Daniela Widmer & David Och - Und morgen seid ihr tot

  • Der Klappentext:
    "Uns wurden achteinhalb Monate unserer Freiheit und unseres Lebens genommen, wir mussten sechstausendzweihundert Stunden lang gegen die Todesangst ankämpfen. <Am Ende bleibt das Leben>, hatte ich einmal mit grossen Lettern in mein Tagebuch geschrieben, als ich den Anblick der hohen Mauern, die Insekten auf meinem Körper nicht mehr ertragen konnte. Dieser Satz hat eine viel tiefere Bedeutung, als ich damals - wir hatten gerade einmal die Hälfte der Zeit überstanden - erahnen konnte"


    Zum Inhalt:
    Es sollte eine Reise entlang der Seidenstrasse werden. Sie endete in der Gewalt pakistanischer Taliban. Achteinhalb Monate lang lebten Daniela Widmer und David Och in Todesangst. Ihre eindrucksvolle Geschichte fürht sie ins pakistanische Waziristan, nahe der Grenze zu Afghanistan, ins Stammland der Taliban. Am 1. Juli 2011 beginnt der Albtraum. Daniela Widmer und David Och werden in Belutschistan von einem bewaffneten Kommando aus ihrem Resiebus gezerrt und fünfhundert Kilometer Richtung Norden verschleppt. Bald wir dklar, dass die Taliban-Kämpfer Gotteskrieger freipressen und Lösegeld kassieren wollen. Im lauf der Monate wird die Situation immer auswegloser, die Geiseln fragen sich: Warum kommen die Verhandlungen zwischen den Taliban und der Schweizer Regierung nicht voran? Tagtäglich wird das Gebiet systematisch bombadiert, ihre wechselnden Gefängnisse werden immer prekärer. Mit Lauftraining, Gymnastik und Tagbuchsschreiben versuchen die Geiseln, eine Alltagsroutine und Disziplin zu wahren, trotz permanenter Magen-Darm-Infekten und Malaria, trotz schwindender Widerstandskraft. Als sich in den Wintermonaten auch die letzte Hoffnung auf einen Erfolg der Verhandlungen zerschlägt, treffen David Och und Daniela Widmer eine mutige Entscheidung. Am 15. März 2012 gelingt ihnen die Flucht. Sie kehren zurück in die Schweiz. Doch gibt es das noch: ihr altes Leben?


    Meine Meinung:
    Ich hatte die beiden bereits an einem Vortrag über die Ereignisse sprechen gehört. Das hatte ich mich damals so beeindruckt, dass ich mir auch das Buch zu gelegt habe. Es hat etwas gedauert, bis ich mich dazu durchringen konnte, das Buch zu lesen, hatte ich doch schon nach dem Vortrag immer wieder Träume von Entführungen und das konnte ich mir nebst dem Arbeitsstress vor Weihnachten nicht an tun. Aber jetzt über Weihnachten war der Zeitpunkt für das Buch gekommen. Ich hab's in zwei Tagen durchgelesen. Ich hätte nicht gedacht, dass mich die Geschichte nochmals so fesselt, zumal ich schon vieles vom Vortrag her kannte. Aber im Buch werden nochmals viele Details und Einzelheiten bekannt, die am Vortrag nicht genannt wurden. Ausserdem ist die Geschichte etwas mehr gegliedert und für den Leser besser nachvollziehbar als beim Vortrag. Beim Vortrag sind die beiden jeweils so rasch von einem Erlebnis zum nächsten gesprungen und haben alles in einem so schnellen Wortschwall gesprochen, dass es schwer war, sich alles zu merken und allem zu folgen.


    Das Buch beginnt am Tag der Entführung, all ihre Reisevorbereitungen, die grossen Sicherheitsvorkehrungen die sie vor ihrer grossen Reise gemacht haben, werden nur am Rand erwähnt. Auch die Reise selber, die sie schon auf dem Hinweg über Pakistan nach Indien geführt hat, wird nicht erwähnt. Im Buch wird die Entführung und die Zeit während der Entführung beschrieben. Die Erzählungen stammen von Danielas Tagebuch, das sie täglich geführt hat. Es ist alles so anschaulich, so bildhaft und authentisch beschrieben, mit allen Gefühlslagen, die Daniela während dieser Zeit erlebt, dass es mir teilweise den Atem nahm. Daniela beschreibt ihr Gefühlswirrwarr - sie schwankt zwischen Verzweiflung, Hass, Todesangst aber auch zwischen Mitgefühl, Verständnis und Symphatie und für mich als Leser war das dank der bildhaften Erzählungen im Buch alles glaubwürdig und nachvollziehbar. Es war teilweise, als würde ein Film vor meinem inneren Auge ablaufen in dem ich die Gefangenschaft der beiden noch intensiver miterlebe.
    Eindrücklich fand ich übrigens auch, dass die Gefahr für die beiden nicht nur von ihren Entführern ausging, sondern dass sie täglich Angst hatten von einer Drohne getroffen zu werden und als Kollateralschaden zu enden. Über sowas habe ich mir vorher gar nie Gedanken gemacht. Eigentlich habe ich mir über Pakistan eigentlich sowieso nie gross Gedanken gemacht, und es hat mich doch ziemlich schockiert, zu lesen, wie die Menschen dort leben, wie schon 4jährige neben Kalaschnikows gross werden und dass Waffen dort für alle, selbst für kleine Kinder etwas Selbstverständliches sind...


    Zwischendurch sind Zeichnungen von Daniela von den verschiedenen Innenhöfen auf denen die beiden festgehalten wurden, abgebildet. Das ermöglicht einem einen noch besseren Blick auf ihre Situation.
    Die Spannung wird über das ganze Buch hinweg gehalten und sie steigert sich gegen Ende, als von der Flucht erzählt wird, noch mehr. Ich hatte beim Lesen einen erhöhen Pulsschlag - das sagt doch schon alles, oder? Ein Buch das, das schafft, ist einfach gut.


    Was ich sonst bei Büchern auch gerne mal überlese, fand ich in diesem Buch ebenfalls sehr spannend: Der Epilog und die Danksagungen. Daniela beschreibt dort noch kurz wie es ihr heute geht und was sie jetzt mit etwas Abstand über die Entführung denkt. Bei den Danksagungen kommt dann auch David noch zu Wort, er erklärt, dass das Buch auf Danielas Aufzeichnungen im Tagebuch basiert und somit auf ihren Wahrnehmungen und dass sich diese Wahrnehmungen nicht immer mit seinen eigenen decken. Es gab zwei Beispiele dafür, ich hätte es noch interessant gefunden, mehr darüber zu erfahren, evtl. auch Ergänzungen von ihm zu den einzelnen Kapitel.


    Was ich ebenfalls etwas vermisst habe, war ein Kapitel, dass sich der Reise der beiden (von der Schweiz auf den Landweg nach Indien und zurück) gewidmet hätte. Allerdings kann ich mir auch vorstellen, dass dies evtl. den Rahmen gesprengt hätte und deshalb absichtlich darauf verzichtet wurde. Und auch der Epilog hätte von mir aus gerne noch etwas länger sein dürfen. Ich hätte gerne noch etwas über ihre Rückkehr in die Schweiz erfahren und wie sie empfangen wurden etwas. Aber auch hier kann ich verstehen, warum darauf verzichtet wurde, es war wohl kein schöner Empfang den die beiden schlussendlich hatten und ich kann mir vorstellen, wie sich die beiden gefühlt haben müssen, als sie lesen mussten, was in ihrer Heimat während dieser Zeit alles über sie geschrieben wurde.


    Das Buch hat mir spannende Lesestunden geschenkt, ich habe mit den beiden mitgelitten, mich mit ihnen mitgefreut und nebenbei habe ich zu dem noch etwas über das Leben in Pakistan und die Menschen in diesem Land erfahren. Das Buch ist für mich absolut lesenswert und erhält dafür von mir :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:


    PS: Ich habe das Buch bei Biografien eingestellt, bin mir aber nicht sicher, ob es da richtig....bitte verschieben, falls es besser in eine andere Kategorie passt, Danke

    :study:: Am Hang - Markus Werner

    :musik:: Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte - Peter Heller


  • 5 Dinge, die mir spontan zum Buch einfallen:
    Afghanistan, Pakistan, Krieg, Verzweiflung, Taliban


