Hrsg.: Stern - Mein Lieblingsbild. 100 Persönlichkeiten und ihr liebstes Kunstwerk

  • Klappentext:
    Lieblingsbilder. Jeder hat eins, sei es große Kunst oder vielleicht einfach auch das erste selbstgemalte Bild aus Kindertagen. Der STERN hat über 100 Persönlichkeiten gefragt: „Was ist ihr Lieblingsbild?“. Die unterhaltsamen, oft überraschenden, manchmal originellen, aber auch besinnlichen Antworten wurden im Magazin publiziert. Nun erscheinen 100 der schönsten Lieblingsbilder und spannendsten Texte dieser Reihe erstmals als Kunstband. Großzügige Abbildungen der Werke begleiten die Kommentare der Befragten aus TV, Kultur, Politik, Gesellschaft und Sport und laden ein, sich selbst zu fragen „Was ist eigentlich mein Lieblingsbild?“. (von Amazon)


    Allgemeine Informationen:
    Von Oktober 2000 bis Februar 2004 gehörte die Rubrik „Mein Lieblingsbild“ zum Stern. In jeder Ausgabe wurde ein Prominenter aus Kultur, Sport oder Politik mit seinem Lieblingsbild und einem kurzen Statement dazu vorgestellt.
    In einem Vorwort erzählt der Journalist Dieter Zimmer, wie er die Qual der Wahl bewältigte, und Stern-Redakteurin Christine Claussen, die die Rubrik betreute, von den Problemen hinter den Artikeln (säumige Prominente, Rechte zum Bildabdruck, …)
    100 Personen zusammen mit den Bildern, alphabetisch aufgelistet


    Persönliche Meinung:
    Muss man dieses Buch haben? Nein, man muss sicher nicht. Auch nicht, wenn Kunstgeschichte zu den Hobbys zählt. Aber wenn man blättert und dann das ein oder andere bekannte Gesicht findet und dessen Gedanken liest … und wenn das Ganze nur 1 € kostet. Dann landet auch so ein Buch irgendwie in der Tasche.
    Und dann liest und betrachtet man es sogar. Und hat Spaß dabei.


    Vorn in der Gunst steht Vincent van Gogh, was nicht eigentlich überrascht, auch Renoir ist mehrmals vertreten, und – erstaunlich – zweimal die Kreuzigung aus dem Isenheimer Altar von Matthias Grünewald (Peter Ustinov und Til Mette – wer immer das ist).


    Ganz klar: Man verbindet Erinnerungen an Bilder, so Hans-Dietrich Genscher an seine Geburtsstadt Halle mit deren Marktkirche von Lyonel Feininger oder der gebürtige Oldenburger Wigald Boning an den Strand von Dangast (Franz Radziwill).
    Manche sind in der beneidenswerten Situation, ein Bild zu sehen, sich zu verlieben und zu kaufen, so Iris Berben oder Reinhard Mey – nicht gerade van Gogh, aber immerhin …


    Einige VIPs erkennt man in ihren Lieblingsbildern wieder. Oder sind deren Fotos so aufgenommen, dass sie sich den Gemälden angleichen?
    Wusste Emil Nolde, dass er Lilo Wanders (links oben) malt?
    Heino Ferch bewundert den Blick der Augen in Amour Fou von Xenia Hausner und guckt genauso – seelenvoll oder doch eher mit Dackelblick?
    Jette Joop imitiert genussvoll das gemalte Selbstbewusstsein der Frau im grünen Bugatti (Tamara de Lempicka).
    Und Axel Prahl kann man eine entfernte Ähnlichkeit mit van Goghs Selbstbildnis nicht absprechen. Man betrachte nur mal die Nase.


    Bei anderen schimmert eher der Neid durch.
    Vielleicht wäre Veronica, die Blonde (Ferres) lieber eine dunkle erotische und eindrucksvolle Erscheinung wie die Madonna von Edvard Munch.
    Oder Marie-Luise Marjan, aller Lindenstraße Mutter, eine ebenso schweigsame wie geheimnisvolle Frau, ähnlich der Ana von Kees van Dingen.


    Man wundert sich auch. Zum Beispiel, dass sich ausgerechnet Gregor Gysi und Sahra Wagenknecht für christliche Kunst entscheiden. Im Fall Gysi Leonardos Abendmahl, dem er gleich eine passende Botschaft unterstellt. Wagenknecht wählt die Sixtinische Madonna von Raffael, für die sie durchaus hätte Modell stehen können.
    Dass Jürgen Domian den schönen Fray Hortencio von El Greco aussucht, wundert dann schon wieder nicht.


    Nicht wenige nutzen die Kunst zur Selbstdarstellung, Thomas Hermanns z.B. dessen Sternchen im TV auch schon mal strahlender schien und der Max Beckmanns Damenkapelle zur Werbung für den eigenen Club benutzt.


    In einem Fall allerdings habe ich mich geärgert: Tim Fischer (kennt den jemand?) schließt seine Bildbetrachtung von Dalis Entdeckung Amerikas ab mit: „So geht’s uns mit allen Christen, wenn wir nicht ständig auf der Hut sind. Blöde Bande.“ Hätte der Stern einen Beitrag abgedruckt, in dem jemand die Juden oder Moslems als „blöde Bande“ bezeichnet? [-(


    Zu Hintersinn und Ironie haben anscheinend nur zwei völlig unterschiedliche Persönlichkeiten Zugang, der Koch Vincent Klink mit Night of the Demon von Rolf Hurzlmeier und die Autorin Siri Hustvedt mit La Tempesta von Giorgione.


    Man hat gelächelt, zugestimmt, mit den Augen gerollt und den Kopf geschüttelt, bevor man das Buch wieder ins Regal stellt. Was kann man mehr verlangen?

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)