Marcel Proust - Auf der Suche nach der verlorenen Zeit (ab 16.03.2015)

  • Ich hänge auch hinterher - lange arbeiten, Kopfschmerzen usw. Aber heute abend und morgen werde ich aufholen und den ersten Teil beenden :thumleft: .

    Lesen ist wie Reisen, ohne dass man dabei einen Zug oder ein Schiff besteigen müsste. Es eröffnet neue, unbekannte Welten. Es bedeutet, ein Leben zu führen, in das man nicht hineingeboren wurde, und alles mit den Augen eines anderen zu sehen. Es bedeutet, zu lernen, ohne mit den Konsequenzen der eigenen Fehler leben zu müssen.

    Madeline Martin, Der Buchladen von Primrose Hall

  • So, da bin ich wieder - von Seite 195 bis zum Ende des ersten Teils


    Ist euch aufgefallen, wie er in der Zeit springt? Erst schreibt er, wie er nach einer Weile wieder nach Combray kommt, als Tante Leonie gestorben ist, und, wie schon @taliesin schreibt, ist er nunmehr alt genug, um Spaziergänge allein zu unternehmen, er hat Träume über Liebeserlebnisse mit Landmädchen.
    Und wieder ein Sprung zurück, wieder in die Zeit, als er noch so jung war, dass er früh, gleich nach der Suppe zum Abendessen, schlafen geschickt wird.


    Im letzten Teil werden einige wichtige Themen angeschnitten.


    Zum einen schildert der Erzähler, wie er Zeuge einer lesbischen Liebesbeziehung zwischen Mlle. Vinteuil und ihrer namentlich nicht genannten Freundin wird, und wie er dabei erstmals Zeuge von Sadismus wird (wie die Freundin von Mlle. Vinteuil das Foto des Vaters bespuckt).


    Der Erzähler beschreibt - wunderschön, wie ich finde - die Landschaft auf dem Spaziergang nach Guermantes. Eine meiner Lieblingsszenen ist dabei die Schilderung des "Lusthauses", in das sich die junge Frau zurückgezogen hat, nachdem sie von ihrem Liebhaber verlassen wurde. Einfach wunder-wunderschön, und so traurig.


    Ein weiteres wichtiges Thema, wie der Erzähler entdeckt, dass er Schriftsteller werden möchte. Mehrfach beschreibt er, wie er angesichts der Schönheiten der Natur versucht, "das Wesen der Dinge" in Worte zu fassen. Und tatsächlich, bei den Kirchtürmen von Martinville, schreibt er ein Prosastück (S. 240). Jedoch plagen ihn Versagensängste (S. 237).


    Worin ich mich wiedererkannt habe, das war bei seiner Schilderung, wie sehr ihn die Landschaften seiner Kindheit geprägt haben, dass er oftmals die Bekanntschaft eines Menschen suchte, weil dieser ihn an eine Landschaft seiner Kindheit erinnerte. Auch diese Schilderung ist wunderschön und in einem sehr melancholischen Ton geschrieben.


    Zum Schluss sind wir wieder in der Gegenwart. Der Erzähler ist nunmehr ganz erwacht, und im Aufwachen erinnert er sich an eine Liebesgeschichte von Swann, die noch vor seiner Geburt stattgefunden hat.


    Damit beginnt der 2. Teil, Eine Liebe von Swann.


    @taliesin, @Knü, @Icecube84: Ich fahre über Ostern, also morgen, weg und bin am Montag wieder da.

    Lesen ist wie Reisen, ohne dass man dabei einen Zug oder ein Schiff besteigen müsste. Es eröffnet neue, unbekannte Welten. Es bedeutet, ein Leben zu führen, in das man nicht hineingeboren wurde, und alles mit den Augen eines anderen zu sehen. Es bedeutet, zu lernen, ohne mit den Konsequenzen der eigenen Fehler leben zu müssen.

    Madeline Martin, Der Buchladen von Primrose Hall

  • bis Ende Teil 1


    Ein weiteres wichtiges Thema, wie der Erzähler entdeckt, dass er Schriftsteller werden möchte. Mehrfach beschreibt er, wie er angesichts der Schönheiten der Natur versucht, "das Wesen der Dinge" in Worte zu fassen. Und tatsächlich, bei den Kirchtürmen von Martinville, schreibt er ein Prosastück (S. 240). Jedoch plagen ihn Versagensängste (S. 237).