    Das sagt der Verlag über das Buch:
    Es sollte eine Reise entlang der Seidenstraße werden. Sie endete in der Gewalt pakistanischer Taliban. Achteinhalb Monate lang lebte ein Schweizer Paar in Todesangst. Nun erzählen sie ihre eindrucksvolle Geschichte. Sie führt in eine Region, von der zwar in den Medien viel die Rede ist, die aber kaum einer kennt: ins pakistanische Waziristan, nahe der Grenze zu Afghanistan, ins Stammland der Taliban.
    Am 1. Juli 2011 beginnt der Albtraum. Daniela Widmer und David Och werden in Belutschistan (Pakistan) von einem bewaffneten Kommando aus ihrem Reisebus gezerrt und 500 Kilometer Richtung Norden verschleppt. Die »Gotteskrieger« wollen Lösegeld für sie kassieren.
    Im Laufe der Monate wird die Situation immer auswegloser. Als sich in den Wintermonaten auch die letzte Hoffnung auf einen Erfolg der Verhandlungen zerschlägt und die Bewachung immer nachlässiger wird, treffen David und Daniela eine mutige Entscheidung.
    Am 15. März 2012 gelingt die spektakuläre Flucht. Zurück in die Schweiz. Doch gibt es das noch: ihr altes Leben?



    Meine bescheidene Meinung:
    Ich muss im Vorfeld sagen, dass die Geschichte der beiden Autoren gänzlich an mir vorbeigegangen ist, was mich ehrlich gesagt ziemlich wundert. Umso interessierter war ich, als ich dieses Buch auf der Frankfurter Buchmesse entdeckte. Ein paar Tage später war es dann auch schon bei mir zu Hause, versehen mit einer wunderbaren Widmung versehen – vielen lieben Dank an dieser Stelle nochmals an den Dumont-Verlag!


    Und ich kann sagen, genauso herzlich und menschlich, wie mir Daniela Widmer und David Och nach dem Lesen dieser Widmung erschienen, waren sie den ganzen Verlauf des Buches; aber erst mal von Anfang an: Daniela und David machen gerne Urlaub, in dem sie mehr als die Hotelanlagen sehen und so sind sie im Jahr 2011 im Sommer auf der Seidenstraße, Pakistan unterwegs. Wäre jetzt nicht unbedingt meine erste Wahl gewesen (vor allem nicht im Sommer bei diesen Temperaturen!), aber sie sind gut vorbereitet und sind nicht selten mit Polizeischutz unterwegs. Trotzdem wäre auch hier meine Angst vor korrupten Polizisten, die meinen Schutz an irgendwelche Schergen verkaufen, zu groß gewesen.


    Und so kommt die Geschichte recht schnell ins Rollen: bei einer Wachablösung in der Provinz Belutschistan – keine Taliban-Hhochburg, aber Krisenherd – werden die beiden Schweizer überfallen und verschleppt. Was die nächsten 258 Tage geschieht, scheint einem Außenstehenden absolut unglaublich. Die beiden werden von einem Lager zum nächsten geschleppt, an Hygiene ist bei keinem wirklich zu denken, die Männer mit den Waffen im Haus und die surrenden Drohnen am Himmel draußen sind allgegenwärtig.


    Daniela führt während der ganzen Zeit, die von Bangen, Warten und dem Versuch, nicht wahnsinnig zu werden, geprägt ist, Tagebuch. Was mich persönlich immer wieder gewundert hat, war, dass die Entführer (denen die beiden recht schnell Namen wie Junkie oder Dumbo gaben), immer äußerst bemüht waren, dass es ihren Geiseln den Umständen entsprechend gut geht. Sei es die Unterbringung oder kleine Extras wie frisches Obst oder auch ein neues Tagebuch für Daniela.


    Die Zerrissenheit der Kidnapper war streckenweise förmlich zu spüren. Einerseits wollen sie alles richtig machen um ihren Vorgesetzten und nicht zuletzt Allah zu gefallen. Auf der anderen Seite konnten sie die Situation nicht mit sich selbst vereinbaren. So ließen sie sich auch oft eine gewisse Ungehaltenheit der beiden Schweizer gefallen, die – wie Daniela erzählt – streckenweise doch sehr offensiv und aggressiv war. Einerseits kann ich das schon verstehen – hallo! – wer lässt sich schon gerne gefangen halten?! – aber ich weiß nicht, ob ich, die bekanntlich eine große Klappe hat, mich das so in der Form getraut hätte.


    Insgesamt kann man sagen, dass Daniela und David stets daran gelegen war, mit ihren Geiselnehmern ins Gespräch zu kommen. Ich finde es zwar jetzt immer noch ziemlich unrealistisch, dass sie die Gespräche, so wie sie sie im Buch beschreiben, auf – wenn auch wackeligem – Paschtu geführt haben sollen, aber nun gut. Sie erfahren recht viel vom Leben und den Familien ihrer Kidnapper und können so eine gewisse Beziehung aufbauen, was ihnen die 259 Tage sicher um einiges leichter gemacht haben.


