Botho Strauss – Vom Aufenthalt

  • Original : Deutsch, 2009


    INHALT :
    Ein Buch von der großen Verwunderung über eine Zeit, die von Krise zu Krise stolpert, ohne die tieferen Ursachen dieser modernen Erdbeben zu verstehen - oder: verstehen zu wollen? Botho Strauß, der große Einzelgänger der zeitgenössischen Literatur in Deutschland, hebt in diesen Erzählungen die Religion und die Mythen, die Gegenwart als Teil der Geschichte, das Verhältnis der Geschlechter, das Unzugängliche und das Unerklärliche, das Übersehene und das Unverbundene (uam) in unterschiedlicher Beleuchtung hervor. Dieser Prosaband vereint Träumerei und strenge Zeitdiagnose und ist ein eindrucksvolles Zeugnis des Nachdenkens über gegenwärtige und kommende Krisen. (Quelle : Kurzbeschreibung bei amazon.de)


    BEMERKUNGEN :
    Vielleicht ist obige Beschreibung etwas kryptisch, doch es mag die Schwierigkeit widerspiegeln, dieses Buch zusammenzufassen. Oder spiegelt in seiner "kryptischen Weise" schon den Inhalt selbst? Und – füge ich hinzu – ist ein Versuch, ihm eine Art Roten Faden zuzuordnen.


    Die erste Seite setzt den Rahmen und könnte noch als einleitende, erzählerische Passage gelten. Gefolgt wird diese Beschreibung der Ausgangssituation, die zu einem « Aufenthalt » führte, von einer Vielzahl verschiedenster Beschreibungen, Annäherungen, wie solch eine andere Zeit erlebt und angefüllt werden könnte und mehr. Doch in dem Falle ist diese Einleitung nur ein Rahmen für etwas, was nahezu rahmenlos erscheint. Dabei handelt es sich genremäßig meines Erachtens eher um kurze Betrachtungen, Gedanken, manchmal Schilderungen, Miniaturen. Sie sind meist nur einige Zeilen lang und voneinander durch Leerzeile getrennt. Manchmal gibt es keinen – für mich - erkennbaren Faden zwischen zwei solcher Beiträge. Auch wenn man natürlich immer einen Oberbegriff finden könnte und kann. Sie eignen sich meines Erachtens nicht dazu, wie ein Roman oder eine Erzählung heruntergelesen zu werden, denn darum handelt es sich hier auch nicht. Sie laden eher zum verweilenden, absetzenden Lesen ein. Dann verwundert es einen nicht, dass er anderweitig Bücher mit Aphorismen und Essays geschrieben hat.


    Es ist verständlich, dass dabei nicht alles ansprechen kann. Einiges wirkt auf mich kryptisch und vielleicht zu verkopft : man findet Wörter und Ausdrücke nebeneinander und versteht am Ende nur Bahnhof. Ich denke, dass dies für einen Großteil der Bevölkerung einfach nicht lesbar ist. Also ein teils anstrengendes Lesen. Doch dann findet man Perlen, sicher!


    Ob sich das Lesen für diese für jeden wohl anderen Perlen lohnt, muss man wohl selber entdecken oder entscheiden. Das Buch entsprach nicht dem, was ich persönlich erwartet habe und ich habe es einstweilen mal beiseite gelegt. Und erkläre hiermit mein Verständnislimit...


    AUTOR :
    Botho Strauß (* 2. Dezember 1944 in Naumburg an der Saale) ist ein deutscher Schriftsteller und Dramatiker. Er gehört zu den erfolgreichsten und meistgespielten zeitgenössischen Dramatikern auf deutschen Bühnen.


    Botho Strauß studierte nach Schulbesuch im Ruhrgebiet und in Rheinland-Pfalz einige Semester Germanistik, Theatergeschichte und Soziologie in Köln und München, brach das Studium jedoch ohne Abschluss ab. Zwischen 1967 und 1970 war er Journalist bei der Zeitschrift Theater heute. Anschließend war er bis 1975 Dramaturg an der Schaubühne am Halleschen Ufer. Danach etablierte er sich als freier Schriftsteller.

    Neben Theaterstücken hat Strauß Kurzgeschichten und Bücher mit Essays und Aphorismen verfasst. Darin setzt er sich auch mit naturwissenschaftlichen und philosophischen Fragen auseinander: mit Fragen der Technik und der Evolution.

    Seine Werke werden in zahlreichen Sprachen publiziert. Er ist Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland. Viele Auszeichnungen, darunter der Georg-Büchner-Preis im Jahre 1989.