    Da dachte ich direkt auch daran, dass hier vielleicht autobiografische Züge eine Rolle spielen. Vielleicht hat Proust ja selbst mit seinen schriftstellerischen Ambitionen
    gekämpft. Wie Proust die Schönheiten der Natur in ihrem Wesen einfangen will und dies auch durch seine Beschreibungen der Natur rund um Combray tut, ist schon meisterhaft.


    Zum Schluss sind wir wieder in der Gegenwart. Der Erzähler ist nunmehr ganz erwacht, und im Aufwachen erinnert er sich an eine Liebesgeschichte von Swann, die noch vor seiner Geburt stattgefunden hat.


    Nach den verschiedenen Zeitsprüngen im letzten Abschnitt der Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend, wendet er sich nun der Erinnerung an einen anderen Menschen zu.
    Im zweiten Teil spricht er also nicht mehr von sich selbst, sondern von Herrn Swann und einer seiner Lieben. Zwangsweise müssen diese Erinnerungen ja auf Erzählungen anderer
    Personen beruhen, denn es sind Ereignisse vor seiner Geburt. Ich bin sehr gespannt auf diese Änderung der Perspektive.


    Vielleicht sind Knü und Icecube ja im zweiten Teil wieder dabei. Am Montag geht es dann weiter. Ich wünsche ein frohes Osterfest.

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

  • Ihr Lieben.
    Es tut mir leid, aber ich ertrinke im Moment in Arbeit. Immer wieder schiele ich begierig auf das Buch, aber wenn ich dann mal ein paar Minütchen Zeit habe, lasse ich mich eher von einer Folge einer Serie berieseln, als etwas anspruchsvolles zu lesen. Das ist total doof, aber ich muss die Klausur am Mittwoch einfach bestehen. Danach habe ich nur noch einen Versuch und darf sonst mein Fach nicht weiter studieren. Bis dahin bin ich also leider abgetaucht! Es freut mich aber, dass ihr so fleißig dabei seid. Ich werde dann einfach versuchen aufzuholen.
    Ich entschuldige mich noch mal für das doofe Timing! :pale:

  • Es tut mir leid, aber ich ertrinke im Moment in Arbeit.


    Hallo :winken:


    so eine wichtige Klausur geht natürlich vor. Wir lesen dann einfach etwas langsamer weiter. Ich wünsche dir viel Erfolg. :friends:

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

  • Hallo ihr. Ich muss mich ja auch mal wieder melden. Ich bin nach wie vor bei Seite 202.
    Gesundheitstechnisch bin ich momentan nich auffer Höhe. Meine rechte Schulter meckert schon wieder rum. Inklusive geschwollenen Lymphknoten. Schmerzentechnisch geht's eigentlich, aber ich bin momentan viel am Grübeln deswegen. Obs wirklich die Schulter is, oder das Ohr oder Zahn...
    naja, nich schön. Jedenfalls greife ich momentan zu einfacher Kost, weils dir doch schwer fällt mich auf ein Buch zu konzentrieren. Morgen geh ich zum Doc. Vielleicht wirds dann besser und ich kann mich wieder auf andere Sachen konzentrieren anstatt auf meine Gesundheit...

    LG Jani



    "Von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat, ist die der Bücher die Gewaltigste."

    Heinrich Heine

  • *hereinkomm. sich vorsichtig umschau*
    Halloooo? Jemand noch hier? Wie siehts aus?


    Ich habe noch nicht weitergelesen, wollte auf euch warten :wink: , @Knü, @Icecube84
    Wie sieht es bei dir aus, @taliesin?

    Lesen ist wie Reisen, ohne dass man dabei einen Zug oder ein Schiff besteigen müsste. Es eröffnet neue, unbekannte Welten. Es bedeutet, ein Leben zu führen, in das man nicht hineingeboren wurde, und alles mit den Augen eines anderen zu sehen. Es bedeutet, zu lernen, ohne mit den Konsequenzen der eigenen Fehler leben zu müssen.