    Was mich persönlich ziemlich genervt hat, war die ständige Frage nach dem “wie lange noch?”. Nicht falsch verstehen, ich würde in der Situation auch wissen wollen, wann diese Leute gedenken, mich auf freien Fuß zu lassen, aber muss man das jedes Mal so explizit wiederholen, obwohl danach tage-, wenn nicht wochenlang nichts passiert? Weiterer Kritikpunkt ist der Titel, der mir – gemessen an den im Buch geschilderten Geschehnissen einfach zu reißerisch erscheint. Ich meine mich erinnern zu können, dass dieser Satz von einem deutschen Taliban stammt, mit dem die beiden Schweizer ein Lösegeld Video drehen sollten und der in seiner Art ziemlich aggressiv und harsch war. Aber das kam in der Form tatsächlich nur ein Mal vor – sonst wurde eigentlich immer betont, dass man bestrebt sei, die beiden am Leben zu lassen


    Daniela hat es geschafft, mir ein recht deutliches Bild der Situation zu vermitteln, in der sie über 8 Monate über mit David steckte. Ich habe mich mit den beiden gefreut, als sie endlich mit ihren Familien sprechen durften und ich habe mit ihnen gelitten, als der versprochene Besuch, den sie von einem Vermittler erwartet hatten, ausblieb.
    Das Buch ist frei von Hass, was ich einerseits sehr bewundernswert, aber auch ein bisschen unrealistisch finde. Ich würde den Leuten, die mich so lange festhalten – aus welcher Intention auch immer – die Pest an den Hals wünschen. Aber da bin ich wohl ein bisschen anders gestrickt.


    Ein interessantes Buch über die leider immer noch sehr aktuelle Situation in Pakistan/Afghanistan über zwei Menschen, die sich und die Hoffnung auf Leben nicht aufgegeben haben und denen ich wünsche, dass ein “normales” Leben bald wieder irgendwie möglich ist.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • @Squirrel könntest du bitte diese Rezension an die bestehende Rezension hier einfügen.....Danke

    Sobald wir lernen, uns selbst zu vertrauen, fangen wir an zu leben. ( Johann Wolfgang Goethe )


    Jede Begegnung , die unsere Seele berührt hinterlässt eine Spur die nie ganz verweht. ( Lore-Lillian Boden )

  • Vielen Dank @cocodrilla und @Cle-o für eure informativen Rezis.
    Das Buch habe ich gestern beendet und mir hat es sehr zugesagt, obwohl ich die erwähnten Kritikpunkte gut nachvollziehen kann.
    Über das Buch wurde ja schon viel geschrieben, und so möchte ich mich hier nur zu einem Punkt kurz äussern.

    Das Buch ist frei von Hass, was ich einerseits sehr bewundernswert, aber auch ein bisschen unrealistisch finde.

    Mich hat genau diese Tatsache, dass das Buch frei von jeglichem Hass ist, mit am meisten berührt. Ich kann gut verstehen, dass du das für dich ein bisschen unrealistisch findest. Auch ich dachte erst, dass das doch kaum möglich ist. Doch das Buch hat mir wieder einmal gezeigt, dass es immer zwei Seiten einer Münze gibt - der eine sieht Kopf, der andere Zahl. Es kommt stets auf den Blickwinkel an.


    Daniela Widmer hat es meiner Meinung nach geschafft, trotz ihrer eigenen trostlosen und heftigen Situation einen Blick auf die Sicht ihrer Entführer und deren Situation zu werfen. So konnte sie ansatzweise Verständnis für Taten aufbringen, die in unseren Augen null Verständnis verdienen. Für mich ein absolutes Vorbild in Sachen Nächstenliebe! Nicht jeder ist zu dieser ausgeprägten Form fähig. Ich wohl auch nicht... :wink: Selbst David Och beschreibt in der Danksagung, dass er da anders gestrickt ist als Daniela, auf deren Tagebuchaufzeichnungen das Buch basiert:



    Wie gesagt, mich hat dieser Tatsachenbericht berührt und zum Nachdenken angeregt. Ich vergebe :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb: und empfehle das Buch ebenso vorbehaltlos wie @cocodrilla gerne weiter.