    Botho Strauß lebt heute in Berlin und in der Uckermark.
    (Quelle und mehr unter : http://de.wikipedia.org/wiki/Botho_Strauss )


    Gebundene Ausgabe: 296 Seiten
    Verlag: Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG; Auflage: 2 (9. Oktober 2009)
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 3446234411
    ISBN-13: 978-3446234413

  • Einer solchen Gedankensplitter ist folgender. Hat mich angesprochen:


    « Gedanken sind Sternschnuppen, das Hirn nichts als ein Sternschnuppenfangkorb. Die besten stürzen lautlos an unserer Lebenssphäre vorbei. Zufällig erblickt jemand am Himmel der Nacht, wie das lichte Gedachte vorbeischießt und erlischt. Manche Werke und Bilder sind aber Brocken, die beständig unseren Planeten umkreisen. »

  • Ich erinnere mich sehr vage an jene halbseitige Episode, wo diese Dominikaner auf dem Flughafen auf ihren Gebetsteppichen schlafen (Beine in Richtung Mekka) und nicht nachweisbar "provozieren".


    Diese Episode kapiere ich einfach nicht... :scratch:

  • Ich erinnere mich sehr vage an jene halbseitige Episode, wo diese Dominikaner auf dem Flughafen auf ihren Gebetsteppichen schlafen (Beine in Richtung Mekka) und nicht nachweisbar "provozieren".
    Diese Episode kapiere ich einfach nicht... :scratch:


    Kannst Du mir die Seite dazu angeben oder noch mehr dazu sagen? Ich erinnere nicht.


    FALLS es sich um Dominikaner handelt(e), sind es ja Angehörige einer (christlichen) Ordensgemeinschaft (Bettelorden). Ein Schlafen auf echten Gebetsteppichen (im muslimischen Sinne) könnte dann wohl schon als Provokation interpretiert werden, wenn man diese eben suchen will...

  • Ich habe mir die Seiten sogar herauskopiert. Hoffentlich finde ich sie auch wieder. Falls ja, werde ich diese "islamkritische Karikatur" Botho Strauss´ als Zitat posten. Die Kürze des Textes erlaubt es ja durchaus.


    In meinem Kopf ist dieser Seitenhieb auf das strengere Gottesbild des Islam (?) eigentlich gar nicht als Text, sondern als typische Ivan-Steiger-Karikatur abgespeichert.

  • Die Hauptakteure SIND eindeutig Dominikaner. Und speziell die Auswahl des Ordens, für die sich Strauss´zufällig (?) entschieden hat, löste bei mir extremen Widerstand aus, weil in meinem hintersten Gehirnkammerl auch der Name P. Georges Anawati OP in Neonleuchtschrift zu blinken begonnen hat. Dieser verstorbene ägyptische Dominikaner war eine Lichtgestalt im interreligiösen Dialog zw. Islam und Christentum.



    Tja, das ist echt ein Straussenei, das der liebe Botho da gelegt hat.


    Ob es sich um "echte" Gebetsteppiche handelte, ist mir nicht mehr in Erinnerung. (In einer großen Moschee habe ich aber selbst schon mal einen frommen Moslem im Gebetsbereich - allerdings natürlich außerhalb der Gebetszeiten - wie an einem Sandstrand schlafen gesehen. Sein kleiner Sohn hat ihm ein provisorisches Kopfkissen richten müssen.)

  • Zitat

    Es waren vier Dominikaner-Mönche, die in der Wartehalle des Flughafens einen kleinen Teppich ausrollten, sich hinstreckten und sofort zu viert in den Tiefschlaf fielen. Niemand wäre auf die Idee gekommen, daß es sich hier um die stillste, verhohlenste Form einer Verhöhnung handelte, der Verhöhnung nämlich des muslimischen Gebetsteppichs. Nicht einmal die einfältigen Mönche selbst waren sich darüber im klaren, daß ihr Schlaf auf dem Teppich nicht so rund und unschuldig war, wie er aussah, sondern daß er eine Spitze ausrichtete gegen die islamische Welt. Es war den vieren nicht einmal merkwürdig, daß sie stets gemeinsam zur Gebetsstunde der Andersgläubigen der Schlaf anfiel. Wo immer sie sich gerade befanden, legten sie ihren Teppich aus, den sie unterwegs immer bei sich trugen. Ihre unbewußte Lästerung ging sogar so weit, daß sie im Schaf ihre Füße allesamt nach Mekka ausstreckten. Doch das Bild und das Zeichen, dass sie in tiefer Müdigkeit darboten, wurde von jedem gläubigen Mohammedaner - von denen sich nicht wenige in derselben Wartehalle aufhielten - sofort entschlüsselt, und der tiefe Schreck der Beleidigung fuhr ihnen in die Glieder. Nach einem ersten entsetzten Blick verboten sie sich ein genaueres Hinsehen. Sie hätten sich gewiß anders verhalten, wenn die vier Mönche in ihrem seligen Schlummer nicht eine so große Unwissenheit ausgestrahlt hätten.


    (Seite 247/248 )

  • Zitat


    Ein Schlafen auf echten Gebetsteppichen (im muslimischen Sinne) könnte dann wohl schon als Provokation interpretiert werden, wenn man diese eben suchen will...


    @ tom leo


    Könntest Du bitte diesen Sphinx-Text entschlüsseln, falls Lust und Laune da ist...? Ich habe ja den Text aus dem Gedächtnis heraus interpretiert und war dann verblüfft, wieviel ich vergessen hatte. Fieser Text, fieser Autor. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Aber immerhin habe ich wegen der Suche nach den kopierten Seiten meine ganzen Kuddlmuddl-Aktenordner beschriftet und entmüllt. Hat auch etwas Gutes gehabt! "Vom Aufenthalt" bzw. Deine Rückfrage waren deshalb für mich Chaotin effektiver wie jeder Feng-Shui-Ratgeber und v.a. GRATIS !! :thumleft:

  • Ich habe von meinen eigenen Verständnisschwierigkeiten des Textes gesprochen und sehe mich also nicht berechtigt oder fähig, hier allgemein gültige Interpretationen loszulassen oder im Namen von Herrn Strauß zu reden. Wahrscheinlich ist Deine Nachfrage auch schon sehr spezifisch und geprägt, interessiert hier eventuell nicht sooo viele. Dazu, von mir, nur einige kleine Bemerkungen und persönliche Einschätzungen und dann will ich es, Ullar, Exzellentia, dabei belassen :


    Sehr wahrscheinlich ist diese Passage von Strauß nicht einfach « christenfeindlich » oder « islamfeindlich » einzustufen, wie Du es wohl etwas vereinfachend verstehst. Es gibt in meiner Lesart zwei, drei richtige Intuitionen oder mögliche Interpretationen darin :


    - erstens verletzten wir einander unwissentlich durch Ignoranz der Kultur des anderen, oder auch bewußte (was hier nicht der Fall ist) Gesten: Strauß betont die Unwissenheit.
    - dass gewisse Angehörige des Dominikanerordens oder viele Christen heute einen verständisvollen Umgang mit dem Islam suchen schließt nicht aus - im Gegensatz zu Deiner Argumentation -, dass wir alle weiterhin oft ignorieren, was den anderen ausmacht. Und "unbewußt" andere verletzen.


    - Strauß ist, glaube ich, nicht einfach als Christenkritiker oder -feind hier abzustempeln. Man könnte diese Aufmerksamkeit gegenüber als islamkritisch eingestufte Gesten als durchaus christliche Haltung einordnen: unser Respekt überschreite eben unsere Grenzen und Zugehörigkeiten. Leider wird das oft nicht so von der anderen Seite ebenso betrachtet bzw respektive so behandelt (siehe Christenverfolgungen in vielen islamischen Ländern etc). Ja, inzwischen geht das « political correct » ja soweit, dass man sich oft schon selber mißtraut und jede Geste in unserem Kulturraum in Frage stellt und mit Sorge als «islamfeindlich »(oder andere Kulturen, Religionen wertschätzend) abwägt.
    - folgender Artikel zeigt jene andere Sorge von Strauß an, ja, könne sogar von gutmeinenden Geistern wiederum als « political incorrect » eingestuft werden, wenn er die Besorgtheit ausdrückt, dass die christliche Kultur etc einfach liegengelassen wird : http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-45889478.html


    Ich möchte es wirklich gerne dabei belassen. Danke !

  • Das ist Dein erstes Post in Deiner ganzen Forenzeit - soweit mir bekannt - das Du korrigiert hast, und trotzdem hast Du eine Anspielung eingebaut, mit der Du meinen Forennamen angetastet hast. Sigmund Freud würde das nicht als Freudschen Versprecher gelten lassen. Was hab´ ich Dir bloß getan ???? :( :( :( :( :( :( :( :(