    Madeline Martin, Der Buchladen von Primrose Hall

  • Hallo zusammen,


    habe bei S. 330 zuerst einmal aufgehört um mich ganz der guten Frau Joyce Carol Oates zu widmen, die mit Carthage einen Roman geschrieben hat, der
    mich in Gedanken sicher noch lange beschäftigen wird.


    Wenn alle wieder an Bord sind, können wir gerne weiterlesen.

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

  • Huhu,


    ich bin nach wie vor kein Stück weiter gekommen. Ständig Termine und rumsitzen in Warteräumen lassen nur einfache Kost zu. Abends bin ich dann teilweise zu müde um noch zu lesen.
    Mein Buch liegt auf meinem Nachttisch und ich schau es immer an und denk, versuchst es jetzt? Aber allein beim drüber nachdenken fallen mir teilweise die Augen schon zu.
    Heute habe ich meine erste Behandlung, ab jetzt gehts Berg auf, daher hab ich mir vorgenommen, ab heut abend wieder täglich zu lesen.

    LG Jani



    "Von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat, ist die der Bücher die Gewaltigste."

    Heinrich Heine

  • Eine Liebe von Swann
    bis Seite 300


    So, ich bringe mal wieder ein wenig Bewegung in den Thread :) .


    Zu Beginn des 2. Teils (Eine Liebe von Swann) lernen wir das Ehepaar Verdurin kennen. Arbeiten müssen die Verdurins offenbar nicht, sie haben jede Menge Geld, und sie gefallen sich als Mäzene und Gastgeber eines "kleinen Kreises". Besonders Mme. Verdurin geht völlig in ihrer Rolle als Gastgeberin auf. Anscheinend ist das ihr einziger Lebenszweck, so wacht sie eifersüchtig darüber, dass ihre "Getreuen" sie nicht wegen irgendwelcher Lappalien wegen Weihnachten, Ostern, oder Familien vernachlässigen.
    Ihr Gatte hat irgendwann eingesehen, dass er nicht so "liebenswürdig" sein kann wie seine Frau.
    Weitere Getreue, also ständige Gäste sind Doktor Cottard und seine Frau (der Doktor ist noch sehr unsicher im Umgang mit anderen :loool: ), ein namentlich nicht genannter Maler mit dem Spitznamen "Monsieur Tiche", ein Pianist, die Tante des Pianisten, Saniette - und eine Halbweltdame namens Odette de Crécy.
    Diese hat an einem Abend in der Oper die Bekanntschaft des uns bereits gut bekannten Swann gemacht, und bemüht sich nunmehr darum, diese Bekanntschaft... zu vertiefen.


    Es wird nunmehr näher auf den Charakter von Swann eingegangen, und dabei wird er auch sehr sympathisch gezeichnet. Auch Swann hat anscheinend jede Menge Geld und kann einfach so in den Tag hineinleben. Es wird nicht näher drauf eingegangen, wie er die nähere Bekanntschaft des Fauburg St. Germain, des Hochadels von Paris, machte, aber es wird beschrieben, wie er, nachdem in diesen Kreisen (als Bürgerlicher!) akzeptiert wurde, dies nur nutzte, um die Bekanntschaft "reizender" Frauen zu machen. Ehrlich gesagt, diesen Wesenszug an ihm finde ich nicht sonderlich sympathisch, aber die Beschreibung war wieder sehr schön:


    Zitat

    Er baute nicht Hütten in dem, was er sich an Beziehungen geschaffen hatte, sondern schlug statt dessen lieber überall da, wo eine Frau ihm gefiel, eines jener leicht abzumontierenden Zelte auf, wie die Forschungsreisenden sie mitzuführen pflegen.

    (S. 257)


    Odette betrachtet er auch mehr wie ein Forschungsobjekt. Diese bemüht sich, ihm näherzukommen, besucht ihn mehrfach, und auch er besucht sie in ihrer Wohnung, die sehr schön beschrieben wird. Nach einem seiner Besuche bei ihr vergisst er sein Zigarettenetui, und sie schickt es ihm mit den Worten zurück


    Zitat

    Warum haben Sie nicht auch Ihr Herz bei mir liegen lassen, ich hätte Ihnen nicht erlaubt, es sich wiederzuholen.

