Christian Wulff - Ganz oben, ganz unten

  • Und wieder hat er es geschafft, mit seiner Eitelkeit und Selbstgerechtigkeit die Würde des Amtes eines Bundespräsidenten zu beschädigen. Denn die zu achten und zu schützen wäre gerade nach seinen Rücktritt die Aufgabe von Christian Wulff gewesen. Hat man je etwa von Horst Köhler solche Jammereien und Selbstgerechtigkeiten gehört? Obwohl auch die Medien ihm übel mitspielten, hat er bis heute Haltung bewahrt und sich nach seinem Rücktritt durch eine stille Arbeit wieder den öffentlichen Respekt erarbeitet.


    Ähnlich wie es Wulffs ehemaliger Frau Bettina mit ihrem nach dem Rücktritt verfassten Buch viel mehr um die eigene Eitelkeit als um wirkliche Aufklärung ging, sind auch seine hier vorliegenden Erinnerungen ein Sammelsurium an Selbstbeweihräucherung und Larmoyanz. Kaum ein Wort zu den eigenen Fehlern und Lügen, dafür aber versteckt Angriffe auf seinen Nachfolger, wenn er behauptet, er wäre „auch heute noch der Richtige im Amt“.
    Peer Steinbrück, dem die Medien im letzten Wahlkampf auch übel mitgespielt haben, hat in seiner Rezension des Buches in der letzten ZEIT darauf hingewiesen, dass die Geschichte Wulffs kein Einzelfall sei, sondern paradigmatisch für den Umgang der Medien mit der politischen Klasse: "Unter dem Druck des Wettbewerbs um Auflage, Quote und Klicks, im Hochgeschwindigkeitsjournalismus um die erste und die süffigste Nachricht, in der Tendenz zur Personalisierung und Reduzierung von Politik auf Duellsituationen haben wir es gewiss mit anderen Zeiten zu tun als jener, in der es nur zwei öffentliche Fernsehanstalten, kein Internet, keine Onlinedienste und kein Twitter gab".


    Das ist richtig, aber das zu analysieren hätte es dieses vor Eigenlob trotzende Buch nicht gebraucht, in dem mit keinem Wort die Rede ist davon, wie etwa Wulff in Kooperation mit der BILD-Zeitung damals die Trennung von seiner ersten Frau medial begleiten ließ und sich mit seiner neuen Frau in einer neuen Glamourwelt feiern ließ.


    Christian Wulff ist von allen Vorwürfen frei gesprochen worden und sollte sich nun auf den Aufbau eines neuen Lebens konzentrieren. Ein guter Bundespräsident war er mit seiner Verortung bei den Reichen, Berühmten und Schönen nicht. Die Türken in Deutschland lieben ihn wegen dem Satz, dass der Islam zu Deutschland gehöre. Für die meisten Deutschen wird er auch wegen diesem Buch als selbststilisiertes Medienopfer und selbstgerechte Plaudertasche in Erinnerung bleiben.


    Nachdem er sich tapfer vor Gericht verteidigt hatte und sich damit auch den Respekt seiner Kritiker erwarb, sehen diese, unter anderem der Rezensent, sich durch dieses Buch erneut bestätigt.


    Si tacuisses…..

  • "Jeder wollte den größten Stein werfen." (Zitat vom Buchrücken)


    Christian Wulff erzählt hier die Ereignisse, die zu seinem Rücktritt geführt haben, aus seiner Sicht: "Ich habe mich bisher nur vor Gericht geäußert. Jetzt lege ich meine Sicht der Dinge dar." (S. 9)


    Natürlich ist ein großes Thema des Buches die mediale "Verfolgung", der er sich ausgesetzt sah und dass Details aus laufenden Ermittlungen heraus über die Medien an die Öffentlichkeit hinaus posaunt wurden.


    Aber der Autor erklärt auch zu vielen Reden / Situationen, was er damit ausdrücken wollte und warum er was gesagt, nicht gesagt oder getan hat und gibt damit, wie ich finde, gute Einblicke in seine Absichten.


    In dem Kapitel "Der Präsident" beschreibt er die Aufgaben eines Bundespräsidenten und wie er sie für sich umgesetzt hat und das Amt des Bundespräsidenten mit seiner Persönlichkeit und den für ihn hochprioren Themen gefüllt hat.


    "Menschen reagieren mit Recht empfindlich, wenn Fairnessprinzipien verletzt werden. Eine Finanz- und Wirtschaftselite, die nach dem Motto handelt, wenn es gut läuft, war es die Wirtschaft, wenn es nicht so gut läuft, war es die Politik, verstößt gegen diese Prinzipien und bedroht den Zusammenhalt der Gesellschaft. Ein Grundprinzip der Marktwirtschaft ist nämlich, dass Risiko und Haftung Hand in Hand gehen: Wer etwas riskiert, muss in Kauf nehmen, dass er scheitern kann. Die Vertreter der Banken waren nicht amüsiert." (S. 100)


    "In diesem Zusammenhang sprach ich mich unmissverständlich gegen die Ausweitung der Anleihekäufe durch die Europäische Zentralbank aus. Diese Praxis könne allenfalls übergangsweise toleriert werden, die Währungshüter müssten so schnell wie möglich zu den vereinbarten Grundsätzen zurückkehren: "Ich sage es hier mit Bedacht, ich halte den massiven Aufkauf von Anleihen einzelner Staaten durch die Europäische Zentralbank für politisch und rechtlich bedenklich. Artikel 123 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union verbietet der EZB den unmittelbaren Erwerb von Schuldentiteln, um ihre Unabhängigkeit zu sichern." (S. 100)


    "Der Widerstand, der mir wegen meiner kritischen und mahnenden Worte zur Finanzkrise aus Bankenkreisen entgegenschlug, war so ungewöhnlich heftig, dass manche Netzaktivisten später sogar meinen Rücktritt damit in Verbindung bringen wollten" (S. 100)


    Der Schreibstil ist flüssig und klar strukturiert und somit gut zu lesen.


    Inhalt (aus dem Inhaltsverzeichnis des Buches):
    Einleitung
    Erster Teil:
    Die Wahl
    Der Kandidat
    Der Präsident
    Die ersten hundert Tage
    Zwölf Kerzen
    Zweiter Teil:
    Die Jagd
    Die letzte Kugel
    Das Recht


    Hint: Das Buch enthält auch einige Bilder (Fotos, bunt) von Herrn Wulff bei öffentlichen Anlässen.


    4 Sterne (von max. 5 Sternen)

  • 4 Sterne (von max. 5 Sternen)


    Und noch ein Tipp: Du brauchst die Sternebewertung nicht auszuschreiben, bei unseren Smilies findest du direkt die Sternsymbole... :bewertung1von5::bewertungHalb:
    Ausserdem sind hier im Forum 5 Sterne die Höchstbewertung, also erübrigt sich dieser Hinweis in deinen Beiträgen auch.
    All das würdest du inzwischen wissen, wenn du dich einmal mit unseren Vorgaben "beschäftigen" würdest, es kann doch wirklich nicht angehen, dass sich jedes Mal ein ganzes Team um deine Beiträge kümmern muss. :idea: