutung eines James Joyce. Dies Urteil bestätigt sein zweiter Roman "Tod auf Kredit" ( 1936 ). Nach einer Reise in die Sowjet-Union veröffentlichte Céline "Mea Culpa" ( 1937 ), eine Absage an seine kommunistischen Ideale. Mit zwei extrem antisemitischem Büchern "L'École des cadavres" und "Bagatelles pour un massacre" (beide 1938 ), geriet er ins Fahrwasser des Faschismus und musste deshalb der Vichy-Regierung 1944 nach Sigmaringen folgen. Er schilderte das Ende Hitler-Deutschlands in der Roman-Trilogie "Von einem Schloss zum anderen" ( 1957 ), "Norden" ( 1960 ), und "Rigodon" ( 1969 ) als makabre, grausige Farce. Nach der deutschen Niederlage floh Céline nach Dänemark; Frankreich forderte seine Auslieferung vergebens. Später wurde er amnestiert und kehrte in seine Heimat zurück, wo er als Armenarzt ein kümmerliches Dasein fristet. Louis-Ferdinand Céline starb am 01. Juli 1961.


    Klappentext:
    Die Briefe des umstrittenen französischen Autors an seine Freundinnen und Geliebten zeigen eine zerrissene Persönlichkeit und dokumentieren den Wandel von Louis-Ferdinand Destouches - wie er mit bürgerlichem Namen hieß - zum Schriftsteller Louis-Ferdinand Céline.
    Ein wichtiger, faszinierender Einblick in das komplexe Innenleben eines Dichters, der nach den Erfahrungen im 1. Weltkrieg und in den Kolonien in Afrika im Menschen wenig mehr als einen verachtungswürdigen Barbaren sah.


    Aufbau:
    Auf gut 200 Seiten finden wir Briefe, die Céline in den Jahren 1932 - 1948 an Freundinnen geschickt hatte. Dabei sind die Briefe in ihrer Gänze nicht chronologisch, sondern nach Freundinnen geordnet: zuerst kommen alle Briefe an Erika Irrgang, dann alle Briefe an N... (einer Österreicherin jüdischer Herkunft), dann alle Briefe an Lucie Porquerol, etc. Vor jedem "Kapitel" gibt es eine kurze Übersicht zu Célines Bekanntschaft, inklusive Foto, wie haben die Beiden sich kennen gelernt und in welchem Verhältnis stehen sie zueinander, etc. - teilweise sogar eine Zeitleiste und Tagebuchnotizen. Insgesamt erhalten wir Einblick in Célines Korrespondenz, die er an sechs verschiedene Freundinnen geschickt hatte, die Antwortschreiben der Adressatinnen sind leider nicht enthalten.


    Inhalt:
    Romantische Liebesbriefe enthält dieser Sammelband nicht. Zum Einen sind darin keine Briefe enthalten, die Céline einer seiner Ehefrauen oder an Elizabeth Craig, seiner Langzeitgeliebten geschickt hat, zum Anderen war Céline aber wahrscheinlich auch nie der romantische Typ. Im Gegenteil, der in diesem Band abgedeckte Zeitraum ist recht interessant, weil man hauptsächlich zwei Entwicklungen beobachten kann: die des Aufstiegs und Falls des Schriftstellers, und die allmähliche Ausprägung zum Antisemitismus! 1932 erschien "Voyage au bout de la nuit" und Céline machte sich berechtigte Hoffnungen auf den Prix Goncourt. Die Enttäuschung den Preis nicht erhalten zu haben, wird noch übertroffen von der schlechten Kritik und den niedrigen Verkaufszahlen von seinem darauffolgenden Roman "Mort à credit". Den Schriftsteller plagt ständige Geldnot, die ihn häufig zwingt, geplante Reisen zu seinen Freundinnen abzusagen. Durch Reisen in die USA, nach Russland und quer durch Europa versucht er immer wieder auch berufliche Kontakte knüpfen zu können, aber von seinen Büchern alleine kann er seinen Unterhalt nicht dauerhaft finanzieren. Frauengeschichten hat er eine Menge; wie er selbst schreibt, hat er in seinem Leben mit jeder netten Frau geschlafen, die ihm begegnet ist. Entsprechend frivol sind auch einige seiner Briefe. Da gibt Céline schon mal Tipps zum Liebesleben und dass Abwechslung für das künstlerische Gemüt wesentlich sei.
    Betreffend Antisemitismus grüsst Céline bereits 1932 seine deutsche Freundin Erika Irrgang mit "Heil Hitler", bzw später auch mit "Heil Göring", und gibt ihr den Ratschlag von den frei gewordenen Stellen zu profitieren, nachdem intellektuelle Juden aus Deutschland gejagt wurden. Im gleichen Zeitraum macht er sich aber auch Sorgen um seine in Österreich lebende jüdische Freundin N... Durch den "Hitlerismus" sieht er die Juden "ein wenig" bedroht, aber er selbst sieht sich mehr verfolgt und befürchtet vielmehr in Wien Zuflucht suchen zu müssen. Irgendwie wird man das Gefühl nicht los, dass Céline zu egozentrisch, blind und verbittert ist, um die drohende Gefahr ernst zu nehmen. Der offen ausgelebte Antisemitismus der "Hitlerianer" sind ein willkommenes Vehikel, um seinen Hass auf Kommunisten, Juden, Verleger, und den Rest der Menschheit auszusprechen. Mit seinen darauffolgenden Pamphleten "L'École des cadavres" und "Bagatelles pour un massacre" formuliert er dann ganz offen seinen Judenhass.


    Meine Meinung:
    Sicherlich ist diese Briefsammlung eher etwas für die (kleine?) Zielgruppe, die zusätzliche Informationen zu Célines Leben erfahren möchten. Ein Einstieg ins Célines Werk ist es nicht, und wenn man Céline gar nicht kennt, dann wird man die Korrespondenz auch wenig spannend finden. Eine richtige Biographie ersetzen die paar Briefe natürlich ebenso wenig. Und natürlich sind diese Briefe nur ein kleiner Ausschnitt von den tausenden von Briefen, die der französische Verlag Gallimard in mehreren Bänden verlegt. Aber als Leser erhält man einen recht guten Eindruck, wie sich in dieser ereignisreichen Periode der Arzt Destouches zum Schriftsteller Céline entwickelt, um was er sich sorgt, welcher Mensch er ist, seine Beziehungen zu Frauen, Geldprobleme, usw. (Und darum ging es mir, Zweck erfüllt, sozusagen)
    Was mich allerdings gestört hatte war, dass die Briefe nicht komplett chronologisch geordnet waren, sondern nach Freundinnen sortiert sind. So muss man manchmal zurückblättern, um bspw. nachzuschauen, was er der anderen Freundin von seiner USA-Reise berichtet hat. Zudem ist zwar die Einleitung vor jedem "Kapitel" ganz hilfreich (Foto der Dame, grober Überblick, wie sie sich kennenlernten, etc) aber etwas mehr verlegerische Hilfestellung hätte ich mir gewünscht, um so manche Anmerkungen richtig zu verstehen. Es gibt ein paar Fussnoten, die bspw. neu erwähnte Personen "einordnen", aber eine deutlichere Verknüpfung der Texte mit Célines Lebenssituation wäre hilfreich. Beispielsweise hören die Briefwechsel abrupt auf, da wäre es interessant gewesen zu verstehen, ob die Freundschaft zu Ende ging und weshalb. (Lediglich die Beendigung zur jüdischen Freundin N... ist kommentiert)