    (S. 295)


    , Worte, die für mich mit zu den schönsten Worten gehören, die in der "Suche..." geschrieben wurden (in meiner mehrfach gelesenen Ausgabe ist der Satz sogar unterstrichen) :love: .


    Abschließend noch zu Swann, ich fand sein Verhalten bei den Verdurins auch sehr einnehmend - sozusagen als "umgekehrter Radfahrer", der sich nach unten hin äußerst liebenswürdig und zuvorkommend gibt und nach oben hin ein reservierteres Verhalten an den Tag legt. Ich glaube, bis auf seine Frauengeschichten (und sogar dafür könnte ich Verständnis aufbringen) wäre er eine Persönlichkeit, die ich gern kennengelernt hätte.

    Lesen ist wie Reisen, ohne dass man dabei einen Zug oder ein Schiff besteigen müsste. Es eröffnet neue, unbekannte Welten. Es bedeutet, ein Leben zu führen, in das man nicht hineingeboren wurde, und alles mit den Augen eines anderen zu sehen. Es bedeutet, zu lernen, ohne mit den Konsequenzen der eigenen Fehler leben zu müssen.

    Madeline Martin, Der Buchladen von Primrose Hall

  • Hallo zusammen,


    würde gern direkt mit weiterlesen, aber ich fahre übermorgen mit meinen Schülern auf Klassenfahrt und bin erst nächsten Freitag wieder zurück.
    Ich nehme den Herrn Proust mal mit, obwohl ich wahrscheinlich kaum zum lesen komme. Ab nächsten Samstag steige ich gern wieder mit ein.

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

  • Eine Liebe von Swann
    bis Seite 325 (meine Ausgabe)

    aber es wird beschrieben, wie er, nachdem in diesen Kreisen (als Bürgerlicher!) akzeptiert wurde, dies nur nutzte, um die Bekanntschaft "reizender" Frauen zu machen. Ehrlich gesagt, diesen Wesenszug an ihm finde ich nicht sonderlich sympathisch, aber die Beschreibung war wieder sehr schön:


    Swann kann offensichtlich mit der feinen Gesellschaft nicht wirklich viel anfangen, denn er verhält sich recht reserviert und sorgt dafür, dass immer eine gewisse Distanz
    entsteht. Das hat er ja so auch bei den Eltern des Erzählers getan. Er benutzt seine Verbindungen häufig nur für seine Frauengeschichten. Besonders symphatisch wirkt das
    nicht.


    Odette betrachtet er auch mehr wie ein Forschungsobjekt. Diese bemüht sich, ihm näherzukommen, besucht ihn mehrfach, und auch er besucht sie in ihrer Wohnung, die sehr schön beschrieben wird. Nach einem seiner Besuche bei ihr vergisst er sein Zigarettenetui, und sie schickt es ihm mit den Worten zurück


    Sein Verhalten gegenüber Odette lässt allerdings einen Charaterzug erkennen der mir äußerst unsymphatisch erscheint. Er beschreibt sie wie ein Fresco oder wie ein Möbelstück
    dass das der Erforschung wert ist, aber tiefe Gefühle kann ich da nicht erkennen. Der von dir erwähnte Satz von Odette lässt ja erkennen, dass sie ihn sehr gern mag und ist
    einfach wunderschön ausgedrückt.
    Bei Swann klingt das ganz anders. Er versucht ihr Gesicht hübsch zu finden indem er nur den oberen Teil betrachtet. (S. 323)


    Zitat

    Als er an diesemTag zu ihr ging, versuchte er wie jedesmal im voraus sie sich vorzustellen, und der Zwang,indem er sich befand, ihr gesicht hübsch zu finden,
    ihre Wangen, die so oft gelblich, schlaff und sogar mit kleinen roten Flecken übersät waren, nur auf den oberen, straffen und rosigen Teil zu beschränken, stimmte ihn
    traurig als ein Beweis dafür, dass das Ideal unerreichbar und das Glück mittelmäßig sei.


    Sucht er das Ideal, das in seinen geliebten Gemälden verkörpert wird tatsächlich auch in der Realität? Das erscheint mir sehr weltfremd und Odette gegenüber äußerst unfair.


    Auf jeden Fall ein sehr interessanter Beginn des zweiten Teils und ich bin gespannt, wie sich Swanns Charakter im weiteren Verlauf noch zeigen wird.

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

  • Hallo ihr lieben,


    ich trau mich ja schon fast gar nich hier überhaupt noch zu schreiben...
    Es tut mir echt leid, dass ich euch beim lesen nicht zur Seite stehe. Meine Wehwehchen haben mich länger im Griff als ich dachte oder für möglich hielt. Zwischendurch hab ichs mit Proust versucht, aber es geht einfach nich.
    Wahrscheinlich ist es am besten, wenn ich diese Leserunde für mich als beendet erkläre. Es fiel mir eh schon schwer Proust zu lesen, aber momentan gehts irgendwie gar nich. Es tut mir wirklich leid.
    Ich werde aber weiterhin hier dabei sein und schauen was ihr so schreibt.
    Wünsch euch weiterhin viel Spaß.
    Jani

    LG Jani



    "Von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat, ist die der Bücher die Gewaltigste."

    Heinrich Heine

  • Muss mich auch entschuldigen. Das Semester ist losgegangen und hat mich gleich in eine 40 Stunden Woche geschmissen, mit Seiten über Seiten wissenschftlicher und nicht-wissenschaftlicher Texte, alle für die Uni. Ich hoffe nur, ich werde jemals wieder Lust auf ein normales Buch haben :(

  • @Icecube84 - @Knü Schade, dass ihr nicht mehr dabei sein könnt. Wünsche euch auf jeden Fall, dass ihr bald wieder im normalen Lesemodus ankommt und
    bei all der Arbeit den Spass an der Belletristik nicht verliert. :winken:


    Eine Liebe von Swann
    (bis Seite 370)


    Was nun passiert hätte ich nicht erwartet, denn Swann, der den Eindruck vermittelte, dass seine Gefühle für Odette eher sachlicher Natur sind verliebt sich offensichtlich
    in die Dame. Ausgelöst wird das Ganze durch ein eher triviales Ereignis. Er verpasst Odette bei einem Treffen bei den Verdurins und sucht halb Paris ab, um sie doch noch
    zu sehen. Proust beschreibt den Grund für diese ungewöhnliche Verhaltensweise Swanns allerdings nicht in einer Gefühlswallung des Herrn Swann, sondern in der ersten
    zarten Erscheinung des Besitzdenkens. Keine gute Basis für den Beginn einer Beziehung, oder?


    Zitat

    Es musste nur dazu kommen, dass unsere Neigung für sie plötzlich ausschließlich wurde. Diese Bedingung aber ist erfüllt, wenn - in dem Augenblick, da diese Person
    uns fehlt - in uns an Stelle des Trachtens nach den Vergnügungen, dien ihr Umgang uns bot, ein qualvolles Bedürfnis in uns entsteht, dessen Objekt sie selbst ist, ein
    absurdes Bedürfnis, dessen Erfüllung die Gesetze dieser Welt unmöglich und dessen Heilung sie schwierig machen: das unsinnige und schmerzliche Bedürfnis sie zu besitzen.


    Da trifft Proust einen schmerzlichen Punkt, den wahrscheinlich jeder auf mehr oder weniger deutliche Weise aus seinem eigenen Leben kennt. Zeigt sich hier schon ein kleiner
    Riss in der noch so jungen Verbindung?


    Herr Verdurin scheint nicht sehr viel von beiden zu halten. Er bezeichnet Swann als Poseur und Odette erscheint ihm ohne Tugend und Geist. Schon seltsam, dass Madam
    Verdurin Odette rät mit ihm zu schlafen, weil sie ja zur Zeit sonst niemanden hat. Auch Odettes Antwort, dass sie Swann eher als ein höheres Wesen betrachtet und ihn
    nicht auf diese Art liebt, kam für mich recht unerwartet.


    Auf jeden Fall werden die beiden ein Paar und Swann beginnt fast alles durch eine rosarote Brille zu sehen. Was er anfangs kritisch und zurückhaltend betrachtete, gefällt ihm
    jetzt, oder besser er sieht es durch das Bild seiner Verliebheit in milderen Tönen.
    In den Unterhaltungen der beiden zeigt sich dem Leser jedoch, dass hier zwei Welten aufeinanderprallen, die auf Dauer nicht miteinander bestehen können. Odette sieht
    sowohl die Kunst, als auch die Liebe illusionsloser als Swann. Sie beginnt ihn zu kritisieren was seine Einstellung zur Gesellschaft betrifft und die Aussage, dass Swann in
    geistiger Hinsicht nicht ihren Erwartungen entspricht, ist schon ein starkes Stück. Ach ja, und eines fehlt ihm natürlich auch................


    Zitat

    Wie gut du damit aussiehst. Wie ein richtiger Gentleman. Jetzt müsstest du nur noch einen Adelstitel haben!


    Zurück zu den Verdurins und ihren Abendveranstaltungen. Auch hier wechselt langsam die Zuneigung. Ausgerechnet Odette läd einen neuen Herrn zu den Verdurins ein und
    dieser findet sofort das Gefallen der Gastgeber. Der Graf von Forcheville gibt sich die Ehre und mit dem Grafen beginnt dann auch gleich am ersten Abend der "Abstieg"
    des Herrn Swann. Langsam aber sicher fällt er bei den Verdurins in Ungnade.


    Auf Swanns Reaktion und natürlich auch auf Odettes Verhalten ob dieser Tatsache bin ich sehr gespannt. Endet das alles bevor es richtig begonnen hat?

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

  • @Icecube84; @Knü, :winken: schade, dass ihr nicht mehr dabei seid - aber zum Lesen soll man nicht gezwungen werden; grauenhafte Schullektüren, die man lesen musste, hat ja jeder hinter sich. Man liest sich bestimmt an anderer Stelle.


    @taliesin, :huhu: dann sind wir beide die letzten Ritter der Tafelrunde.


    Die Szene, als Swann Odette fast in ganz Paris sucht, fand ich beim ersten Lesen so spannend, da stockte mir der Atem - bis sie sich letztendlich fanden und das erste Mal "Cattleya spielten".


    Insgesamt hat sich bei mir aber der Eindruck herauskristallisiert, dass Swann der etwas gelangweilte Lebemann ist, der etwas Aufregung in seinen Liebesaffären sucht. Als Kunstliebhaber kombiniert er diese "Leidenschaften" miteinander, sei es, dass einer ein "kleines Dienstmädchen" mitnimmt in die Oper, oder eben dass er in Odettes Zügen Ähnlichkeiten mit Gemälden sucht und findet.
    Odette hingegen - sie verspürt zwar eine Sympathie zu Swann, aber ich denke nicht, dass da tiefgehende Gefühle im Spiel sind. Sie ist nunmal eine so genannte "Kokotte", die davon lebte, dass sie sich von Männern aushalten ließ. An bestimmten Redewendungen ist zu erkennen, dass sie aus einer niedrigeren Gesellschaftsschicht ist. Da Swann sehr reich ist, versucht sie natürlich, mit ihm anzubändeln, der es sich aus den obigen Gründen mehr oder weniger gern gefallen lässt.
    Von seiner Seite aus ändert es sich mit der Szene, als er sie in ganz Paris sucht und zunächst nicht findet.
    Siehe auch dieser Absatz:


    Zitat

    Von allen Arten der Erzeugung von Liebe, von allen Wirkkräften zur Verbreitung dieser heiligen Raserei, ist sicher eine der zuverlässigsten der Sturm einer großen Erregung, der uns manchmal erfasst. Dann fällt das Los unweigerlich auf die Person, mit der wir im Augenblick gerade gern zusammen sind, und auf einmal lieben wir sie. usw.

    - das ist der erste Teil des von dir, taliesin, oben zitierten Absatzes.


    Jetzt könnte alles so schön sein. Für eine Weile sind die Meinungsverschiedenheiten noch Gegenstand von Neckereien, doch es wird ernst - Swann war sich zu sicher, dass seine Liebe von den Verdurins gedeckt wird, doch schon am Abend der "Verfolgungsjagd" verlieh Herr Verdurin seinen Vorbehalten gegen Swann Ausdruck, und sprach damit seiner Frau aus der Seele. Und dass Madame Verdurin die tonangebende in der Ehe ist, ist auch klar. Es ist daher nur eine Frage der Zeit, bis der Zauber der ersten Liebe vorbei ist, und ein erster Vorgeschmack kommt, als ausgerechnet Odette einen neuen Mann zu den Gesellschaften mitbringt, den Comte de Forcheville.


    Bei der Schilderung der Gesellschaft ist zu erkennen, dass de Forcheville zwar nicht gerade den besten Umgangston pflegt, aber viel besser in die Verdurinsche Gesellschaft passt, indem er sozusagen "mit den Wölfen heult". Swann hingegen ist zwar höflich, aber nicht so höflich, dass er in den irgendwelche Lobes- oder was auch immer geartete Hymnen miteinstimmt. Dieser Wesenszug macht ihn mir immer sympathischer (ich geb's ja zu, ich habe eine Schwäche für Swann :love: ).
    Die Soiree bei den Verdurins ist wieder absolut genial beschrieben :pray: . Einfach herrlich, wie er die teilnehmenden Personen schildert (Doktor Cottard, der irgendwie völlig verpeilt wirkt; der pedantische Brichot, die zurückhaltende Madame Cottard, usw.) und sie miteinander agieren lässt.

    Lesen ist wie Reisen, ohne dass man dabei einen Zug oder ein Schiff besteigen müsste. Es eröffnet neue, unbekannte Welten. Es bedeutet, ein Leben zu führen, in das man nicht hineingeboren wurde, und alles mit den Augen eines anderen zu sehen. Es bedeutet, zu lernen, ohne mit den Konsequenzen der eigenen Fehler leben zu müssen.

    Madeline Martin, Der Buchladen von Primrose Hall

  • Swann hingegen ist zwar höflich, aber nicht so höflich, dass er in den irgendwelche Lobes- oder was auch immer geartete Hymnen miteinstimmt. Dieser Wesenszug macht ihn mir immer sympathischer (ich geb's ja zu, ich habe eine Schwäche für Swann


    Bezüglich des Herr Swann bin ich dann doch etwas zwiegespalten. Der Charakterzug den du beschreibst, macht ihn tatsächlich symphatisch, aber andererseits finde ich
    sein Verhalten Odette gegenüber schon sehr gewöhnungsbedürftig. Er hechelt ihr voller Eifersucht hinterher, betrachtet sie aber ansonsten recht hochnäsig als weit
    unter seinem Stande befindlich, ungebildet und schlicht dumm. Muss er das denn ständig erwähnen? Sie ist sein Besitztum und diesen Besitz will er nicht hergeben.


    Ok, Odette zeigt auch ihre berechnende Seite, aber was hat er erwartet von einer Dame, die jemanden sucht der sie aushält. Sie ist nicht mehr die Jüngste und sucht einen
    festen und sicheren Platz. So langsam ist der Glanz der Jugend vorbei und ein Adeliger wie der Graf kommt da wohl gerade recht.


    Die Beschreibung der Soiree fand ich auch herrlich. Diese Bande von angeblich tiefsinnigen und intelligenten Bürgern werden durch Proust zur Karikatur einer Gesellschaft,
    die sich lediglich ein Bonmot nach dem anderen an den Kopf wirft, im Grunde aber in Oberflächlichkeit erstickt.


    Im Gegensatz zum ersten Teil, der eher durch kontemplative Betrachtungen lebte nimmt im zweiten Teil die Handlung zügig Fahrt auf. Das gefällt mir sehr gut und ich bin
    schon sehr gespannt wie Swanns Weg sich weiter entwickeln wird.

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

  • Gestern las ich im Vorwort zu Somerset Maugham`s Roman >Der Menschen Hörigkeit< folgende schöne Geschichte über Marcel Proust.


    Proust wollte, dass eine bestimmte französische Zeitschrift einen bedeutsamen Artikelüber seinen großen Roman veröffentlichte, und da er meinte,
    niemand könnte ihn besser schreiben als er, setzte er sich hin und schrieb ihn selbst. Dann bat er einen jungen Freund von ihm, einen Literaten, seinen
    Namen darunterzusetzen und den Artikel dem Herausgeber zu bringen. Der junge Mann war einverstanden. Aber ein paar Tage später ließ ihn der Heraus-
    geber rufen. "Ich kann ihren Artikel nicht nehmen", sagte er zu ihm. "Marcel Proust würde mir niemals verzeihen, wenn ich eine so oberflächliche und
    teilnahmslose Besprechung seines Werkes druckte."

    :wink:

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

  • :totlach: Die Geschichte hatte ich schon mal gehört, aber immer wieder genial - vor allem, das sieht ihm echt ähnlich :totlach: !


    Ich lese nachher noch weiter :study: !

    Lesen ist wie Reisen, ohne dass man dabei einen Zug oder ein Schiff besteigen müsste. Es eröffnet neue, unbekannte Welten. Es bedeutet, ein Leben zu führen, in das man nicht hineingeboren wurde, und alles mit den Augen eines anderen zu sehen. Es bedeutet, zu lernen, ohne mit den Konsequenzen der eigenen Fehler leben zu müssen.

    Madeline Martin, Der Buchladen von Primrose Hall

  • Eine Liebe von Swann - bis S. 382 (Ende eines größeren Abschnitts; Swann fällt bei den Verdurins in Ungnade)

    Swann offenbart im Verlauf der nächsten Seiten immer unsympathischere Züge - er ist eifersüchtig. Und es ist keine "normale" Eifersucht, wie sie fast jeder schon gefühlt hat (auch ich bekenne mich dazu), sondern es ist eine krankhafte Eifersucht, die ihn dazu bringt, Odette hinterherzuspionieren. Eigentlich beginnt es damit, dass er sie aushält, dass er sie für die Gesellschaft bezahlt, die sie ihm leistet. Und "natürlich" möchte er auch einen Gegenwert für seine Leistungen, nämlich dass sie für ihn ausschließlich da ist.


    Es ist wie eine Spirale: Er gibt ihr Geld, er gibt ihr mehr Geld (erst 5.000 Francs, dann überlegt er, ihr 6-7.000 Francs zu geben, nur damit sie ihm dankbar dafür ist). Und gleichzeitig dreht sich auch die Spirale der Eifersucht immer weiter. Bestimmte Verhaltensweisen, die sie ihm recht unschuldig noch in der Anfangszeit ihrer Beziehung zeigte, wenden sich auf einmal gegen ihn (z.B. wie ihr Gesichtsausdruck, wenn sie lügt - hatte sie am Anfang Madame Verdurin angelogen, lügt sie nunmehr Swann an).


    Bei den Schilderungen, wie weit ihn seine Eifersucht treibt - er schleicht sich von hinten an ihr Haus heran, klopft ans Fenster, um herauszufinden, wer bei ihr ist; er öffnet einen Brief, der an de Forcheville gerichtet ist... - schwankte ich zwischen Entsetzen und Faszination.


    Aber es geht noch weiter abwärts mit der Beziehung: denn die Verdurins schließen ihn aus den Gesellschaften aus, zugunsten von de Forcheville. Und wie er dann wütet, ebenfalls absolut faszinierend. Was mich an mich selbst erinnerte: wenn ich mich so richtig über irgendwas ärger - drücke ich mich auch immer äußerst gewählt aus, und das habe ich bei Swann, als er von der Gesellschaft bei den Verdurins zurückkehrt, absolut wiedererkannt!

    Lesen ist wie Reisen, ohne dass man dabei einen Zug oder ein Schiff besteigen müsste. Es eröffnet neue, unbekannte Welten. Es bedeutet, ein Leben zu führen, in das man nicht hineingeboren wurde, und alles mit den Augen eines anderen zu sehen. Es bedeutet, zu lernen, ohne mit den Konsequenzen der eigenen Fehler leben zu müssen.

    Madeline Martin, Der Buchladen von Primrose Hall